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Politikerinnen fordern vereint Tagesschulen

Sobald die Tagesschule kommt: Kein Heimweg mehr über Mittag. Keystone

Vertreterinnen aller wichtigen politischen Parteien wollen die Einführung von Tagesschulen in der Bundesverfassung verankern.

Die Koalition von «Müttern und Grossmüttern» will, unterstützt von Wirtschaft und Gewerkschaften, ihren Vorstoss in der kommenden Herbstsession einreichen.

Eine Koalition von Nationalrätinnen aller vier Regierungsparteien und der Grünen wollen Tagesschulen in der ganzen Schweiz einführen. Am ersten Tag der kommenden Herbstsession wollen sie entsprechende Vorstösse, so genannte Parlamentarische Initiativen, in der Grossen Kammer einreichen. Das berichtet die NZZ am Sonntag. Die Volltagesbetreuung von Kindern an der Volksschule soll in der Verfassung verankert werden.

Tagesschulen werden in der Schweiz bereits seit Jahren von weiten Kreisen gefordert. Das aktuelle Modell, bei dem die Kinder über Mittag nach Hause geschickt werden und dort essen, verunmöglicht es jedoch vielen Frauen, berufstätig zu sein.

Heute hat erst der Kanton Tessin auf Tagesschulen umgestellt, in der Deutschschweiz und der Romandie gibt es nur rund 35 Tagesschulen.

Tagesschulen in die Verfassung

Die beiden Frauen hinter dem weiteren Anlauf sind die freisinnige Nationalrätin Christine Egerszegi und ihre sozialdemokratische Ratskollegin Jacqueline Fehr. Sie wollen die Bundesverfassung um folgenden Abschnitt ergänzen:

«Die Kantone sorgen dafür, dass die Gemeinden … ein flächendeckendes und bedarfgerechtes Angebot an familien- und schulergänzender Betreuung für Kinder bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit bereitstellen.»

Männer am Tisch

Die Akzeptanz des Vorschlags sondiert haben die beiden Nationalrätinnen, mit Unterstützung von Ratskolleginnen aus der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) und der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und der Grünen Partei, an einem Runden Tisch Ende August. Ziel sei es gewesen, eine Koalition der «Mütter und Grossmütter» zu schmieden, wird Egerszegi zitiert.

Laut der NZZaS seien am runden Tisch auch Männer zugegen gewesen: Vertreter von Wirtschaft, Gewerkschaften, Lehrerschaft und Kantonen. Der Think Tank der Schweizer Wirtschaft, Avenir Suisse, hatte bereits im vergangenen Juli eine Studie veröffentlicht und die Einführung von Tagesschulen in den 2800 Schweizer Gemeinden angeregt.

Herausgestrichen wurde vor allem der ökonomisch Nutzen solcher Angebote. «Wenn beide Elternteile ihre berufliche Karriere weiterverfolgen können, wird damit nicht nur die Arbeitsproduktivität gesteigert, sondern auch das volkswirtschaftliche Wachstum», sagte damals Studien-Co-Autor Christian Aeberli.

Risse in der Koalition

Noch bevor die Frauen-Koalition richtig loslegen kann, zeigen sich bereits die ersten Risse. Ausgerechnet der Vorstand der Familienpartei CVP will den vorgeschlagenen Entwurf nicht unterstützen. «Mit diesem Vorschlag laufen wir ins Offside», sagte Partei-Präsidentin Doris Leuthard. Die CVP will jetzt einen eigenen Vorschlag ausarbeiten, weil sie befürchtet, eine flächendeckende Umsetzung sei unbezahlbar und nicht mehrheitsfähig.

Ebenfalls mit wenig Unterstützung für ihr Anliegen rechnet Mit-Initiantin und SVP-Nationalrätin Ursula Haller in der eigenen Ratsfraktion. Sie will aber trotzdem möglichst viele Unterschriften aus der SVP-Fraktion beisteuern.

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In Gemeinden der Deutschschweiz und der Romandie gibt es rund 35 Tagesschulen.

Die Mehrheit der Tessiner Schulen haben dieses Modell bereits eingeführt.

Es gibt dort eine Mittags-Mensa und Betreuung nach Schulschluss.

In den meisten Kantonen werden die Kinder über Mittag und nach der Schule nach Hause geschickt. Dies verunmöglicht es vielen Müttern, berufstätig zu sein.

Tagesschulen bieten einen Mittagstisch und eine Betreuung nach Schulschluss. Sie fördern damit auch die Chancengleichheit im Bildungswesen.

Seit Jahren fordern weite Kreise die Einführung von Tagesschulen. Im Juni hat auch die Schweizer Wirtschaft solche gefordert.

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