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Polit-Hickhack in der Schweizer Hauptstadt

Der ehemalige Berner Polizeidirektor Kurt Wasserfallen. swissinfo.ch

Die Entmachtung des rechtsbürgerlichen Polizeidirektors beschäftigt seit Tagen weit über Bern hinaus.

Umstritten bleibt, ob es sich um eine Machtdemonstration der rot-grünen Mehrheit der Stadtregierung handelt oder um ein schlecht kommuniziertes Managementproblem von Kurt Wasserfallen.

In der Stadt Bern jagen sich seit Tagen Gerüchte, Aussagen und Gegendarstellungen. Am 23. April hatte der Gesamtgemeinderat, die Berner Regierung, ihr Mitglied Kurt Wasserfallen entmachtet: Die Polizeidirektion unterstand ab sofort nicht mehr dem Freisinnigen sondern der (ebenfalls bürgerlichen) Ursula Begert.

Der rot-grün dominierte Gesamtgemeinderat begründete sein Vorgehen mit einem “irreversibel gestörten Vertrauensverhältnis” zwischen Kurt Wasserfallen und dem Polizeikommando. Es drohe eine “Führungskrise” bei der Stadtpolizei.

Es folgte ein juristisches Hickhack, Beschwerden und superprovisorische Verfügungen. Die Medien kritisierten die fehlende Information und Wasserfallen selber äusserte sich nicht zum Entscheid – bis am Montag.

Bei seinem Auftritt ging der ehemalige Polizeidirektor mit seinen Gemeinderats-Kollegen hart ins Gericht. Der politische Schaden für die Stadt sei immens, erklärte er.

Er zeigte sich enttäuscht darüber, dass sich acht Polizeioffiziere hinter seinem Rücken bei Stadtpräsident Klaus Baumgartner (SP), Alexander Tschäppät (SP) sowie Ursula Begert über ihn beklagt hätten. Er habe erst zwei Wochen später von dieser Intervention erfahren.

Damit warf Wasserfallen seinen Kolleginnen und Kollegen faktisch eine Verschwörung vor.

Die Berner Stadtregierung wies diese Vorwürfe zurück. Zugleich teilte sie am Montagabend mit, sie wolle sich auf eine einvernehmliche Lösung mit Wasserfallen konzentrieren.

Neue Ausrichtung der Polizeistrategie

Bei der Auseinandersetzung zwischen dem Polizeikommando Bern und dem ehemaligen Polizeidirektor geht es um mehr als um einen Machtkampf zwischen zwei Führungsfiguren.

Wie soll mit Demonstrierenden umgegangen werden? – Darüber gehen die Meinungen auseinander. Während Wasserfallen darauf setzte, illegale Handlungen (also vor allem Sachbeschädigungen) sofort zu unterbinden, geht der Trend schweizweit hin zu einer anderen Taktik, zu “Deeskalation”.

Vor der Anwendung von Gewalt suchen die Ordnungshüter dabei das Gespräch mit Demonstrierenden. Ziel ist, Gewaltspiralen gar nicht erst entstehen zu lassen, Eskalation zu verhindern.

Diese Polizeitaktik wird heute mehrheitlich in der Schweiz angewandt. Sie wird auch in der Romandie für die Kundgebungen gegen den G-8-Gipfel, der Anfang Juni in Evian stattfindet, als Leitplanken gelten.

Die harte Linie Wasserfallens wird von Polizeifachleuten also nicht (mehr) mitgetragen, er steht nicht nur in seinem Regierungskollegium sondern auch punkto Polizeistrategie eher im Abseits.

Wasserfallen will nach der Teilentmachtung als Polizeidirektor die ihm verbleibenden Aufgaben weiterführen. “Ich bin vom Volk gewählt und werde bis Ende 2004 dabei bleiben”, sagte er.

swissinfo, Eva Herrmann und Agenturen

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