Samuel Schmid vor dem Showdown im Bundeshaus
Erleidet Verteidigungsminister Samuel Schmid mit seinem Rüstungsprogramm nächste Woche im Nationalrat Schiffbruch, müsse er wohl zurücktreten. Andernfalls wird er laut Politologe Daniel Schwarz eine zu grosse Belastung für die eigene Partei.
So hat man Samuel Schmid unter der Bundeshauskuppel noch nie gesehen: Die Faust auf das Rednerpult schlagend trat er am Montag vor dem Ständerat für das neue Militärgesetz ein.
Aber das Ja der kleinen Kammer zu Auslandeinsätzen von Schweizer WK-Soldaten ist für Schmid wahrscheinlich nicht mehr als ein Phyrrussieg. Entscheidend wird der 25. September: Dann dürfte ihn nicht einmal mehr ein Auftritt à la Chruschtschow vor der UNO anno 1960 retten.
«Das wichtigste Geschäft für Schmid ist das Rüstungsprogramm 08. Das Resultat wird entscheiden, ob er Bundesrat bleiben will oder nicht», sagt Hans Grunder gegenüber swissinfo.
Der Berner Nationalrat ist Präsident der neuen Bürgerlich-Demokratischen Partei (BDP), die sich nach dem Parteiausschluss von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) abgespalten hatte. Wie seine Bündner Amtskollegin hat auch das langjährige SVP-Mitglied Schmid zur BDP gewechselt.
Noch einsamer
Die BDP-Spitze hat am Montag zu Sessionsbeginn die Lage erörtert, im Beisein ihres angeschossenen Bundesrats. «Es ist klar, dass sich Samuel Schmid bei Rückweisung durch eine unheilige Allianz von SVP und Sozialdemokraten überlegen muss, ob er das noch mitmachen will und ob er noch handlungsfähig ist», beschreibt Grunder die Ausgangslage.
Im Falle eines Scheiterns sieht auch der Berner Politologe Daniel Schwarz die politischen Felle von Schmid davon schwimmen, falls der Armeeminister in der grossen Kammer mit der Rüstungsvorlage Schiffbruch erleidet.
«Juristisch aber muss er nicht zurücktreten, denn die Verfassung garantiert ihm seinen Bundesratssitz für vier Jahre», sagt Schwarz gegenüber swsissinfo. Aber weil Schmid im Falle eines Verbleibs in seinem Amt «sehr einsam» wäre, sieht Schwarz kaum Alternativen zum Abtreten.
Rückzug aus der Öffentlichkeit
Den Eindruck eines einsamen – und müden – Kämpfers hat Schmid schon in den letzten Tagen erweckt. Daran ist er nicht unschuldig. Auf die immer neuen Enthüllungen der Medien in der Affäre Nef hatte Schmid nicht nur zögerlich, sondern auch ungeschickt reagiert. Heute ist die Gefolgschaft selbst im bürgerlichen Lager bei Freisinn (FDP) und Christlichdemokraten (CVP) abgebröckelt. Zuletzt hat sich Schmid kaum mehr in der Öffentlichkeit gezeigt.
Grunder erlebte den BDP-Magistraten in den letzten Tagen in «sehr unterschiedlicher Verfassung». Am meisten mache Schmid zu schaffen, dass seine Familie sehr stark unter der Situation leide. «Er wird abwägen, welches für sein engstes Umfeld der bessere Weg ist», sagt Grunder.
Das Schicksal der massgeblich von ihm angestossenen Partei will der Emmentaler Unternehmer aber nicht mit demjenigen ihres Regierungsmitglieds verknüpfen. «Die BDP steht oder fällt nicht mit dem Rücktritt von einem unserer Bundesräte. Klar hoffen wir, dass Schmid dieses Gewitter übersteht. Die Partei würde aber auch ohne ihn weiterkämpfen.»
Belastung für die eigene Partei
Hat Schmid wenigstens noch den vollen Rückhalt in den eigenen Reihen? Politikexperte Daniel Schwarz hat da seine Zweifel, denn er stuft den Magistraten als Belastung für die BDP ein.
«Erleidet Schmid mit dem Rüstungsprogramm Schiffbruch, wird seine Partei über einen Rücktritt froh sein. Denn sonst droht der Misserfolg auf die nächsten kantonalen Wahlen durchzuschlagen, gerade im Kanton Bern, der für die neue Partei sehr wichtig ist», sagt Schwarz.
Mit einem Rücktritt könnte Schmid Luft schaffen für eine neue Auslegeordnung im Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS). Aber nicht nur dort. Auch in der Schweizer Regierung könnten die Karten neu gemischt und verteilt werden. Die Dreifach-Ablösung im Bundesrat – Wunschszenario unter anderem von FDP-Präsident Fulvio Pelli – hält Schwarz angesichts des hohen Dienstalters zweier weiterer Bundesräte nicht nur für realistisch, sondern notwendig.
Chancen für eine grosse Rochade im Bundesratszimmer sieht Schwarz allerdings nur, wenn Schmid seinen Sessel nicht sofort räumt, sondern im nächsten Frühling oder Sommer abtritt.
swissinfo, Renat Künzi
Die Einkaufsliste der Armee für das kommende Jahr umfasst Beschaffungen und Nachrüstungen im Rahmen von insgesamt 917 Millionen Franken.
So sollen die F/A-18-Kampfflugzeuge zwischen 2009 und 2015 an die neuen technologischen Standards angepasst werden. Das Vorhaben ist mit 404 Mio. Franken budgetiert.
Für 396 Millionen will die Armee 220 «Geschützte Mannschafts-Transportfahrzeuge» für die Infanterie anschaffen. Der Einsatz der Fahrzeuge ist als Ergänzung zu den Radschützenpanzern vorgesehen.
Zwei weitere Vorhaben im Umfang von 117 Mio. Franken sind für Aufklärungs- und Nachweisfahrzeuge für die ABC-Abwehr vorgesehen.
Der Nationalrat wird sich am 25. September mit dem Rüstungsprogramm 08 befassen. Der Ständerat hat die geplanten Projekte bereits in der Sommersession genehmigt.
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