Pascal Couchepin tritt zurück
Bundesrat Pascal Couchepin hat am Freitagmorgen seine Demission auf Ende Oktober bekanntgegeben. Der Vorsteher des Departements des Innern gehört der Landesregierung seit elf Jahren an.
Chiara Simoneschi-Cortesi dankte dem scheidenden Magistraten für den Respekt, den er dem Parlament immer entgegengebracht habe. Couchepin sei ein wahrer Staatsmann, sagte sie.
Einen Grund für seinen Rücktritt nennt das älteste Regierungsmitglied in seinem aus fünf Sätzen bestehenden Rücktrittsschreiben nicht.
Dem Parlament wünschte Couchepin einen bereichernden Sommer als Auftakt zu einer Rückkehr, die dem Land eine fruchtbare Politik geben möge.
Pascal Couchepin hat seinen Rücktrittsentscheid bereits vor einigen Monaten getroffen. Seine engsten Mitarbeiter seien informiert gewesen und hätten den Rücktritt zusammen mit ihm vorbereitet, sagte Couchepin.
Der Augenblick für den Rücktritt per Ende Oktober sei günstig. Er wollte die Abstimmung vom 27. September über die Sanierung der Invalidenversicherung (IV) nicht mit einer Diskussion über seine Person belasten. Die dringlichen Massnahmen zur Krankenversicherung wolle er aber noch durchbringen.
FDP dankt
Die FDP dankte Couchepin «herzlich für seinen unermüdlichen Einsatz im Dienst unseres Landes». Er habe immer die Interessen der Allgemeinheit gegen Partikulärinteressen verteidigt und sich für die Verteidigung der Institutionen und Werte der Schweiz eingesetzt.
Couchepin habe stets den Mut gehabt, Reformen zu fordern, auch wenn sie unbeliebt gewesen seien und sich nie gescheut, auch auf die Schwächen und Probleme der Schweiz hinzuweisen.
Geteilte Reaktionen
Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) würdigte den zurücktretenden Bundesrat als Staatsmann, der die Schweiz würdig vertreten habe. Seine Bilanz beurteilten die Sozialdemokraten jedoch als durchzogen.
Vor allem im Gesundheitswesen hinterlasse er einige offene Baustellen. Überhaupt habe er sich in der Sozialpolitik als Abbauminister profiliert. Im Bereich Bildung und Forschung seien ihm jedoch Reformen gelungen, die dem Wirtschafts- und Bildungsstandort Schweiz genützt hätten, schrieb die SP.
Der Vizepräsident der Christlichdomokratischen Partei (CVP), Dominique de Buman, bezeichnet die Bilanz von Couchepin als zwiespältig. Couchepin sei ein Staatsmann, der sich den demokratischen und republikanischen Werten verpflichtet fühle. Durchzogen sei aber seine Leistung in Dossiers wie etwa der Kultur oder den Sozialversicherung.
Die SVP brandmarkte Couchepins Rücktritt inmitten der «Mauscheleien um die konjunkturfeindliche Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Prämienexplosionen im Krankenkassenbereich» als Flucht vor der Verantwortung.
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Bundesrat
Wer folgt nach?
Mit Blick auf seine Nachfolge erhebt die SVP als «wählerstärkste Partei» Anspruch auf einen zweiten Bundesratssitz. Wann sie diesen Anspruch einlöse, werde sie noch entscheiden.
Die CVP bekräftigte nach der Rücktrittsankündigung von Innenminister Pascal Couchepin ihren Anspruch auf einen zweiten Bundesratssitz. Auch die Grünen überlegen sich Kandidaturen.
Bei der FDP wurde in letzter Zeit der Neuenburger Ständerat Didier Burkhalter als Favorit für die Couchepin-Nachfolge gehandelt. Genannt wurden auch der Waadtländer Regierungspräsident Pascal Broulis und die Genfer Nationalrätin Martine Brunschwig-Graf.
Die FDP will sich bei der Nachfolgeregelung Couchepin alle Optionen offen halten. Die Partei will zwar eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger aus der Westschweiz, eine Kandidatur aus der Deutschschweiz ist dennoch nicht ausgeschlossen.
Pascal Couchepins Nachfolge wird vom Parlament voraussichtlich am kommenden 16. September geregelt. Formell wird das Datum vom Büro des Nationalrats festgelegt.
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Über 40 Jahre in der Politik
Pascal Couchepin ist am 5. April 1942 in Martigny im Unterwallis geboren. 1968 wählte das Stimmvolk den Anwalt und Notar in die Stadtregierung von Martigny, der er von 1984 bis zur Wahl in den Bundesrat als Präsident vorstand.
Der Einstieg in die Bundespolitik folgte 1979 mit der Wahl in den Nationalrat. Von 1989 bis 1996 präsidierte Couchepin die FDP-Fraktion.
Landesvater seit 1998
Der Vertreter der Freisinnig-Demokratischen Partei der Schweiz (FDP) wurde am 11. März 1998 zum Nachfolger von Jean-Pascal Delamuraz gewählt.
Couchepin hatte sein Jahre zuvor deklariertes Ziel allerdings erst im fünften Wahlgang erreicht, gegen die Waadtländerin Christiane Langenberger und zwei «wilde» FDP-Kandidaten.
Zunächst amtete er als Volkswirtschaftsminister, bis er 2003 das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) übernahm. Während seiner Amtszeit war er zwei Mal Bundespräsident, 2003 und 2008.
Ruhegehalt
Wer den Bundesrat nach mindestens vier Jahren oder aus gesundheitlichen Gründen verlässt, erhält ein volles Ruhegehalt in der Höhe der halben Besoldung einer amtierenden Magistratsperson. Heute liegt dieses Ruhegehalt bei knapp 210’000 Franken.
Sollte Couchepin mit seinen 67 Jahren noch einmal eine lukrative Tätigkeit aufnehmen, könnte ihm die Rente gekürzt werden. Für eine volle Rente darf das Erwerbs- und Ersatzeinkommen eines ehemaligen Bundesratsmitglieds zusammen mit dem Ruhegehalt seine frühere Besoldung nicht übersteigen.
swissinfo.ch und Agenturen
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Zauberformel
Nach der Solowahl von Ueli Maurer im Dezember 2008 kommt es im Bundesrat wieder zu einer Einervakanz. Diese Konstellation schränkt den Handlungsspielraum der Fraktionen und der Bundesversammlung ein.
Die letzte Dreiervakanz gab es 1973. Zwei Bundesräte mussten letztmals 1999 gewählt werden, als Flavio Cotti und Arnold Koller gleichzeitig zurücktraten.
Seither demissionierten die Regierungsmitglieder jeweils einzeln: 2000 Adolf Ogi, 2003 Ruth Dreifuss, 2003 Kaspar Villiger, 2006 Joseph Deiss, 2008 Samuel Schmid.
Bei den Erneuerungswahlen 2003 und 2007 kam es zur Abwahl eines Regierungsmitgliedes. Zuerst wurde Ruth Metzler durch Christoph Blocher ersetzt, vier Jahre später Blocher durch Eveline Widmer-Schlumpf.
Mit 11 Jahren im Bundesrat weist Pascal Couchepin eine überdurchschnittlich lange Amtszeit auf. Die letzten Demissionäre, Samuel Schmid und Christoph Blocher, brachten es auf acht und vier Jahre.
Moritz Leuenberger blickt bislang auf 14 Jahre Amtszeit zurück. Micheline Calmy-Rey kommt auf 6 Jahre, Hans Rudolf Merz auf 5, Doris Leuthard auf 3 und Eveline Widmer-Schlumpf auf knapp anderthalb Jahre. Ueli Maurer ist seit einem halben Jahr Mitglied der Regierung.
Die längsten Amtszeiten seit 1959 hatten Kurt Furgler und Kaspar Villiger mit 15 respektive 14 Jahren (1972-1986, 1989-2003). Im Durchschnitt regierten die Bundesräte seit 1848 während rund zehn Jahren, im Nachkriegsmittel während etwa acht Jahren.
Den Rekord in der 160-jährigen Geschichte des Bundesstaates hält mit fast 32 Jahren der Berner Carl Schenk (Rücktritt 1895).
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