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«Nicht nur die UBS verhalf Kunden zur Steuerflucht»

Keystone

Die UBS hat noch bis am 30. April Zeit, den US-Steuerbehörden ihre Verteidigung vorzulegen. Für Lawrence Horn, New Yorker Anwalt und Rechtsvertreter verschiedener UBS-Kunden, ist die UBS nicht die einzige Bank, die Steuergeld am US-Fiskus vorbeischleuste.

swissinfo: Sie vermitteln zwischen verschiedenen UBS-Kunden und den US-Steuerbehörden. Wie sehen Sie persönlich das UBS-Debakel rund um die Steuerflucht?
Lawrence Horn: Wir arbeiten seit über einem Jahr an der Steuerflucht-Affäre. Damals hat der ehemalige UBS-Angestellte Bradley Birkenfeld begonnnen, mit den amerikanischen Behörden zusammenzuarbeiten. Wir wussten, dass diese Sache noch an Bedeutung gewinnen würde.

Angesichts der aktuellen Ereignisse wäre es nicht nur für die UBS-Kunden, sondern auch für Steuerflucht-Kunden von Banken in Israel, auf den Cayman Islands und im Fernen Osten vernünftig, mit Anwälten Kontakt aufzunehmen und sich an die US-Steuerbehörden zu wenden – bevor sich diese an sie wenden. Diese Bankkunden haben noch bis Ende Jahr die Möglichkeit, sich freiwillig bei den Steuerbehörden zu melden.

Die Kunden, die sich nicht auf der Liste mit den rund 250 Bankkunden befinden, die die UBS den amerikanischen Steuerbehörden übermittelt hat, sollten sich an die US-Steuerbehörde IRS wenden (International Revenue Service) – nicht nur um ihre Konten bereinigen zu lassen, sondern auch um die Rückführung ihres Geldes zu vereinfachen.

Mich erstaunt, dass im Vergleich zwischen der UBS und der IRS letzte Woche die Übermittlung der Namen der Konteninhaber ausgeklammert wurde. Man hätte erwartet, dass im Gegenzug für das Engagement der amerikanischen Regierung, keine Klage gegen die UBS einzureichen, im Vergleich auch diese Forderung aufgenommen würde. Weshalb gibt die UBS die Namen nicht sofort bekannt und geht damit das Risiko ein, vor Gericht belangt zu werden und dann die Namen in den nächsten Monaten übermitteln zu müssen?

swissinfo: Letztes Jahr haben Sie gegenüber der Agentur Bloomberg gesagt, dass zu den verdächtigten amerikanischen UBS-Kontoinhabern wahrscheinlich öffentliche Verantwortungsträger, Stars aus Kultur und Sport zählen. Wer sind Ihre Kunden?

L.H.: Dazu kann ich nichts sagen. Ich kann nur sagen, dass unsere Kanzlei sehr mit der UBS-Steuerflucht-Affäre beschäftigt ist. Das waren wir jedoch schon lange vor den Ereignissen der letzten Woche.

Bereits letztes Jahr haben wir in den Bundesstaaten New York, New Jersey und Utah eine gewisse Anzahl entsprechender Dossiers behandelt. Allein diese Woche habe ich am Montag und am Dienstag UBS-Kunden getroffen. Einige meiner Klienten sind extrem reich.

Bei einem meiner Dossiers ging es um 18 Mio. Dollar, bei einem anderen wiederum um 600’000 Dollar. Bei vielen dieser Bankkunden geht es um geerbtes Geld, das schon lange auf dem Konto lagert und sich vermehrt hat. Manche Konten wurden bereits eröffnet, bevor die Kunden nach Amerika auswanderten.

Auf den Konten lagern auch Holocaust-Gelder. Die Kontoinhaber gehören den verschiedensten Ethnien an und stammen aus den verschiedensten Ländern. Die Konten wurden etwa in Iran, Irak oder Indien eröffnet. Es ist ein richtiger Schmelztiegel.

swissinfo: Hat es unter den verdächtigten Kontoinhabern auch Firmen?

L.H.: Ich vertrete jedenfalls keine Firmen. Die meisten Konten lauten auf natürliche Personen oder auf die Namen mehrerer Familienmitglieder.

swissinfo: Sind die Methoden, welche die UBS in den USA angewandt hat, um Geld von amerikanischen UBS-Kunden am Fiskus vorbeizuschleusen, ungewohnt?

L.H.: Die UBS steht nun für diese Art von Verhalten. Ich wäre jedoch nicht erstaunt, wenn andere Banken dieselbe Methode anwenden – sei es in Liechtenstein, auf den Cayman Islands oder anderswo. Es handelt sich dabei nicht um ein UBS-Problem. Es wäre äusserst naiv zu glauben, dass nur die UBS so handelt. Es gibt noch andere Banken in der Schweiz – man sollte etwa schauen, wie sich die Credit Suisse verhalten hat.

Ich denke, dass die Anzahl verdächtiger Konten noch steigen wird, wenn man auch andere Banken unter die Lupe nimmt. Bei der UBS ist die Zahl der verdächtigen Konten innerhalb einer Woche von 19’000 auf 52’000 gestiegen. Die amerikanische Regierung ist nicht inaktiv. Sie wartet nicht einfach darauf, was kommt.

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swissinfo: Bieten auch amerikanische Banken Hand zur Steuerflucht?

L.H.: Diese Frage habe ich mir noch nicht gestellt. Ich denke jedoch nicht. Das US-Bankenwesen ist so stark reglementiert, dass es dumm wäre, so zu handeln.

swissinfo: Wie geht es in der UBS-Affäre in den USA weiter?

L.H.: Ich denke, dass die amerikanische Regierung in 9 bis 12 Monaten wohl über alle Namen der betreffenden Bankkunden verfügen wird.

swissinfo: Können sich die UBS-Bankkunden bei der IRS auf das Bankgeheimnis stützen, das in der Schweiz immer noch gilt?

L.H.: Was die Bankkunden denken oder gedacht haben, spielt keine Rolle mehr. Bankgeheimnis hin oder her, es ist für sie nun zu spät. Was zählt, ist die Gegenwart. Die Bankkunden müssen realistisch sein – und die Realität ist, dass diese Konten allein dazu dienten, das Geld am Fiskus vorbeizuschleusen.

swissinfo, Marie-Christine Bonzom, Washington
(Übertragung aus dem Französischen: Corinne Buchser)

Der Bundesrat will ohne Verzug eine Strategie entwickeln, um die Interessen der Schweiz in der Bankenkrise zu wahren. Er setzt zu diesen Zweck einen Dreierausschuss der Landesregierung und eine Task Force mit Experten ein.

Dem von Bundespräsident Hans-Rudolf Merz präsidierten Ausschuss gehören auch Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf und Aussenministerin Michelin Calmy-Rey an.

Laut Merz wird der Ausschuss in einer Arbeitsgruppe Experten zusammenführen, insbesondere solche des internationalen Rechts, des Steuerwesens und des Bankenwesens, darunter auch amerikanische.

Teil der Lösungssuche sei auch das bevorstehende Treffen von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf mit dem amerikanischen Justizminister, sagte Merz.

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