Wollgras auf dem Pass Diesrut auf 2428 m.ü.M.. Der Übergang wäre Teil des Parc Adula geworden.
(KEYSTONE/Arno Balzarini)
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Nur 9 von 17 Tessiner und Bündner Gemeinden haben sich für den "Parc Adula" ausgesprochen. Damit ist das Projekt in der geplanten Form gescheitert. swissinfo.ch sprach mit dem Bündner Andrea Hämmerle, der sich im Schweizer Parlament während 20 Jahren für eine nachhaltige Umweltpolitik eingesetzt hatte, über die Gründe des Scheiterns.
Der Parc Adula hätte als erste demokratisch legitimierte Nationalparkgründung in die Geschichte eingehen können. Doch es soll nicht sein: 8 Gemeinden sagten Nein zum Parc Adula, darunter auch die wichtigen Kernzonengemeinden Blenio (TI) und Vals (GR). Damit ist die vom Bund vorgeschriebene Mindestfläche der Kernzone nicht erreicht.
Hämmerle hails from Graubünden and was a member of the House of Representatives from 1991 to 2011
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swissinfo.ch: Die Initianten haben sehr grosse Anstrengungen unternommen, die Bevölkerung frühzeitig und verbindlich einzubeziehen und umfassend zu informieren. Trotzdem jetzt dieses Nein. Weshalb?
Andrea Hämmerle: Es sind im Abstimmungskampf zwei Hauptbedenken gegen den Parc Adula formuliert worden: Bürokratiemonster und Einschränkung der Freiheit der einheimischen Bevölkerung. Beides hat mit einem grossen Misstrauen gegenüber der “Umweltbürokratie” zu tun.
swissinfo.ch: Hat wegen dieses Misstrauens die direkte Demokratie und deren Methode der Deliberation versagt?
A.H.: Nein, das kann man so nicht sagen. Richtig ist aber, dass die Gründung eines Nationalparks in einer direkten Demokratie praktisch chancenlos ist, wenn nur die direkt Betroffenen entscheiden. Deswegen kann man aber natürlich der direkten Demokratie kein Versagen vorwerfen.
Aber was man sagen muss: Mit dieser Methode kann man keinen Nationalpark gründen. Das ist übrigens kein schweizerisches oder bündnerisches Phänomen, sondern das ist weltweit so. Ich kenne keinen Nationalpark in der Welt, der direktdemokratisch von der direkt betroffenen Bevölkerung beschlossen worden ist.
swissinfo.ch: Wie erklären Sie sich das?
A.H.: Mit der Angst, die Freiheit werde eingeschränkt und Aussenstehende könnten über das Schicksal der Einheimischen bestimmen. Das ist überall so. Wenn dann aber ein Nationalpark mal besteht, sieht es anders aus: Die Kritik bleibt, nimmt aber ab, weil man auch Vorteile sieht.
swissinfo.ch
swissinfo.ch: Ist es sinnvoll, dass die Lokaldemokratie ein Projekt von nationaler Bedeutung versenken kann?
A.H.: Wenn man Nationalparks tatsächlich verwirklichen will, muss man in einem breiteren Kreis darüber abstimmen. Die lokale Bevölkerung zu überfahren, ist allerdings auch problematisch. Das ist ein Dilemma.
swissinfo.ch: Ist der Parc Adula nun gestorben?
A.H.: Ja, der Parc Adula ist gestorben, weil wichtige Gemeinden Nein gesagt haben.
Blick von der Terrihütte in die geplante Kernzone des Parc Adula. Nebelmeer über der Surselva mit der Bergspitze des Tödi im ersten Morgenlicht, aufgenommen oberhalb von Vrin in der bünderischen Region Lugnez.
(KEYSTONE/Arno Balzarini)
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Ein Rudel Steinwild auf der Greina in der geplanten Kernzone des Parc Adula.
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Wollgras auf dem Pass Diesrut auf 2428 m.ü.M.. Der Übergang wäre Teil des Parc Adula geworden.
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Auf der Alp Ürbell im Val Malvaglia in Serravalle.
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Ein namenloser Bergsee am Pizzo Cassinello.
Ein namenloser Bergsee am Pizzo Cassinello.
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Alpe di Pozzo im Val Malvaglia in Serravalle.
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Die Terrihütte des Schweizerischen Alpenclubs (SAC).
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Der Bergsee Laghet la Greina mit der darunterliegenden Greina-Ebene.
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Vom Gletscher geschliffene Felsplatten im Gipfelbereich des Pizzo Cassinello, oberhalb Vals.
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Der Rein da Sumvitg in der Greina-Ebene in der geplanten Kernzone des Parc Adula oberhalb von Vrin im bündnerischen Lugnez.
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Zu viele Einschränkungen befürchtet: Die Bevölkerung von 17 Bündner und Tessiner Berggemeinden wollte nicht in einem Nationalpark leben. Die Alp Ürbell im Val Malvaglia/Tessin bleibt aber weiter, was sie ist: wunderschöne, alpine Kulturlandschaft.
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Steinmann am Weg zum Passo Soreda mit einem namenlosen Bergsee in der geplanten Kernzone des Parc Adula. In Hnitergund das Zervreilahorn.
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