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Personenfreizügigkeit auf dem Prüfstand

Keystone

Für die offizielle Schweiz ist die Weiterführung des freien Personenverkehrs mit der EU und dessen Ausdehnung auf Bulgarien und Rumänien eine Bedingung zur Weiterführung des bilateralen Weges. Die politische Rechte sieht das anders.

Der Ständerat berät an seiner Sondersession vom 28. April, ob das 2002 in Kraft getretene Abkommen zur Personenfreizügigkeit mit der Europäischen Union weitergeführt und auf die jüngsten EU-Mitgliedländer Bulgarien und Rumänien ausgedehnt werden soll.

Die Abkommen der Bilateralen I sind miteinander verknüpft. Wird eines dieser Abkommen nicht verlängert oder gekündigt, treten sechs Monate später alle anderen automatisch ausser Kraft.

Die Schweiz befände sich ohne bilaterale Abkommen in einer heiklen Situation. Ein solches Risiko will die Mehrheit der politischen Parteien nicht eingehen. Derselben Ansicht sind auch Arbeitgeber-Organisationen und der Gewerbeverband.

Wirtschaftsverbände für Bilaterale

Hundert Prozent der Mitglieder der grossen Wirtschaftsverbände stehen hinter der Fortführung der Personenfreizügigkeit mit der EU, wie eine Befragung des Dachverbandes economiesuisse und des Arbeitgeberverbands (SAV) ergab.

SAV-Direktor Thomas Daum erklärte an einer Medienorientierung, der Schweizer Arbeitsmarkt habe vom Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte stark profitiert. Es habe keinen Verdrängungseffekt für Schweizer Arbeitskräfte gegeben.

Auch der an kleinen und mittelgrossen Betrieben orientierte Gewerbeverband (SGV) hat eine Umfrage unter seinen Mitgliedern durchgeführt. Obwohl nur 15% der dem SGV angeschlossenen Unternehmen exportorientiert sind, fielen dessen Antworten ähnlich aus.

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Bei der Ausweitung der Personenfreizügigkeit zeigten sich beim SGV dann aber doch deutliche Unterschiede, wie SGV-Direktor Pierre Triponez an derselben Veranstaltung ausführte.

Nur knapp die Hälfte der SGV-Mitglieder äusserte sich positiv dazu, und fast ein Drittel lehnte die Ausweitung auf Bulgarien und Rumänien ab. Der SGV tritt aber laut Triponez klar für die Fortführung der Bilateralen ein.

Gewerkschaften auf der Kippe

Während die Arbeitgeber einen Ausbau der flankierenden Massnahmen gegen Lohndumping aufgrund der bisher gemachten guten Erfahrungen unnötig finden, sehen das die Gewerkschaften ganz anders.

Zwar ist der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) grundsätzlich für die Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Bulgarien und Rumänien. Er stellt aber eine Bedingung: Die so genannten flankierenden Massnahmen müssen verschärft werden.

Der SGB verlangt insbesondere eine Erhöhung der Anzahl Inspektoren, die vor Ort prüfen, ob die ausländischen Firmen ihre Angestellten entsprechend dem schweizerischen Arbeitsrecht beschäftigen.

Weiter verlangen die Gewerkschaften auch mehr Kontrollen bei Schweizer Arbeitgebern, die ausländische Arbeitnehmer beschäftigen. Damit soll dem Lohndumping ein Riegel geschoben werden.

Gewerkschaftlicher Drohfinger

Für economiesuisse und den Gewerbeverband genügen die aktuellen flankierenden Massnahmen indes vollauf. Übereinstimmend sprechen sie sich gegen eine Verschärfung aus.

Ewald Ackermann, stellvertretender SBG-Pressesprecher, warnt die Arbeitgeber: Sie sollten nicht zu hoch pokern. Eine Machtdemonstration könnte sie teuer zu stehen kommen.

Denn wenn die Gewerkschaften keinerlei Entgegenkommen spürten, könnten sie bei einem allfälligen Referendum entweder ins Nein-Lager überlaufen oder im besten Fall nichts tun, sprich, sich im Abstimmungskampf ruhig verhalten.

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SVP droht mit Referendum

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) stellt für eine Unterstützung der Ausdehnung der Personenfreizügigkeit eine Vorbedingung. «Wir verhandeln über dieses Thema erst, wenn die EU eine unwiderrufliche Erklärung abgibt, sich nicht ins schweizerische Steuersystem einzumischen», erklärt SVP-Pressesprecher Alain Hauert gegenüber swissinfo. Er bezieht sich dabei auf den aktuellen Steuerkonflikt mit der Europäischen Union.

Wenn die EU nicht von ihrer Haltung abrücke, werde die SVP bestimmt das Referendum ergreifen.

Zudem seien die Bilateralen I nach Ansicht der SVP nicht gefährdet. Alain Hauert: «Die EU hat zu grosse Interessen an der Weiterführung der Personenfreizügigkeit.»

swissinfo, Etienne Strebel

Laut einem Bericht des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) hat sich die Personenfreizügigkeit als Wirtschaftsmotor bewährt.

Negative Auswirkungen auf das Lohnniveau und die Sozialwerke blieben aus.

Die Arbeitslosenquote sei konjunkturbedingt stark gesunken. Weder eine Verdrängung von Schweizer Arbeitnehmenden noch Lohndumping seien feststellbar.

Laut dem Direktor des SECO, Jean Daniel Gerber, ist die Freizügigkeit für die Schweizer auch das Tor für den freien und gleichberechtigten Zugang zum EU-Raum. Dieser Aspekt gehe häufig vergessen.

Die Zuwanderung aus der EU ist laut Gerber konjunkturabhängig und orientiere sich an der Personalnachfrage der Unternehmen.

Sollte die Konjunktur schwächeln oder gar in eine Rezession tauchen, kämen auch weniger EU-Staatsangehörige in die Schweiz.

Die Zuwandernden sind laut dem Bericht jung, gut qualifiziert und mobil.

Das Abkommen über den freien Personenverkehr mit den 15 «alten» EU-Staaten ist seit dem 1. Juni 2002 in Kraft.

Im September 2005 hat das Schweizer Stimmvolk einer Ausdehnung auf die zehn Länder zugestimmt, die im Mai 2004 zur EU gestossen sind (Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern).

Der freie Personenverkehr zwischen der Schweiz und der EU ist bis 2009 befristet. Seitens der EU wird das Abkommen stillschweigend verlängert, in der Schweiz ist die Fortführung dem fakultativen Referendum unterstellt.

Gleichzeitig mit der Weiterführung soll die Personenfreizügigkeit auf die letzten beiden EU-Mitglieder, Rumänien und Bulgarien, ausgedehnt werden.

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