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Partnerschaft trotz unterschiedlichen Positionen

Trotz unterschiedlichen Positionen pflegt Bern enge Beziehungen mit Moskau. imagepoint

Die partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Russland und der Schweiz widerlegten die Behauptung, die Schweiz habe keine Freunde, sagte Staatsekretär Michael Ambühl im Vorfeld des Staatsbesuchs des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew.

Das Ereignis hat historische Dimensionen: Zum ersten Mal in der fast 200-jährigen Geschichte der diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Russland, wird ein russisches Staatsoberhaupt der Schweiz einen offiziellen Besuch abstatten.

Davon erwarte die Schweiz «eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit dem wichtigen Partner», sagte Ambühl gegenüber swissinfo.ch: «Die Schweiz bemüht sich darum, sich ein zeitgemässes Bild von Russland zu machen und nicht in die Stereotypen des Kalten Krieges zurück zu fallen.»

Ambühl sprach an einem Seminar des Forums Ost-West über die Beziehungen der Schweiz zu Russland. Als Transformationsland müsse Russland seit dem Zerfall des sowjetischen Imperiums seine politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen neu definieren und das führe zu Spannungen und Verwerfungen so Ambühl. «Die Herausforderungen im Bereich der Regierungsführung, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte sind daher weiterhin gross.»

Warenaustausch mit der EU: gleiche Liga

Das rohstoffreiche Russland ist ein wichtiger Handelspartner der Schweiz. Seit 2000 haben sich die Schweizer Exporte vervierfacht auf 3 Milliarden Franken im Jahr 2008 auf. Die Schweiz importierte gleichzeitig Waren im Wert von 1 Mrd. Franken.

«Russland ist wirtschaftlich ein sehr wichtiger Partner, aber auch politisch ist das Land für uns bedeutend, weil Russland in allen wichtigen Fragen, die unsern Planeten betreffen, eine sehr zentrale Rolle spielt, insbesondere auch in der UNO», so Ambühl gegenüber swissinfo.ch.

Russland schätze die Schweiz zudem als neutrales Land, das weder in der EU, noch in der Nato sei: «Das ist eine sehr interessante Parallele, dass zwei zwar sehr unterschiedliche Länder letztlich in einer ähnlichen Situation sind gegenüber der EU. Wir spielen in Bezug auf den Wirtschaftsaustausch mit der EU in einer ähnlichen Liga und sind beide nicht Mitglied der EU. Wir haben allerdings eine sehr viel höhere Integration mit der EU, als Russland.»

Dialog als Strategie

2007 hat Aussenministerin Micheline Calmy-Rey mit ihrem russischen Amtskollegen in Moskau ein Memorandum of Understanding unterzeichnet, das eine enge Zusammenarbeit in 20 Bereichen beinhaltet. Im Zentrum stehen dabei regelmässige institutionalisierte Fach-Gespräche. 2009 hat es bereits sieben solche Gespräche gegeben.

Dabei hätten sich die beiden Staaten über ihre Vorstellungen der UNO-Reformen oder zur Europapolitik ausgetauscht. Auch das von Russland noch nicht ratifizierte Protokoll 14 zur europäischen Menschenrechts-Konvention sei ein Thema gewesen.

Auf die Frage, ob anlässlich des Medwedew-Besuchs die Verletzung der Menschenrechte durch Russland auch zur Sprache kommen werden, antwortet der Schweizer Chefdiplomat: «Wir werden im Rahmen der bilateralen Gespräche alle Themen aufnehmen, die für beide Seiten von Bedeutung sind.»

Gute Partnerschaft trotz andern Kosovo-Positionen

Durch die regelmässigen Fachgespräche habe die Schweiz erreicht, «dass wir ein sehr gutes Verständnis haben der gegenseitigen Positionen. Deshalb –so Ambühl – hätten auch die gegenteiligen Haltungen in der Frage der Unabhängigkeit des Kosovos – die Schweiz befürwortet sie, Russland lehnt sie ab – nicht zu nennenswerten Spannungen geführt.

Das gegenseitige Verständnis führe dazu, dass „»es eben dann durchaus kein Problem ist , wenn man in einer andern wichtigen Frage eine andere Position hat. Das tut der guten Partnerschaft kein Abbruch.»

Ansatz war auch im Fall UBS nützlich

Als «Zeichen des Vertrauens» wertet Ambühl die Tatsache, dass Russland im Jahr 2008 – nach dem Georgien-Krieg – die Schweiz gebeten hat, seine Interessen in Tiflis wahrzunehmen: «Ich glaube, dass das hilft, das gegenseitige Verständnis zu fördern.»

Mit den USA, deren Interessen im Iran die Schweiz als Schutzmacht seit 1981 vertritt, verfolge die Schweiz einen ähnlichen Ansatz in der diplomatischen Strategie so Ambühl, der die Verhandlungen mit den USA im Fall UBS leitete: «Der ähnliche Ansatz hat sich hier klar als nützlich erwiesen und hat verhindert, dass es zu einer schweren Belastung der bilateralen Beziehungen gekommen ist.

Andreas Keiser, swissinfo.ch

Der Staatsbesuch ist auf den kommenden 21. Und 22. September geplant.

Medwedew wird wie bei einem Staatsbesuch üblich mit allen sieben Mitgliedern der Schweizer Regierung zusammentreffen. Traktandiert sind auch Treffen mit Vertretern der Schweizer Wirtschaft.

Daneben besucht Medwedew die Suworow-Gedenkstätte im Kanton Uri, die an die legendäre Überschreitung der Alpen 1799 durch den berühmten russischen General und seiner Soldaten erinnert.

Bereits im 18. Jahrhundert gibt es intensive Kontakte zwischen den beiden Ländern. Russische Schriftsteller, Künstler und Gelehrte besuchen die Schweiz, während Schweizer Bürger nach Russsland emigrieren.

Insbesondere im Bereich der Architektur hinterlassen einige Schweizer Emigranten ihre Spuren.

Im 19. Jahrhundert gehört Russland zu den Grossmächten, welche die Schweizer Neutralität garantieren. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts halten sich etliche Künstler, Studenten und russische Dissidenten in der Schweiz auf, darunter Lenin.

Im Zusammenhang mit den Revolutionswirren werden die diplomatischen Beziehungen 1923 abgebrochen und erst 1946 wieder aufgenommen.

Nach dem Ende des Kalten Kriegs haben sich die Beziehungen in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur schnell intensiviert.

Für die Schweiz ist Russland zu einem wichtigen Handelspartner geworden. Die Schweiz gehört zu den grössten ausländischen Investoren in der Russischen Föderation.

Russland ist das einzige ständige Mitglied des UNO-Sicherheitsrats, mit dem die Schweiz jedes Jahr gegenseitige diplomatischer Besuche auf Ministerebene durchführt.

Seit 10 Jahren leistet die Schweiz technische und finanzielle Unterstützung sowie humanitäre Hilfe, insbesondere im Nordkaukasus.

Die Schweiz vertritt seit 2009 die diplomatischen Interessen Moskaus in Georgien und umgekehrt die Interessen Georgiens in Russland.

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