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Polarisierung rechts und links

Die Polarisierung im Parlament spitzt sich zu. Keystone

Die Nationalratswahlen haben die Lager weiter polarisiert und eine Umschichtung bei den Bürgerlichen gebracht.

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) gewann stark auf Kosten der Mitteparteien FDP, CVP und LPS, die massiv einbrachen.

Der Trend der Umfragen vor den Wahlen hat sich laut der zweiten nationalen Hochrechnung bestätigt: Die Wählenden setzen vermehrt auf die Parteien an den beiden Polen, sprich die Schweizerische Volkspartei (SVP) auf der rechten Seite und Sozialdemokratische (SP) und Grüne Partei auf der linken.

Diese drei Parteien sind die Gewinnerinnen der Wahlen 2003. Und die Polarisierung zeigt sich denn auch deutlich in der Verteilung der Sitze. So soll die SVP ganze 11 Sitze zusätzlich erhalten, die Grünen überraschend deren 4 und die SP 3.

«Ich habe das nicht in diesem Ausmass erwartet», sagte SVP-Parteipräsident Ueli Maurer erfreut. Es sei ein «historisches Ergebnis, auch für die, welche verloren haben».

Mitte bricht ein

Auf der Verliererseite steht klar die politische Mitte, die bürgerlichen Parteien FDP, CVP und die Liberalen. Die Freisinnigen verlieren 6 Sitze, die Christdemokraten 9, die Liberalen 2.

SVP-Präsident Ueli Maurer präsentierte denn auch gleich Nationalrat Christoph Blocher als Bundesratskandidaten. Falls dieser am 10. Dezember nicht gewählt werde, ziehe sich die SVP in die Opposition zurück.

Verärgert reagierten die anderen Parteien auf dieses Vorpreschen der SVP. Die Partei liesse sich mit ihrer Art der Politik nicht stärker in die Regierung mit ihrem Kollegialitätsprinzip einbinden, hiess es. Schon einmal, 1999, hätte Blocher für den Bundesrat kandidiert – und sei kläglich gescheitert.

Die Emotionen gingen teilweise hoch. Die Parteichefs debattierten mit einer Vehemenz, wie sie noch selten gehört worden war.

Siegeszug in der Romandie

Überraschend massiv setzte die SVP ihren Vormarsch in der Romandie fort. In allen Westschweizer Kantonen konnte sie zulegen, dies jeweils auf Kosten der anderen beiden bürgerlichen Parteien FDP und CVP. Die SVP wird mit diesem Erfolg definitiv zu einer nationalen Partei.

In Genf hat sie bei ihrem ersten Wahlantritt laut Hochrechnung sogar gleich zwei der Sitze gewonnen. In der Deutschschweiz hat sich ihr Vormarsch verlangsamt, in ihren Stammlanden Zürich hat sie gar einen Sitz verloren.

In Luzern konnte die SVP den Sitz der abtretenden CVP-Nationalrätin Rosmarie Dormann erobern. Der Emmener Grossrat und Kantonalpräsident Felix Müri zieht für die SVP in den Nationalrat.

Grüne Sitzgewinne als Überraschung

Auf der linken Seite ist vor allem die Grüne Partei Siegerin. Sie erreicht mit vier neuen Sitzen nun eine Stärke von 13 Personen im Parlament. Wenn man den Zuger Sitz von Josef Lang Sozialistisch-Grünen Alternative (SGA) dazu zählt, sind es gar 14.

Die Grünen haben sich damit neben der SP als eigenständige Kraft behauptet. Ein Erfolg, der wohl auch auf den Jahrhundert-Sommer und das Ozonloch zurückzuführen ist.

SP leicht verbessert

Die SP seinerseits hat sich in der Deutschschweiz verbessert und ist in der Westschweiz stabil geblieben. In Basel schaffte sie es sogar, ihre drei Sitze zu halten. Weil Basel auf Grund der Einwohnerzahlen einen Sitz weniger erhielt, hält sie dort somit die absolute Mehrheit der neu 5 Sitze.

Auch im Ständerat hatte die Basler SP eine gute Hand: Der Sitz ging an SP-Frau Anita Fetz. Ausserdem zieht in Bern mit Simonetta Sommaruga erstmals seit Jahrzehnten eine SP-Vertreterin in die Kleine Kammer ein.

Polarisierung an die beiden Pole

Einen möglichen Grund für die Polarisierung sieht der Politologe Hans Hirter in der Unzufriedenheit: Viele Leute würden die Wahlen als Protest-Kundgebung benützen. Extreme würden daher eher gewählt.

Viele Wählende waren bei brennenden Themen wie Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise nicht mit der Politik des Parlamentes einverstanden. Aber auch der Zustand der Umwelt (Grüne) oder das Asylwesen (SVP) haben wohl Stimmen gebracht.

Das SRG-Wahlbarometer war bereits vor einem Jahr zum Schluss gekommen, dass entscheidend sei, in welchem Klima die Wahlen stattfinden würden. «Je polarisierter es ist, desto eher steigt die Beteiligung, was die Pole begünstigt und das Zentrum benachteiligt.» Dies hat sich nun bestätigt.

Der Wahlkampf scheint keine grosse Wirkung gezeigt zu haben. Keine Partei hatte sich an heissen Themen wie der Europafrage oder der inneren Sicherheit die Finger verbrennen wollen. Abgesehen von einigen Ausrutschern auf kantonalen Plakaten ist der Wahlkampf denn auch eher still und brav über die Bühne gegangen.

Blockiert sich das Parlament?

Die Rechte ist stärker geworden, die Linke aber auch. Der oft angekündigte oder befürchtete Rechtsrutsch hat aber nicht stattgefunden. Im bürgerlichen Lager ist eine Umgruppierung erfolgt. Das linksgrüne Lager, namentlich die Grüne Partei, konnte aus diesem bürgerlichen Kampf einige Sitze hinzugewinnen.

Es wird im neuen Parlament wohl noch schwieriger werden, Lösungen zu finden. Denn Kompromisse sind in der Schweizer Politik zwingend, nicht zuletzt wegen der Möglichkeit des Referendums.

Dies befürchten denn auch die beiden unterlegenen Parteichefs. «Wie wir zu Lösungen kommen sollen, bleibt die grosse Frage», sagte FDP-Chefin Christiane Langenberger im Schweizer Fernsehen. Und CVP-Präsident Philipp Stähelin doppelte nach: «Es wird mit Sicherheit nicht einfacher, zu politisieren.»

swissinfo, Christian Raaflaub

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