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Referendum gegen minimale Familienzulagen

Im internationalen Vergleich erhalten Familien in der Schweiz bescheidene Staats-Zuwendungen. Keystone

Arbeitgeberorganisationen haben das Referendum gegen ein Gesetz ergriffen, das für jedes Kind Zulagen von mindestens 200 Franken vorsieht.

Ihrer Meinung nach ist das vom Parlament genehmigte Gesetz eine weitere Sozialversicherung, die schwer auf den bereits prekären Bundesfinanzen lasten würde.

Die 100-tägige Referendumsfrist gegen das Familienzulagengesetz ist angelaufen. Arbeitgeber und Gewerbe haben am Dienstag ihr Referendum lanciert. Ihrer Ansicht nach würden landesweite Mindest-Kinderzulagen in bewährte kantonale Regelungen eingreifen und bedeuteten einen Sozialausbau, den sich die Schweiz nicht leisten könne.

Das neue Gesetz bringe ohne jede soziale Notwendigkeit Mehrausgaben von rund 700 Mio. Franken, sagte Arbeitgeberdirektor Peter Hasler. Dies sei untragbar, denn bereits die bestehenden Sozialwerke seien in Schieflage. «Priorität liegt bei der Sanierung, nicht beim Ausbau.»

Sinkende Löhne?

Laut Hasler ist die Wirtschaft nicht bereit, eine weitere Erhöhung der Lohnnebenkosten in Kauf zu nehmen. «Wir werden dem Volk sagen, dass die Löhne sinken.» Im Übrigen sei es geradezu «pervers», der Wirtschaft das wieder wegzunehmen, was man ihr als Entlastung bei der Unternehmenssteuerreform versprochen habe.

Es gebe keinen Grund, das funktionierende System der kantonal ausgestalteten Familienzulagen auszuhebeln, sagte Edi Engelberger, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV). Mit durchschnittlich 188.50 Franken sei das Leistungsniveau hoch. Zudem lasse sich mit der Giesskanne keine sinnvolle Familienpolitik betreiben.

Mehr Geld ins Ausland

Engelberger warnte auch vor einem höheren Sozialtransfer. Bereits heute würden 230’000 Zulagen für Kinder im Ausland ausbezahlt, was die Binnenwirtschaft rund eine halbe Milliarde Franken koste. Künftig wäre es noch mehr, zumal neu auch Nichterwerbstätige profitieren könnten.

Die Familienpolitik müsse Sache der Kantone bleiben, sagte Jean-François Cavin, Direktor vom Centre Patronal. Die Kantone könnten die Zulagen auf andere Instrumente abstimmen und namentlich dem unterschiedlichen Lohnniveau Rechnung tragen. «Mit der eidgenössischen Dampfwalze werden kreative und vernünftige Lösungen zunichte gemacht.»

Weitere Verstärkung erwartet

Neben dem Schweizerischen Arbeitgeberverband, dem SGV und dem Centre Patronal macht im Referendumskomitee auch die Fédération des entreprises romandes mit. SGV-Vizepräsident Kurt Gfeller rechnet überdies mit der Unterstützung des Verbandes economiesuisse, dem Verband der Scheizer Unternehmen, der Mitte April entscheidet.

Von den Parteien haben sich laut Gfeller die Liberalen bereits hinter das Referendum gestellt. Die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) und die Schweizerische Volkspartei (SVP) würden voraussichtlich mitziehen. Im Parlament kam das Familienzulagengesetz nur dank einem Schulterschluss der Linken und der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) durch, im Ständerat sehr knapp.

Travail.Suisse hält an Volksinitiative fest

Das neue Gesetz legt die Kinderzulagen auf mindestens 200 Franken und die Zulagen für Jugendliche in Ausbildung auf mindestens 250 Franken im Monat fest. Es gilt als indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative der Gewerkschaft Travail.Suisse, die eine Zulage von mindestens 450 Franken verlangt.

Travail.Suisse hat bereits auf das Referendum reagiert. Dass sich die kantonale Familienpolitik bewährt habe, wie die Befürworter argumentierten, sei eine zynische Behauptung angesichts der Tatsache, dass Kinder in der Schweiz das Armutsrisiko Nummer 1 seien.

swissinfo und Agenturen

In der Schweiz bringt jede Frau statistisch 1,4 Kinder zur Welt.

Die Kosten für ein Kind werden auf 1400 Franken pro Monat beziffert.

120’000 Kinder müssen in Familien leben, deren Einkommen unter dem Existenzminimum liegt.

In den Städten lebt eines von 10 Kindern von der Sozialhilfe.

Ein Referendum kann ergriffen werden, wenn ein Teil der Bevölkerung mit einem Parlamentsbeschluss nicht einverstanden ist. Gelingt es den Gegnern, innert 100 Tagen 50’000 Unterschriften zu sammeln, muss an einer Volksabstimmung entschieden werden (fakultatives Referendum).

Über Vorlagen, die eine Verfassungsänderung bedingen würden oder den Beitritt zu einer supranationalen Organisation zur Folge hätten, muss die Bevölkerung abstimmen (obligatorisches Referendum).

Am 4. April hat je eine 100-tägige Referendumsfrist gegen das Familienzulagen-Gesetz und gegen die Kohäsionszahlungen an die Europäische Union (EU) begonnen.

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