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Parlament bewilligt umstrittene Elektroschockgeräte

Die Elektroschockpistole Taser als polizeiliches Zwangsmittel ist nun zugelassen. Keystone

Beide Kammern des Eidgenössischen Parlaments haben nach langem hin und her dem Einsatz von Elektroschockwaffen, so genannten Taser, zugestimmt. Bedenken dagegen blieben aber bestehen.

Mit der Einigung in letzter Minute verhinderte das Parlament ein Scheitern des Zwangsanwendungsgesetzes. Taser sollen bei Ausschaffung und Transport renitenter Personen eingesetzt werden dürfen.

Bei Einsätzen in der Zuständigkeit des Bundes soll die Polizei die Elektroschockwaffe Taser einsetzen können. Dem entsprechenden Antrag der Einigungskonferenz haben am Dienstag beide Räte zugestimmt.

Das Schicksal des gesamten Zwangsanwendungsgesetzes hing zuletzt von der Zustimmung zum Taser ab. Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf appellierte deshalb an die Parlamentarier, das Gesetz nicht an dieser Kontroverse scheitern zu lassen.

Die Kantone wünschten eine klare gesetzliche Grundlage für die Zwangsanwendung bei Einsätzen für den Bund. Widmer-Schlumpf verwies zudem auf die Ausführungsbestimmungen zum Gesetz, in denen dann sicher noch einige Fragen geklärt und auch Bedenken ausgeräumt werden könnten.

«Nicht tödlich wirkend»

Beide Räte folgten schliesslich dem Antrag der Einigungskonferenz, die «nicht tödlich wirkenden Destabilisierungsgeräte» in die Aufzählung der Waffen aufzunehmen, die bei Ausschaffungen und anderen Polizeieinsätzen in der Zuständigkeit des Bundes erlaubt sind.

Widmer-Schlumpf betonte allerdings, dass bei Ausschaffungen auf dem Luftweg der Einsatz des Tasers ausgeschlossen sei. Damit setzte sich in dieser Frage der Nationalrat durch. Er hatte sich in drei Beratungsrunden für den Taser ausgesprochen.

Die Befürworter des Taser argumentierten jeweils, die Waffe könne bei gefährlichen Personen als letzte Möglichkeit vor der Schusswaffe eingesetzt werden und damit schlimmere Verletzungen verhindern oder sogar Leben retten.

Zudem werde die Waffe von einigen Stadt- und Kantonspolizeikorps bereits eingesetzt und habe sich dort bewährt.

In der Abstimmung setzten sich diese Argumente aber jeweils nur sehr knapp durch. Beim Antrag der Einigungskonferenz behielten die bürgerlichen Befürworter nun mit 115 zu 71 Stimmen die Oberhand gegen die Linke.

Ständerat gibt nach

Im Ständerat hingegen hatten jeweils die Argumente gegen den Taser obsiegt: Drei Mal hatte er abgelehnt. Ein Teil des Rats wollte auch am Dienstag noch beim Nein bleiben.

Die Genfer Sozialdemokratin Liliane Maury Pasquier erinnerte für die Minderheit der Einigungskonferenz im Ständerat an die Gründe, die den Rat bisher zur Ablehnung der umstrittenen Waffe gebracht hatten.

Die Auswirkungen der Waffe seien nicht ausreichend bekannt, um verantwortungsvoll über ihre Zulassung zu entscheiden. Es sei schon zu einer Reihe von Todesfällen gekommen. Der Ständerat müsse deshalb in dieser schwerwiegenden Frage standhaft bleiben.

Christoph Blocher dagegen, Jasmin Hutter dafür

«Selbst alt Bundesrat Christoph Blocher wollte den Taser nicht», rief der Zürcher Grüne Daniel Vischer in Erinnerung.

Die Kleine Kammer votierte aber schliesslich mit 26 zu 13 Stimmen für den Taser. Damit ist das Geschäft bereinigt und bereit für die Schlussabstimmung.

Gegen die Zulassung des Taser hatten sich auch viele Organisationen ausgesprochen, darunter die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH), Amnesty International (AI) und die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH).

Die Befürworter sehen im Taser ein wirkungsvolles Mittel, die Polizeibeamten zu schützen und den Einsatz von Schusswaffen zu vermeiden. «Der Taser kann Leben retten», sagte die St. Galler Vertreterin der Schweizerischen Volkspartei (SVP), Jasmin Hutter.

Gesetz als Reaktion auf tödliche Zwischenfälle

Das neue Gesetz für eine einheitliche Regelung der polizeilichen Zwangsmassnahmen in der Schweiz war nach Zwischenfällen bei Ausschaffungen ausgearbeitet worden.

1999 war in Zürich-Kloten ein 27-jähriger Palästinenser erstickt, der nach Kairo ausgeschafft werden sollte. Ihm war der Mund zugeklebt worden. 2001 erstickte im Gefängnis von Granges im Wallis ein Ausschaffungshäftling aus Nigeria, nachdem er sich den Polizisten widersetzt hatte.

Das Gesetz soll für alle Behörden des Bundes gelten und auch für jene Instanzen der Kantone, die im Bereich der Ausländer- und Asylgesetzgebung auf polizeiliche Gewaltmassnahmen zurückgreifen müssen oder Gefangenentransporte im Auftrag des Bundes durchführen.

Körperliche Gewalt, Hilfsmittel oder Waffen sollen demnach verhältnismässig und unter einer grösstmöglichen Wahrung der Integrität der betroffenen Personen eingesetzt werden.

swissinfo und Agenturen

Taser ist eine Abkürzung für «Thomas A. Swift’s Electric Rifle».

US-Erfinder Jack Cover entwarf das «Elektrische Gewehr» 1969 und benannte es nach dem Science Fiction-Abenteurer Tom Swift.

Der Taser verwendet eine temporäre Hochspannung mit niedriger aktueller elektrischer Entladung.

Der entstehende Elektroschock soll das sensorische und motorische Nervensystem der Zielperson lähmen und sie bewegungsunfähig machen.

Die Muskulatur der getroffenen Person wird laut Herstellerangaben sofort paralysiert und für rund eine Minute ausser Gefecht gesetzt.

An den zwei Projektilen sind isolierte Drähte angebracht, welche die elektrischen Impulse der Elektroschock-Pistole auf den Körper der Zielperson übertragen.

Die Projektile sind mit Nadeln versehen, die Widerhaken aufweisen, ähnlich einem Angelhaken.

Die Projektile liefern für bis zu fünf Sekunden eine Reihe von rund 50000 Volt starken elektrischen Impulsen. Die maximale Reichweite beträgt 10 Meter.

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