Personenfreizügigkeit nein
Würde heute abgestimmt, die Vorlage über die Personenfreizügigkeit mit den 10 neuen EU-Ländern hätte in der Schweiz keine Chance.
Die Ablehnung würde die Verträge von Schengen/Dublin und die bereits bestehenden Verträge (Bilaterale I) in Frage stellen.
Die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer würde heute in einer Abstimmung die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit ablehnen. In einer Umfrage sprachen sich 44% der Befragten für ein Nein und 35% für ein Ja aus.
Viele Unentschlossene
Dies ergab eine Umfrage des Genfer Insituts Erasm, die letzte Woche im Auftrag der Westschweizer Sonntagszeitung «Le Matin dimanche» bei 1024 stimmberechtigten Personen in der ganzen Schweiz durchgeführt wurde. Laut den am Sonntag veröffentlichten Ergebnissen haben 21% der Befragten noch nicht entschieden, wie sie am 25. September stimmen werden.
Die Ablehnung ist laut der Umfrage besonders auf die Haltung in der Deutschschweiz zurückzuführen: 46% würden dort ein Nein in die Urne legen und 34% würden Ja stimmen. In der Romandie liegt der Nein-Stimmen-Anteil bei 37% und jener der Ja-Stimmen bei 36%.
Angst vor Lohneinbussen
Zu den Gründen der Ablehung befragt, gaben 37% an, sie hätten «sehr Angst» vor Lohneinbussen. 22% haben ein wenig Angst davor und 33% gar keine. Diese Angst ist bei 40% der Personen mit tiefem Ausbildungsniveau stark ausgeprägt. Hingegen fürchten sich nur 22% der Akademiker vor Lohneinbussen.
Eine vergangene Woche publizierte Umfrage des Instituts Demoscope im Auftrag des Nachrichtenmagazins «Facts» hatte ergeben, dass fast die Hälfte der Stimmberechtigten noch unentschlossen war. 30% der Stimmbürger hätten danach Ja zur Öffnung des Arbeitsmarktes gesagt und 26% Nein.
EU-Beitritt kein Thema
Die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey sagte, auf diese Umfrage-Ergebnisse angesprochen, dass die beiden Umfragen zeigten, dass sich zur Zeit offenbar die Meinungen schnell änderten. Calmy-Rey: «Das zeigt, dass sich die Schweizerinnen und Schweizer ihre endgültige Meinung zur Personenfreizügigkeit noch nicht gemacht haben.»
Keine Chance hat laut der neusten Umfrage weiterhin ein EU-Beitritt der Schweiz. 57% der Befragten sprechen sich dagegen aus und nur 29% dafür. 13% sind unentschlossen.
Spiel mit dem Feuer
Kurz nach der Abstimmung über das Abkommen von Schengen/Dublin, das von den Stimmberechtigten angenommen wurde, goss EU-Aussenkommissarin Benita Ferrero-Waldner Öl ins Feuer, als sie Schengen an die erweiterte Personenfreizügigkeit koppelte.
Ferrero-Waldner erinnerte auch an die so genannte «Guillotine-Klausel». Sie ist Bestandteil der ersten bilateralen Verträge, die ein Herausbrechen der Personenfreizügigkeit aus dem Paket nicht möglich macht.
Dass die Bilateralen I im Falle eines Neins zur Personenfreizügigkeit gefährdet sind, ist auch der Schweiz Regierung klar. Die Aussage der EU-Kommissarin sorgte in der Schweiz in der vergangenen Woche vor allem deshalb für Verwirrung, weil auch Schengen/Dublin an ein Ja zur Personenfreizügigkeit gekoppelt wurde.
swissinfo und Agenturen
Eine Umfrage von «Le Matin Dimanche» ergab, dass heute nur 35% die Personenfreizügigkeit mit den neuen EU-Ländern befürworten würden.
44% würden sie ablehnen, 21% haben noch keine Meinung.
In der Deutschschweiz würden 34% annehmen, in der Romandie 36%.
37% gaben an, grosse Angst vor Lohndumping zu haben.
Die Schweizer Stimmberechtigten sagten am 5. Juni mit 54.6% Ja zu Schengen/Dublin.
Die Abstimmung über die Personenfreizügigkeit findet am 25. September 2005 statt.
Dann wird entscheiden, ob der freie Personenverkehr mit der Schweiz auch auf die zehn neuen EU-Länder ausgedehnt wird.
Das befürchtete Lohndumping durch «Billigarbeiter» aus den neuen osteuropäischen EU-Ländern soll mit flankierenden Massnahmen verhindert werden.
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