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OECD stimmt gegenüber der Schweiz mildere Töne an

Keystone

OECD-Genereralsekretär Gurría begrüsst die Bereitschaft der Schweiz, bis Ende 2009 mit mindestens 12 Ländern neue Steuerabkommen auszuhandeln. Auch an einem Treffen der grossen Parteien mit der Regierung stand der Druck auf den Finanzplatz im Mittelpunkt.

Die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat am Donnerstag im Steuerdialog mit der Schweiz ein neues Kapitel aufgeschlagen. José d’Ángel Gurría antwortet auf einen Brief, den er am 28. April von Bundespräsident Hans-Rudolf Merz erhalten hatte.

In seinem Antwortschreiben, von dem swissinfo eine Kopie vorliegt, schlägt Generalsekretär Gurria einen herzlichen Ton an.

Er schlägt vor, das Kriegsbeil zu begraben: «Ich bin gerne bereit, der Schweiz zu helfen, aber bitte töten Sie nicht den Boten, ich bin Teil der Lösung, nicht des Problems.»

Anstoss zu den Streitigkeiten hatte eine Liste der OECD gegeben, auf der die Schweiz mit andern sogenannten Steueroasen aufgeführt wurde. Die Liste war im Vorfeld des G-20-Gipfels in London publiziert worden.

Zwei Wochen vor dem Gipfeltreffen hatte die Schweiz eine Aufweichung seines Bankgeheimnisses angekündigt, in der Hoffnung, nicht auf einer Liste jener Länder zu figurieren, die den OECD-Standards in Steuerfragen nicht genügten.

Unabhängigkeit der OECD

In dem Schreiben kommt Gurría im Detail auf die technischen und politischen Fragen zu sprechen, die Hans-Rudolf Merz der OECD gestellt hatte.

Weshalb die Schweiz als OECD-Mitglied nicht im Voraus darüber informiert worden sei, dass sie auf dieser Liste figuriere? – Gurria schreibt dazu, dass die OECD periodisch Umfragen über seine Mitgliedsstaaten publiziere, ohne jeweils im Voraus das offizielle Einverständnis der betroffenen Länder einzuholen. Das sei im Interesse ihrer Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit.

Die OECD schätze die Absicht der Schweiz, Informationen über die Besteuerung auszutauschen. Aber die Eidgenossenschaft habe schon im letzten Jahr gewusst, dass die Toleranz der internationalen Gemeinschaft gegenüber Steuerflucht kleiner geworden sei. Auch wenn die Schweiz angekündigt habe, ihr Bankgeheimnis aufzuweichen, so habe sie dies erst wenige Tage vor dem G-20-Gipfel getan. Zu spät, um die Änderungen noch rechtzeitig umsetzen zu können.

Der Generalsekretär betont, dass er sich dem Entscheid der G-20 widersetze, und er erinnert daran, dass er am 2. April seiner Überzeugung Ausdruck gegeben habe, dass es die Schweiz nicht verdiene, in diesen Zusammenhang gestellt zu werden.

Die «Privilegierten»

Merz hatte in seinem Brief auch die Frage gestellt, wieso gewisse G-20-Länder, namentlich die USA und Grossbritannien, nicht auf der Liste seien. Gurria antwortet, Grossbritannien habe seine Finanzgerichtsbarkeiten angewiesen, die internationalen Standards innert nützlicher Frist anzuwenden. Der amerikanische Kongress zieht Sanktionen gegen jene Territorien in Betracht, die sich nicht an die internationalen Abmachungen halten.

Gurria begrüsst die Bereitschaft der Schweizer Regierung, bis Ende Jahr mit mindestens 12 Staaten neue Doppelbesteuerungs-Abkommen auszuhandeln. «Für die OECD wäre es eine Genugtuung, wenn die Abkommen zustande kämen», schreibt Gurria.

Schweiz muss Druck standhalten

Der internationale Druck auf den Finanzplatz Schweiz stand am Freitag auch im Zentrum der traditionellen Von-Wattenwyl-Gespräche zwischen den Bundesratsparteien und der Regierung.

Trotz gewisser Differenzen seien sich Bundesrat und Parteien grundsätzlich einig gewesen, dass die Schweiz dem Druck standhalten müsse. Es sei jedoch nötig, das Land im internationalen Wettbewerb der Finanzplätze neu zu positionieren, sagte SVP-Präsident Toni Brunner nach dem Treffen.

Grundätzlich unterstützten die fünf Regierungsparteien die Bemühungen der Regierung zur Stärkung des Finanzplatzes Schweiz, so Brunner. Man habe gewisse Ideen im «regulativen und im steuerlichen Bereich» diskutiert.

Mit welcher Strategie genau die Neupositionierung erreicht werden solle, sagte Brunner nicht: «Es ist ein dymanischer Prozess und nicht eine fixfertige Strategie».

Nicht einig sind sich die Regierungsparteien in der Frage, ob die Schweiz mit den EU-Staaten einzeln neue Doppelbesteuerungs-Abkommen aushandeln soll oder mit Brüssel als Ganzes.

«Die bürgerlichen Parteien sind für Verhandlungen mit den einzelnen Staaten. Die Sozialdemokraten sehen das anders», sagte Brunner.

Andrea Ornelas, Andreas Keiser, swissinfo.ch

Die Schweiz ist nicht nur wegen des Bankgeheimnisses, sondern auch wegen ihrer Steuerpolitik seit längerem im Fadenkreuz anderer Staaten oder Staatengemeinschaften. Die wichtigsten Steuerkonflikte der letzten zehn Jahre:

2000: Die OECD setzt die Schweiz auf eine Liste mit 47 Ländern mit «potenziell schädlichem Gebaren» in Steuerfragen.

2004: Schweiz macht Zugeständnisse bei der Besteuerung von Holdings und wird wieder von der Liste gestrichen.

2001-2005: Bei den Verhandlungen mit der EU über die bilateralen Verträge II kommt es in der Frage der Zinsbesteuerung zu Spannungen zwischen der Schweiz und der EU. Mit dem Abschluss der Bilateralen II kann dieser Streit beigelegt werden.

Seit 2005: Streit zwischen der Schweiz und der EU über kantonale Steuerprivilegien für Unternehmen. Die Schweiz weist wiederholt EU-Vorwürfe zurück, die Privilegien verstiessen gegen das Freihandelsabkommen von 1972.

2007: Die EU-Kommission erhält vom Ministerrat ein Verhandlungsmandat über den Steuerstreit mit der Schweiz. Der Bundesrat zeigt sich aber nur zu einem Dialog, nicht zu Verhandlungen bereit.

2008: Die Schweiz gerät in den Strudel des deutsch-liechtensteinischen Steuerstreits. Deutsche Politiker verschärfen ihre Drohungen gegenüber Steueroasen «wie der Schweiz».

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