Private Initiative für einen möglichen Frieden
Am Montag werden in Genf bedeutende Persönlichkeiten der israelischen und palästinensischen Zivilgesellschaft ein Friedens-Abkommen unterzeichnen.
Die «Genfer Initiative» verdankt viel dem Rechtsphilosophen Alexis Keller, Privatdozent an der Universität Genf.
Sechs Wochen nach Abschluss der Verhandlungen in Jordanien treffen sich die Protagonisten der «Genfer Initiative» am Genfersee, wo sie das Abkommen offiziell unterzeichnen werden.
Damit kehren sie zum Ursprungsort des Abkommens zurück. Im Sommer 2001 hatte der Genfer Privatdozent Alexis Keller dem früheren israelischen Justizminister Yossi Beilin die Fortsetzung der Taba-Verhandlungen vom Januar 2001 vorgeschlagen.
Beilin, der auch an den Friedensverhandlungen von Oslo teilgenommen hatte, kontaktierte darauf den ehemaligen palästinensischen Informationsminister Yasser Abed Rabbo, der ebenfalls an den Osloer Verhandlungen beteiligt war.
Damit begannen die geheimen Verhandlungen, die am 12. Oktober im ersten privaten Nahost-Friedensplan resultierten. Der Vorschlag besteht aus einem 60-seitigen Dokument sowie 30 Landkarten und will einen möglichen Frieden umfassend und abschliessend regeln.
Ebenfalls beigefügt sind detaillierte Lösungen für die heiklen Fragen, die auch bei den Taba-Verhandlungen angesprochen worden waren. Seit das Dokument publiziert ist, hat es eine ganze Lawine von Reaktionen ausgelöst. Alexis Keller macht ein Inventar.
swissinfo: Wie schätzen Sie die Aufnahme dieser Initiative ein?
Alexis Keller: Die internationale Gemeinschaft hat diese Vorschläge weitgehend begrüsst. In den Vereinigten Staaten indes mit deutlich mehr Zurückhaltung als in Europa.
In Israel selbst reagiert die Regierung derart abweisend, dass es mich überrascht. Die öffentliche Meinung hingegen ist gespalten, was normal ist, da das Dokument ja erst seit einigen Wochen publik ist.
Doch die Idee schreitet voran. Die Israelis beginnen einzusehen, dass es möglich ist, für diesen langwierigen Konflikt eine friedliche Lösung zu finden.
In den besetzten Gebieten reagiert man generell sehr gut auf die Vorschläge. Dazu kommt, dass die palästinensischen Unterzeichner, unter ihnen auch Hardliner, sich stark für das Dokument einsetzen.
Natürlich gibt es auch in Palästina Opposition gegen die Verträge, namentlich von Seiten der Hamas und des Islamischen Dschihad.
Doch sehen auf beiden Seiten mehr und mehr Personen ein, dass die gegenwärtige Situation nirgends hin führt, und dass es auch keine militärische Lösung für diesen Konflikt gibt.
swissinfo: Wie reagieren die arabischen Länder?
Alexis Keller: Ägypten und Jordanien begrüssen die «Genfer Initiative» klar und betonen, dass dieser Friedensplan ein wesentliches Element für die Befriedung der Region darstellt.
Soviel ich weiss, hat auch Saudi-Arabien – zwar in reservierterer Form -, Interesse gezeigt und soll sich in Telefonaten auf höchster Ebene zustimmend geäussert haben.
Syrien, das mit Israel stark zerstritten ist, hat noch nicht offiziell reagiert.
swissinfo: Wo steckt Ihrer Meinung nach der schwache Punkt des Dokuments?
Alexis Keller: Der Vertragstext regelt die wichtige Wasserfrage in keiner Weise. Andererseits liegt hier erstmals seit 50 Jahren ein umfassendes und abschliessendes Übereinkommen vor, das fast alle Probleme bis ins Detail umfasst.
Ausserdem bin ich überzeugt, dass dieses Dokument künftig zumindest als Basis für weitere Abkommen dienen wird.
swissinfo: Kann dieser von nichtstaatlichen Akteuren getragene Friedensprozess in anderen Konflikten als Modell dienen?
Alexis Keller: Davon bin ich überzeugt. Gegenwärtig wird viel über den Staat und seine sich ändernde Rolle reflektiert. Diese Debatte unterstreicht die wachsende Bedeutung der Zivilgesellschaft in den internationalen Beziehungen und insbesondere bei der Konfliktlösung.
Ich bin mir sicher, dass diese Art von privaten Friedensinitiativen eine grosse Zukunft vor sich hat.
swissinfo: Der Präsident der Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes, Alfred Donath, hat der Aussenministerin Micheline Calmy-Rey vorgeworfen, sie hätte die israelische Regierung nicht früh genug über diese Initiative informiert. Ist diese Kritik aus Ihrer Sicht gerechtfertigt?
Alexis Keller: Vorerst muss man wissen, dass Alfred Donath in Israel die Hardliner unterstützt. Die jüdische Gemeinde in der Schweiz ist ziemlich gespalten, was die Genfer Initiative anbelangt.
Was das Verhalten der Aussenministerin betrifft, so hatte sie nie die Absicht, etwas gegen die israelische Regierung zu unternehmen. Wir sind an sie herangetreten und baten um logistische Unterstützung. Diese hat sie uns auch gewährt.
Falls diese Unterstützung wirklich Probleme bereiten sollte, wäre es folgerichtig, die gesamte Politik der Friedensförderung, wie sie die Schweiz und ihr Departement für äussere Angelegenheiten verfolgt, zu revidieren. Es handelt sich jedoch um ein Mandat, dem das Schweizer Parlament zugestimmt hat.
Interview swissinfo: Frédéric Burnand, Genf
(Übertragen aus dem Französischen von Alexander Künzle)
Der private Friedensplan für den Nahen Osten wird am 1. Dezember in Genf lanciert.
Das Genfer Abkommen kam nach zweijährigen geheimen Verhandlungen auf Initiative von israelischen und palästinensischen Oppositionsgruppen zustande. Die Schweiz hatte das Vorhaben von Beginn weg unterstützt.
Um noch mehr Unterstützung zu erhalten, wurden israelische und palästinensische Haushalte mit einer Kopie des Dokuments beliefert.
Die israelische Regierung lehnt die Genfer Initiative strikte ab, und jüdische Gruppierungen werfen der Schweiz vor, sich in interne israelische Angelegenheiten «einzumischen».
UNO-Generalsekretär Kofi Annan und der frühere US-Präsident Jimmy Carter unterstützen das Abkommen.
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