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Obama bezirzt die Amerika-Schweizer

Barack Obama setzt im Wahlkampf alle Mittel und Nuancen der politischen Verführung ein. Keystone

Während John McCain die Nomination der Republikaner sicher ist, kämpfen Hillary Clinton und Barack Obama noch um jene der Demokraten. Schweiz-Amerikaner bevorzugen zwar Obama, ihr Engagement hängt aber stark mit ihrem Enthusiasmus zusammen.

Die nächsten Primärwahlen finden am 22. April in Pennsylvania und am 6. Mai in Indiana und North Carolina statt. Auch wenn Barack Obama in den meisten Umfragen und Staaten vorne liegt, will Hillary Clinton «bis ans Ende gehen», also bis zum Kongress der Demokraten im August.

Doch Pennsylvania könnte entscheidend werden. Die frühere Favoritin Clinton wird von ihrem Rivalen immer weiter abgehängt.

Denn die Unentschlossenen wählen Obama. Wie Emily Muelly, 25-jährige Amerikanerin, die diesen Sommer wegen ihrer Heirat mit einem Schweizer aus dem Kanton Schwyz die Schweizer Staatsbürgerschaft beantragen wird.

«Derzeit ist mein Entscheid für Obama nicht absolut, aber ziemlich stark», erklärt sie.

Obamas Hautfarbe

Die Programme der beiden demokratischen Rivalen gleichen sich fast aufs Haar, einzig ihre Persönlichkeit unterscheidet sie. «Ich habe Mühe mit der Art und Weise, wie Clinton ihre Kampagne führt», erklärt Muelly, die in Pennsylvania lebt und wählt.

«Die persönlichen Attacken, die Abwechslung von fehlenden Emotionen einerseits und Tränen andererseits, das scheint mir alles ein wenig gekünstelt.»

Die Unentschlossenheit vieler Wählender basiert auf dem Wunsch, nicht auf den falschen Kandidaten zu setzen, der es im Duell im November mit McCain aufnehmen muss. Auch Muelly geht es so, darum ist sie sich noch nicht so sicher.

«Am Anfang hatte ich Angst, dass Obama, der linker als Clinton politisiert, nicht gewählt werden könnte», erklärt sie. Könnte die Hautfarbe eine Rolle spielen? «Das ist eine der Sorgen», betont die junge Frau.

Vorteil Clinton

Hillary Clinton kann in Pennsylvania und anderswo immer noch auf eine breite Wählerbasis setzen. Die in Zürich geborene Madeleine Kunin, frühere Gouverneurin von Vermont und US-Botschafterin in der Schweiz, macht für Clinton Kampagne. «Hillary steht für den Wechsel. Ich bin erfreut, der ersten Frau helfen zu können, die fähig für das Präsidentenamt ist.»

Irene Sprunger in Indiana hat sich noch nicht festgelegt, doch sie «tendiert zu Obama». Die Kauffrau im Ruhestand, deren Eltern 1922 aus der Schweiz eingewandert sind, sorgt sich besonders um die Wirtschaft.

«Wir brauchen einen Präsidenten, der Arbeitsstellen schützt und sie nicht auslagert», ergänzt Sprunger. Sie kenne viele Arbeitslose, «deren Häuser beschlagnahmt wurden und deren Universitäts-Gelder für die Kinder sich in Luft auflösten».

Briefwechsel mit der Schweiz

Sprunger, die sich auch Sorgen um den Irak macht, beklagt «die schrecklich hohe Summe an verpufften Geldern und die jungen Leben, die verloren gingen».

Sie zeigt sich sehr beunruhigt über das Image der USA in der Welt. «Ich stehe in umfangreichem Briefkontakt mit meiner Familie in der Schweiz. Sie sind der Meinung, die USA hätten nicht mehr das gleiche Prestige wie früher.»

Auch der Kalifornier Vinz Koller, 1963 in Schaffhausen geboren und seit 2002 Amerikaner, macht sich dieselben Sorgen um den Ruf. «Es ist schockierend, zu sehen, dass die USA in der Schweiz und anderen Staaten wegen Präsident Bush als Bedrohung wahrgenommen werden.»

Kalifornien hat bei den Primärwahlen am 5. Februar Hillary Clinton unterstützt. Vinz Koller zieht jedoch Barack Obama vor. Als Vorsitzender der Demokratischen Partei in Monterey County ist Koller stark in den Wahlkampf involviert.

«Ich habe frei genommen, um bei der Organisation der Beziehungen zu den Medien in Corpus Christi bei den Vorwahlen in Texas teilzunehmen», erklärt er.

Vinz Koller sieht für Obama grössere Chancen, zum Präsidenten gewählt zu werden, weil er mehr Unabhängige überzeugen könne als Clinton, auch Republikaner.

«Viele Republikaner sind der Meinung, Bush habe die republikanischen Ideen verraten, besonders mit dem Krieg, und Obama sei der Kandidat, der diese Fehler am ehesten korrigeren könne», erklärt der Auslandschweizer.

McCain: «cholerischer Opportunist»

Hans Moser gehört zu jenen, die von der republikanischen Partei enttäuscht sind. Der Baptist ist jedoch bei weitem kein «Obamacan», also ein Republikaner, der Obama unterstützt.

«Ich habe nie in Erwägung gezogen, für Obama oder Clinton zu stimmen», sagt der Berner, der John McCain allerdings als «keinen guten Kandidaten» betitelt. «Er ist ein Opportunist und neigt zu Jähzorn», so Mosers Urteil.

Hans Moser hat sein Amt als Parteichef seines Bezirks in North Carolina gekündigt. «Wir Republikaner haben viele Fehler gemacht und viele ethische Probleme erlebt», sagt er und unterstützt weiterhin George Bush.

«Wir müssen ein neues Werteprofil finden. Nur fürs Erdöl zu sein, ist nicht gut», betont er im gleichen Zug.

Ein Baptist für Condoleezza Rice

Daher ist Moser «nicht sehr aktiv» im Wahlkampf. «Ich war für Mike Huckabee, weil er evangelisch ist, seinen Glauben eher diskret ausübt und nicht ständig von der Bibel sprach. Religion und Politik soll man nicht vermischen», meint Moser.

Hans Moser würde sich «enthusiastischer und aktiver» für einen Sieg McCains einsetzen, wenn der 70-Jährige Condoleezza Rice als seine mögliche Vize-Präsidentin portieren würde.

«Condie ist jung und wäre die erste Frau auf einem republikanischen ‹Ticket›. Sollte Obama bei der Wahl gegen McCain antreten, wäre sie ein guter Trumpf – auch, weil sie in Europa angesehen ist.»

swissinfo, Marie-Christine Bonzom, Washington
(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub und Gaby Ochsenbein)

Swissroots (Site für Amerikaner mit Schweizer Wurzeln) schätzt die Zahl der Amerika-Schweizer auf 1,2 Millionen. Ende 2007 waren nach Angaben der Schweizer Botschaft in Washington 52’415 Doppelbürgerinnen und Doppelbürger registriert.

Am meisten Schweiz-Abstämmige leben in den US-Bundesstaaten Kalifornien, New York, Ohio, Wisconsin und Pennsylvania, wo am 22. April Primärwahlen stattfinden.

In den USA findet keine «Schweizer Wahl» statt. Die dortige Auslandschweizer-Gemeinde ist so alt, vielfältig und übers Land verstreut, dass es unmöglich ist, eine klare politische Zugehörigkeit zu identifizieren.

Die Schweiz-Amerikaner haben kein zentrales Thema, wie es zum Beispiel die Einwanderer aus Lateinamerika mit der Migration haben oder die Juden und Muslime mit dem Nahost-Konflikt.

«Die Amerikaner mit Schweizer Ursprung widerspiegeln im Allgemeinen die Tendenzen und Anliegen der amerikanischen Wählerschaft», sagt Erdmann Schmocker, Historiker und ehemaliger Präsident der «Swiss American Historical Society».

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