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Regierung verbietet Swisscom-Einkaufstour

Bundesrat "mauert": Keine Swisscom-Auslandsbeteiligungen. Keystone

Der Bund will die Auslandexpansion der Swisscom blockieren, solange die Aktienmehrheit in seiner Hand liegt.

Das Finanzministerium hat am Freitag die Ankündigung vom Vortag präzisiert, dass der Bund beim Telekom-Unternehmen aussteigen wolle.

Der grosse Streit, den die Schweizer Regierung am Donnerstag mit der Ausstiegs-Ankündigung bei der Swisscom ausgelöst hat, hat sich am Freitag fortgesetzt. Die Präzisierung, dass sich die Regierung gegen jegliche Auslandsbeteiligungen des Schweizer Telekom-Marktführers sperrt, wurde von Parteien, Gewerkschaften und Verbänden wiederum völlig kontrovers aufgenommen. Wichtiger Unterschied zum Vortag: die Lager setzen sich anders zusammen.

Anders als bis anhin will der Bund mögliche Auslandengagements der Swisscom zum Vornherein unterbinden. Damit machte die Regierung klar, dass sie die Swisscom an die kurze Leine nimmt.

Der Bundesrat habe sich entschieden, «der Swisscom mit Blick auf ihre Eigenmittel eine Instruktion zu erteilen», hatte Bundesrat Hans-Rudolf Merz an der Medienkonferenz am Donnerstag zum Entscheid über den Abbau der Aktienmehrheit des Bundes gesagt.

Triebfeder Blocher?

Was dies genau bedeutet, wurde erst am Freitag klar: Der Bundesrat hat Felix Rosenberg, seinen Vertreter im Swisscom-Verwaltungsrat, angewiesen, mögliche Auslandengagements zu blockieren, sagte Dieter Leutwyler, Sprecher des Schweizerischen Finanzdepartements (EFD), gegenüber swissinfo. Die Instruktion betreffe nicht nur Übernahmen, sondern auch Minderheitsbeteiligungen.

Dem Vernehmen nach fällte der Bundesrat den Beschluss auf Antrag von Justizminister Christoph Blocher. Dessen Departement wollte sich zu dieser Information nicht äussern.

Zudem wies der Bundesrat die Swisscom an, freie Eigenmittel via Aktienrückkauf oder Dividendenausschüttung an die Aktionäre zurückgeben. Laut Leutwyler wurde das Swisscom-Management erst nach der Medienkonferenz am Donnerstag über die Auflage informiert.

CVP und SP nicht mehr im selben Boot

Die Reaktionen fielen unterschiedlich aus. Am stärksten opponierten die Christlichdemokraten (CVP): «Die Auflage des Bundesrates macht die unternehmerische Freiheit der Swisscom zunichte», sagte CVP-Präsidentin Doris Leuthard.

Die Strategie laufe darauf hinaus, in den nächsten Jahren möglichst viel Geld vom Unternehmen in den Bundeshaushalt zu transferieren und die Swisscom dann finanziell geschwächt zu privatisieren, sagte CVP-Generalsekretär Reto Nause. «Eine Übernahme durch ein ausländisches Unternehmen ist dann die logische Folge.»

Giorgio Pardini, Vizepräsident der Gewerkschaft Kommunikation, sprach von einem «durchsichtigen Manöver» und tönte Erpressung an. Solche Spiele mache man nicht mit einem Unternehmen, an dem 26’000 Arbeitsplätze hängen.

Service public im Vordergrund

Positiv reagierten Sozialdemokraten (SP) und Schweizerische Volkspartei (SVP). Der Entscheid des Bundesrates sei nur folgerichtig, sagte SP-Präsident Hansjürg Fehr. «Für den Service public in der Schweiz muss die Swisscom nicht ins Ausland expandieren.»

Angesichts des unternehmerischen und des politischen Risikos von Beteiligungen und Übernahmen im Ausland sei der Bundesratsentscheid richtig, sagte SVP-Präsident Ueli Maurer. Der Präsident der Freisinnigen (FDP), Fulvio Pelli, wollte den Bundesratsentscheid nicht kommentieren.

Am Donnerstag noch hatten SP und CVP den Bundesratsentscheid scharf kritisiert, während ihn FDP und SVP begrüsst hatten.

Den Aktionären verpflichtet

Die Swisscom selber machte deutlich, dass sie sich dem Willen des Bundesrates nicht vorbehaltlos beugen will. Geschäftsleitung und Verwaltungsrat hätten die gesetzliche Pflicht, ihre Funktionen im Interesse des Unternehmens und sämtlicher Aktionäre eigenverantwortlich wahrzunehmen, hielt das Unternehmen in einer Mitteilung fest.

Schlechte Noten erhielt der Bundesrat von Finanzanalysten. Das faktische Verbot von Auslandengagements sei ein «Schuss ins Knie des Swisscom-Managements», lautete der Tenor. Die bisherige Strategie von Konzernchef Jens Alder werde über den Haufen geworfen.

Die Intervention sei aus finanzieller Sicht unsinnig, so Panagiotis Spiliopoulos von der Bank Vontobel. Es sei dringend notwendig, dass die Regierung ihre Mehrheitsbeteiligung abbaue, damit die Swisscom mehr Flexibilität erhalte, sagte ein anderer Analyst.

Nachdem sie im Tagesverlauf bis zu 1,8% getaucht war, schloss die Swisscom-Aktie am Freitag mit 0,8% im Minus.

swissinfo

Gegenwärtig hält der Bund 66% der Swisscom-Aktien, was 17 Mrd. Franken entspricht.
Die Papiere sind auf rund 64’000 Aktionäre verteilt, von denen die Mehrheit aus der Schweiz stammt.
Es gibt 12 Grossaktionäre, die mehr als 100’000 Aktien halten.

Die Schweizer Regierung will alle Auslandbeteiligungen der Swisscom blockieren, solange sie Mehrheitsaktionärin ist.

Das Telekom-Unternehmen kann somit keine Expansion ins Ausland tätigen, wie sie mit der Übernahme von Eircom (Irland) oder Austria Telekom geplant war.

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