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Samuel Schmid: Einziger Ausweg Rücktritt?

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Mit dem Abschmettern des Rüstungsprogramms im Nationalrat wurde die Armee geschlagen. Die meisten Zeitungen sind aber der Ansicht, man hätte es vor allem auf ihren Kopf, Verteidigungsminister Samuel Schmid, abgesehen.

Die Regierungsparteien in der grossen Kammer sind sich im Prinzip zwar einig, dass die Schweizer Streitkräfte modernisiert werden müssten.

«Voraussetzung dürfte sein, dass der politisch schwer angeschlagene Verteidigungsminister Samuel Schmid, der im Nationalrat tapfer gekämpft hat, aber keine Mehrheit mehr findet, Grösse zeigt und geht», meint die Aargauer Zeitung.

Rot-Grün wolle, wenn überhaupt, nur noch eine Armee ohne neue und bestehende Flugzeuge, die Schweizerische Volkspartei (SVP) ein Verteidigungsdepartement ohne Schmid, und die politische Mitte sei unterdessen im Nationalrat zahlenmässig zu schwach, um diese Blockade zu durchbrechen, meint die Neue Zürcher Zeitung. Aber: «Dem Wohl der Bevölkerung dienen solche Manöver nicht.»

Nicht dass, sondern wann

Unisono teilen die Zeitungen die Ansicht, dass der Rücktritt von Samuel Schmid nur noch eine Frage der Zeit sei: Nicht dass er geht, ist nun die Frage, sondern wann.

Die Basler Zeitung meint: «Für Schmid öffnet sich zum Ende der Session nächste Woche immerhin ein – wohl letztes – Fenster, um unter Wahrung seines Gesichts seinen Rücktritt auf Ende des Jahres zu erklären. Er kann jetzt mit gutem Recht sagen, in den Räten sei ‹die Situation total blockiert›. Da müsse ein neuer Verteidigungsminister sein Glück versuchen.»

Laut Tages Anzeiger muss Samuel Schmid damit rechnen, dass ihn das Parlament auch im Dezember brüskiert, falls er sich der Wahl zum Vize- oder zum Bundespräsidenten stelle.

«Wenn Schmid an einem halbwegs würdigen Abgang gelegen ist, dann ist der Moment jetzt besser als nie. Zwar darf es nicht zur Regel werden, Bundesräte mit der Ablehnung von Sachgeschäften aus dem Amt zu hieven – sonst droht eine Blockadepolitik.» Bei Schmid aber sei zu viel zusammengekommen, meint der Tagi.

Unbehebbarer Schaden für die Armee?

Die Tribune de Genève sieht schwarz für die Armee: «Wird Kapitän Schmid die Schweizer Armee bei seinem Untergang mit in die Tiefe reissen?», lautet ihre bange Frage.

Dagegen ist die Basler Zeitung der Ansicht, dass sich an der Sicherheit der Schweiz kaum etwas ändere, wenn die Aufrüstung von Kampfflugzeugen und die Anschaffung neuer gepanzerter Fahrzeuge jetzt oder nächstes Jahr oder erst 2012 an die Hand genommen würden.

«Die Mittelparteien FDP und CVP haben das Rüstungsprogramm einmal mehr zu einem Plebiszit für oder gegen die Armee hochstilisieren wollen», meint die BAZ weiter. Sie und Schmid hätten beide eine böse Schlappe eingefahren.

Reingefallen

Der Tages Anzeiger wundert sich: Das soll jemand verstehen. Da schickt die SVP im Nationalrat den Militärpiloten Thomas Hurter ans Rednerpult, der glaubwürdig darlegt, weshalb nach 15 Jahren eine Modernisierung der F/A-18-Jets nötig sei. Und kurz darauf verwirft dieselbe Partei das Rüstungsprogramm. (…) Die grösste Partei des Landes ordnet dem Ziel, dem Verteidigungsminister den Rest zu geben, alles unter.»

Für den Landboten sind die Regierungsparteien auf das Spiel der SVP hereingefallen: «Wollen sie weiter ohne SVP regieren, müssen sie sich zusammenraufen.» Denn: «Wenn die SVP als grösste Fraktion ihre Muskeln spielen lässt, müssen sie künftig die Reihen schliessen. Sonst kann die SVP solche Spielchen wie nun gegen Schmid beliebig gegen andere angeschlagene Bundesräte wiederholen.»

Ihren Wiedereinzug in die Regierung könne nur noch die SVP selber verhindern: «Bringt sie noch einmal Christoph Blocher, wird sie weiterhin in der Opposition bleiben müssen.»

swissinfo, Etienne Strebel

Der Ständerat hat das im Nationalrat gescheiterte Rüstungsprogramm 2008 im Juni verabschiedet. Es umfasst Beschaffungen für 917 Millionen Franken.

So sollen die F/A-18-Kampfflugzeuge zwischen 2009 und 2015 an die neuen technologischen Standards angepasst werden. Das Vorhaben ist mit 404 Mio. Franken budgetiert.

Für 396 Millionen will die Armee 220 «Geschützte Mannschafts-Transportfahrzeuge» für die Infanterie anschaffen.

Zwei weitere Vorhaben im Umfang von 117 Mio. Franken sind für Aufklärungs- und Nachweisfahrzeuge für die ABC-Abwehr vorgesehen.

594 Millionen Franken des Rüstungsprogramms sollen direkt oder indirekt der Schweizer Wirtschaft mittels Aufträgen zu Gute kommen.

So genannte unheilige Allianzen kommen in der Schweizer Politik recht häufig vor. Gerade Armeevorlagen werden nicht selten von der SVP wie auch von Links-Grün aus unterschiedlichen Motiven bekämpft.

So versenkten im Herbst 2006 SVP, SP und Grüne die Armeereform «Entwicklungsschritt 2008/2011». Erst nach etlichen Kompromissen konnte eine neue Vorlage unter Dach gebracht werden.

Auch in anderen politischen Fragen kommt es zu seltsamen Zusammenspielen: Weil SVP und SP ihre gegenläufigen Anliegen nicht unterbringen konnten, scheiterte 2004 die Legislaturplanung des Bundesrats.

In aussenpolitischen Fragen «verbünden» sich manchmal isolationistische und links-grüne Kräfte: Der EWR-Beitritt scheiterte 1992 nicht zuletzt an der Gegnerschaft von SVP, Auns und Grünen.

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