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Peking 2008 als Chance für heikle Themen

swissinfo.ch

Die Olympischen Spiele 2008 böten China die Chance, heiklen Themen eine Entwicklungschance zu geben, sagt Dante Martinelli, Schweizer Botschafter in China.

Im Gespräch mit swissinfo erläutert der Tessiner die politische Dimension des Anlasses.

In weniger als einem Jahr beginnen die Olympischen Sommerspiele praktisch vor der Haustür der Schweizer Botschaft in Peking.

Trotzdem wird Botschafter Martinelli kaum Zeit finden, die Wettkämpfe selber zu besuchen.

Der Anlass bedeutet auch für die Diplomaten viel Mehrarbeit.

swissinfo: Herr Botschafter, mit welchen Gefühlen haben Sie – ein Jahr vor der Eröffnung – die Zeremonie auf dem Tiananmen-Platz verfolgt?

Dante Martinelli: Leider konnte ich nicht persönlich anwesend sein, doch die Schweizer Botschaft war ordnungsgemäss vertreten. Es handelte sich um eine typisch chinesische Demonstration, die zeigen soll, wie wichtig das Ereignis für das Land ist.

swissinfo: Wie verstehen Sie als Schweizer Botschafter diese Begegnung?

D.M.: Es ist eine grosse Chance Gast in einem Land zu sein, das die Olympischen Spiele organisiert und dies umso mehr, als dieses Land China heisst. Obwohl die meisten organisatorischen Aufgaben dem schweizerischen olympischen Komitee zufallen, werden wir als Botschaft viel Mehrarbeit zu leisten haben.

Die Schweizer Botschaft in Beijing wird zu diesem Zeitpunkt ihre Präsenz verstärken und ich persönlich werde auf viele Bitten und Gesuche reagieren müssen. Leider werde ich wohl kaum genügend Zeit finden, um die Wettkämpfe zu besuchen, es sei denn, ich begleite Vertreter der Schweizer Regierung.

swissinfo: Unternehmen die Schweiz und ihre Institutionen genug, um die Olympischen Spiele als Plattform optimal zu nutzen?

D.M.: Ich glaube, dass die Spiele ein universelles Fest und ein Ereignis mit einer aussergewöhnlichen, weltweiten Resonanz sind. Die von China organisierten Olympischen Spiele werden vor allem dem eigenen Land dienen. Die Chinesen haben so die Möglichkeit, sich in einem andern Licht zu zeigen.

Natürlich bergen die Spiele auch für die Schweiz eine Chance und wir haben dieses Jahr ein breites Programm zur Imageförderung der Schweiz lanciert, das bis ins Jahr 2011 dauern soll.

China organisiert nächstes Jahr nicht nur die Olympischen Spiele, sondern wird auch für die Weltausstellung in Shanghai im Jahr 2010 verantwortlich sein. Wir werden beide Plattformen maximal nutzen, um die Schweiz in China vorzustellen.

swissinfo: China hat der Welt «grüne» Spiele versprochen. Ist dies eine realistische Vorstellung angesichts der Smog-Glocke, die während des Tages über der Stadt hängt und das Blau des Himmels nur erahnen lässt?

D.M.: Das Umweltproblem in China ist offensichtlich, namentlich was die Wasser- und Luftqualität angeht. Die chinesische Regierung hat dies erkannt und das Thema zuoberst auf die Prioritätenliste gesetzt.

Wenn die Luftqualität nicht angemessen ist, wird es während den Spielen für die ausländischen Athleten schwierig sein, ihre Leistungen zu erbringen. Dies macht uns Sorgen. Das Organisationskomitee hat für das nächste Jahr Verbesserungen angekündigt. Wir werden sehen.

swissinfo: Es ist unmöglich über die Spiele in Beijing zu sprechen, ohne die von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen lancierten Boykottaufrufe zu erwähnen. Tibet und die Verwicklungen von China im Sudan stehen im Vordergrund. Wie ist Ihre Haltung gegenüber diesen Themen?

D.M.: Die Spiele sind, wie ich eben schon gesagt habe, eine Gelegenheit für das Land, sich der Welt mit seinen grossen Errungenschaften zu präsentieren. Die weniger glänzenden Seiten Chinas werden allerdings bei diesem Anlass ebenfalls sichtbar.

Diesbezüglich erwarten wir natürlich von China Verbesserungen, und nicht erst seit gestern. Die Schweiz war das erste Land, das mit China einen Dialog über die Menschenrechte führte und zwar bereits im Jahr 1999. Wir hoffen, dass China die Gelegenheit ergreifen wird, auch in diesem Bereich Fortschritte zu machen.

Ich weiss jedoch nicht, ob ein Boykott zum jetzigen Zeitpunkt das beste Mittel ist, um das Thema Menschenrechte voranzutreiben.

Der Dialog und die Öffnung werden Fortschritte bringen, ganz im Sinne des olympischen Geistes, davon bin ich überzeugt.

swissinfo-Interview, Mathias Froidevaux in Beijing
(Übertragung aus dem Französischen: Christine Fuhrer)

Dante Martinelli hat im November 2004 sein Amt als ausserordentlicher und bevollmächtigter Schweizer Botschafter der Republik China, der demokratischen Volksrepublik Korea und der Mongolei mit Sitz in Beijing angetreten.

Vorher war er Botschafter und Leiter der Schweizer Mission bei der Europäischen Union in Brüssel. Er war auch Botschafter in Italien, Malta und San Marino.

1947 wurde er im Kanton Tessin geboren und studierte am «Institut d’études politiques» in Paris. 1979 trat er in den Dienst des Departementes für auswärtige Angelegenheiten (EDA) ein.

Die Schweiz ist eines der wenigen westlichen Länder, das mit China einen Handelsüberschuss erwirtschaftet. China exportiert in die Schweiz vor allem Textilien, Maschinen, Spielzeug und Sportartikel. Die Schweiz ihrerseits exportiert Maschinen wie auch chemische und pharmazeutische Produkte.

Bei den Investitionen ist das Verhältnis einseitig. Die Schweizer Unternehmen haben im Lauf der letzten Jahre rund 5 Milliarden Franken investiert und 55’000 Arbeitsplätze in China geschaffen. Chinesische Investitionen in der Schweiz sind jedoch weiterhin rar. (Quelle: Seco 2007)

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