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Rote Zahlen bei grünen Aktien

Prof. Dr. Ernst Brugger, Verwaltungsrats-Präsident von spg. swissinfo.ch

"Grüne" Aktionäre können derzeit nicht von der Klimaerwärmung profitieren. Die "Sustainable Performance Group", die bis 2007 mit klimaschonenden Investments gute Resultate erzielte, hat wegen der Finanzkrise an Wert verloren. Gespräch mit spg-VR-Präsident Ernst Brugger.

Anders als vor einem Jahr in Kopenhagen wirft der Klimagipfel in Cancún in den Medien (noch) keine hohen Wellen. Tief im Wellental jedoch befinden sich zur Zeit die Gewinne aus Beteiligungen an Unternehmen, die nachhaltig und klimaschonend produzieren.

Die 1997 gegründete und an der Schweizer Börse kotierte Sustainable Performance Group (spg) ist die älteste unter diesen Beteiligungs-Gesellschaften.

Sie hat ihr ganzes Portfolio von rund 160 Mio. Franken in Aktien oder Direktbeteiligungen an Unternehmen CO2-armer klimaverträglicher Geschäftsbereiche investiert. Nach einem guten Jahrzehnt geht es der spg-Aktie seit der Finanzkrise 2008 jedoch schlecht.

swissinfo.ch: Als die spg vor 13 Jahren gegründet wurde, war der Begriff «Nachhaltigkeit» noch nicht in aller Munde. Heute ist er fast omnipräsent. Trotzdem geht es den spg-Aktien schlecht. Was ist falsch gelaufen?

Ernst Brugger: Die spg war 1997 sicher eine Pionierin. Die Finanzmärkte sahen in uns zu Beginn wohl eine Art weissen Raben. Für eine wirkliche Anerkennung im Markt brauchte es dann weitere drei oder vier Jahre.

Wir haben seither versucht, die Strategie jeweils anzupassen, was in der Regel gut gelang. Unterdessen haben die Erstaktionäre Höhen und Tiefen in den Aktienkursen erlebt.

Nimmt man jedoch den Durchschnitt von 1997 bis heute, hat ein Erstaktionär nicht wirklich Geld verdient – ausser er hätte zum Höchst verkauft und sich beim Tief jetzt wieder eingekauft. De facto haben dies viele auch so gemacht.

swissinfo.ch: Wäre der Aktionär mit einer anderen grünen Beteiligung besser gefahren als mit spg?

E.B.: So direkt lässt sich das nicht vergleichen. Inzwischen gibt es viele «grüne» Fonds, aber die kamen alle nach uns. Auch sind wir kein Finanzfonds, sondern eine Beteiligungs-AG.

Jene Fonds, die Aktien von Grossunternehmen, wie zum Beispiel ABB oder Nestlé, in ihrem Portefeuille haben, weisen eine geringere Schwankung und eher bessere Rendite aus. Unternehmen, die nicht gesamtheitlich grün denken und ökologisch-nachhaltig wirtschaften, gibt es darunter auch. spg würde sie deshalb nicht ins Portefeuille aufnehmen.

spg hat im Gegensatz dazu immer versucht, kleine und mittlere Unternehmen ins Portefeuille aufzunehmen. Solche, die nachhaltige Erfindungen und Innovationen sofort umsetzen und in den Markt tragen. Darin liegt ja auch das Spannende bei einer Nachhaltigkeits-Beteiligungsgesellschaft.

swissinfo.ch: Ist es wirklich so spannend? Unter den rund 50 Aktien in Ihrem Portefeuille gibt es nur zwei Schweizer, Geberit und Sonova. Anderseits hört man oft von Schweizer KMU, die ein hohes Exportpotenzial hätten, zum Beispiel im Clean-Tech-Bereich. Ein Widerspruch?

E.B.: Das spg-Portefeuille ist weltweit aufgestellt. Darin sind Schweizer Unternehmen zwar wichtig, aber nicht dominant. Das ist nicht deshalb so, weil es in der Schweiz nicht mehr interessante Firmen gäbe, sondern weil spg eine globale Sicht hat.

Einbringen möchten wir Firmen, die absolut vorne dabei sind bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsthemen, auch aus aufstrebenden (emerging) Ländern, und die dies mit unternehmerischem Erfolg tun.

Natürlich suchen wir auch in der Schweiz immer geeignete Unternehmen für unser Portefeuille. Im Moment haben wir nur zwei im Portefeuille, es gab auch schon mehr als fünf.

swissinfo.ch: Es ist nicht das erste Mal, dass Sie eine Kapitalherabsetzung machen bei spg. Weshalb ist das nötig?

E.B.: Die Logik der Herabsetzung besteht darin, den so genannten Discount abzubauen. Dieser entsteht, wenn der Kurs unserer Aktie unter ihren NAV (Net Asset Value) fällt, der den Unternehmenswert darstellt. Bei uns war jahrelang und fast immer auch das Umgekehrte der Fall. Das nennt sich dann Prämie.

Ab 2009 hat die allgemein negative Aktienentwicklung im Gefolge der Finanzmarktkrise bei spg wieder zu einem Discount geführt. Bereits früher war dies – kurzfristig – zwei Mal der Fall.

Aktienkurse von kleineren und mittleren Unternehmen, die in unserem Portefeuille überwiegen, verhalten sich eben volatiler als jene von Grossunternehmen.

Der Discount bei spg beläuft sich auf rund 20%, was unserer Politik widerspricht. Mit der Nennwert-Reduktion bringt man ihn weg. Auch im Interesse der Aktionäre können wir so wieder die Liquidität des Titels sicherstellen. Niemand verliert etwas dabei, und wir als AG können wieder mit eigenen Aktien handeln.

swissinfo.ch: Als Beteiligungs-Gesellschaft haben Sie keinen CEO eingesetzt, nur einen Verwaltungsrat. Wie funktioniert das?

E.B.: Wir haben einen Verwaltungsrat, der sehr aktiv ist, und einen VR-Sekretär, der de facto die Rolle des Geschäftsführers einnimmt. Mit SAM, einer innerhalb Europas bekannten Anlageberaterin für Sustainability, haben wir einen Mandatsvertrag. SAM agiert als Investment-Berater – gemäss den strategischen Leitlinien des spg-Verwaltungsrats.

Diese Konstellation ist für eine Beteiligungs-Gesellschaft recht typisch. spg hat jedoch die Governance, also die Klarheit der Rollen und Verantwortlichkeiten, deutlicher umschrieben als andere.

Dies lassen wir auch jährlich vom Auditor überprüfen, weil wir die sauberen Regeln, die wir haben, auch extern überprüfen wollen.

swissinfo.ch: spg hat ja auch Grossaktionäre. Unter diesen Stakeholdern befinden sich Pensionskassen und Vorsorgeeinrichtungen. Diese dürften eigentlich keine grossen Risiken eingehen. In Ihrem Nachhaltigkeitsbereich jedoch gibt es hohe Risiken: Ein Widerspruch?

E.B.: Pensionskassen müssen sowieso langfristig anlegen, weil sie auf die kommenden Generationen ausgerichtet sind. Es ist deshalb kein Widerspruch, wenn diese ein gewisses Risiko tragen, mit der Möglichkeit, später viel zu verdienen. Denn die Innovationen im nachhaltigen Bereich sind bei spg der Motor für Veränderungen und Wertschöpfung in der Zukunft.

Die institutionellen Anleger können dies im Eigeninteresse mitfinanzieren. An der Börse gibt es ohnehin nichts ohne Risiko. Und langfristig ist das Risiko bei spg kleiner, weil wir die Zukunftstrends und –chancen besser abbilden. Institutionelle können in der Regel eine weitere Sicht als Privatanleger einnehmen.

Laut spg-VR-Präsident Ernst Brugger dürfte China bis 2035 die USA überholt haben.

Auch Brasilien und Indien werden sich wohl dynamischer entwickeln als zum Beispiel Japan.

So stehe das weltweit grösste Bionahrungsmittel-Unternehmen heute weder in Deutschland noch in den USA, sondern in China.

Auch das grösste weltweite Förderprogramm für erneuerbare Energien befinde sich in China und nicht in der EU.

Schätzungen gehen davon aus, dass in diesen Ländern – aber auch Italien – der informelle, um nicht zu sagen, der schwarze Teil der Wirtschaft bis zur Hälfte aller Arbeitsplätze ausmacht.

Dshalb wird Mikrofinanz zum Thema, weil so die informelle Wirtschaft am besten erreicht werden kann.

Es sei deshalb auch möglich, dass man bei der Suche nach Firmen in diesen Ländern, die nachhaltig produzierten,künftig aus dem offiziellen Teil des BSP herausgerate.

Die ausserordentliche Generalversammlung der Sustainable Performance Group-Aktionäre vom 29. November im Gebäude der Zürcher Börse unterschied sich auf den ersten Blick nicht von ähnlichen Anlässen anderer Aktiengesellschaften:

Ältere Männer in Dunkelgrau, wenige Frauen, Anwälte und Controller herrschten in den vordersten Reihen und im Board vor.

Auf den zweiten Blick jedoch waren unter den weiter hinten sitzenden Aktionären viele Naturwissenschaftler auszumachen, zum Beispiel von der ETH, Meteorologen und andere, teils in Stiftungen Eingebundene oder Vertreter von Institutionen.

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