Presse begrüsst Ja zur Bildungsreform
Die Montagszeitungen sind froh über das deutliche Ja vom Sonntag. Föderalismus und moderne Bildung würden nicht mehr zusammengehen.
Für nicht wenige der Kommentatoren stellt das Abstimmungsergebnis gar den Föderalismus als Ganzes in Frage.
Nach dem Ja der Stimmberechtigten zur Bildungsreform behalten die Kantone zwar die Schulhoheit. Können sich die Kantone jedoch nicht auf gemeinsame Eckwerte in der Grundausbildung, Forschung, Berufsbildung oder Weiterbildung einigen, soll der Bund eingreifen.
«Schweizer wollen moderne Schule», titelt die Aargauer Zeitung und meint:
«Fast niemand hat sich für die Annahme der neuen Bildungsartikel mit der Pflicht zur strukturellen Schulharmonisierung aktiv eingesetzt – und trotzdem resultiert die deutlichste Zustimmung in einem Urnengang seit Jahrzehnten.»
Das, so die Aargauer Zeitung, heisse, dass die Angst vor dem Schulvogt in der Schweiz kleiner oder gar klein geworden sei.
Mehr Druck
Das findet auch der Berner Bund, der schreibt, der Druck habe Wirkung gezeigt:
«Die neuen Bildungsartikel erhöhen den Druck auf die Kantone mit 26 Schulsystemen Schluss zu machen und die Qualität ihrer Bildungseinrichtungen zu überprüfen.»
In Zukunft, so der Bund, «werden alle Kinder in der Schweiz im selben Alter eingeschult und sie müssen dieselben Bildungsstandards erreichen, unabhängig davon, im welchem Kanton sie zur Schule gehen.»
Schlechte Stimmbeteiligung
Die Berner Zeitung sieht im neuen Bildungsartikel gar nur einen ersten Schritt und kommt auf die schlechte Stimmbeteilung von 27% zu sprechen:
«Einerseits hat es der Bundesrat verpasst, mit einer besseren Abstimmungsplanung eine höhere Stimmbeteiligung zu ermöglichen. Andererseits war die Vorlage viel zu wenig umstritten, um die Stimmbürgerinnen und –bürger in Scharen an die Urne zu locken.»
Denn in jahrelangen Verhandlungen seien der Vorlage die scharfen Zähne gezogen worden. Das jetzige Ja stimme zuversichtlich, dass sich die Bildungsharmonisierung bald spürbar durchsetze.
Der Corriere del Ticino meint: «Das Abstimmungsergebnis war absehbar. Das wichtigste Ergebnis des Urnenganges ist denn auch das Desinteresse, das sich in der mageren Stimmbeteiligung ausdrückt.»
Gegen den «Kantönligeist»
Auch der Zürcher Tages Anzeiger will, dass endlich gehandelt wird und spricht vom «Ende der Schonfrist».
«Die Schweizerinnen und Schweizer haben genug vom Kantönligeist in der Bildung. Dass in einem so kleinen Land die Primarschule vier oder sechs Jahre dauert, verstehen zügelnde Familien längst nicht mehr.»
Jetzt seien die Kantone gefordert. Sie müssten die Harmonisierung aufgleisen. Grösster Knackpunkt werde da der Fremdsprachenunterricht sein:
«Nachdem nun aber nach Schaffhausen auch Thurgau und Zug einer kantonalen Speziallösung in einer Volksabstimmung eine Absage erteilten, besteht die Chance, dass am Ende nicht der Bund eingreifen muss.»
Generell, so der Tages Anzeiger, rüttle das Ja aber auch an den Grundstrukturen des Föderalismus: «Die Föderalismusdebatte hat somit erst begonnen.»
Umdenken
In diese Kerbe schreibt auch der Westschweizer Le Matin, wenn er meint:
«Das deutliche Abstimmungsergebnis markiert auch ein Umdenken. Die Schweiz hat dem verbissenen Föderalismus der Erznationalisten eine Abfuhr erteilt. Gewünscht wird ein kooperativer Föderalismus.»
Auch 24 heures ist der Meinung, dass der Sonntag gezeigt habe, dass gerade in der Bildung eine Abkehr vom rigiden «Kantönligeist» zu spüren sei.
«Die Familien haben genug von einer Bildungslandschaft, welche sich nach wie vor durch grosse Unterschiede von Region zu Region auszeichnet.
swissinfo
Schlussresultat:
Ja: 85,6%
Nein: 14,4%
Alle Kantone sagten Ja
Stimmbeteiligung: 27,2%
In der föderalistischen Schweiz unterstehen die öffentlichen Schulen der Hoheit der jeweiligen Kantone. Das Schweizer Bildungssystem ist damit von Kanton zu Kanton unterschiedlich geregelt.
Die geänderten Bildungsartikel in der Verfassung geben dem Bund nun neue Kompetenzen. Der Sektor soll jedoch in der Kompetenz der Kanone bleiben.
Die vom Stimmvolk gutgeheissene Vorlage sieht die Schaffung eines einheitlichen Bildungsraums Schweiz vor, von der ersten Klasse bis zur Universität.
Die Pflicht zur Harmonisierung liegt bei den Kantonen, der Bund darf nur dann eingreifen, falls die Kantone keine Lösung finden.
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