«Schlüsselrolle für die Schweiz in Bezug auf Iran»
Donald Beyer, US-Botschafter in Bern, hofft, die Schweiz könne in den Atomabrüstungs-Verhandlungen mit Iran eine Rolle spielen – über die reine Gastgeberrolle hinaus. Dies sagt er im Interview mit swissinfo.ch.
Die Verhandlungen mit der islamischen Republik Iran seien der «perfekte Platz» für die Schweizer Diplomatie, um eine Einigung zu erzielen, wie sie das zwischen Armenien und der Türkei geschafft hätte, betont der Spitzendiplomat.
«Die ganze Welt weiss, dass dieses Abkommen ohne die Schweizer Leitung nicht zustande gekommen wäre», sagt Beyer.
«Es ist nicht schwer, sich die Schweiz in einer ähnlichen Rolle vorzustellen, wenn wir uns mit Iran in Richtung einer friedlichen Lösung bewegen wollen.»
Dies ist eine klare Kursänderung, denn noch vor zwei Jahren hatte der frühere US-Botschafter bei den Vereinten Nationen (UNO), John Bolton, den von der Schweiz unterstützten Plan für ein Ende des nuklearen Patts als «lächerlich» bezeichnet.
Während einer Wanderung auf den Gurten, den Hausberg der Schweizer Hauptstadt Bern, sprach Beyer, ein begeisterter Wanderer und Kletterer, auch über die unter Druck stehenden Schweizer Banken und das Gefangenenlager Guantanamo.
swissinfo.ch: Sie sind nun rund drei Monate hier im Amt. Was haben Sie in dieser Zeit gemacht?
Donald Beyer: Wir haben mit dem Schweizer Aussenministerium an dringenden Angelegenheiten gearbeitet wie etwa betreffend die im Iran festgenommenen US-Wanderer. Und wir hoffen, mit den Schweizern bei den neuen Vorschlägen betreffend Atomabrüstung zusammenzuarbeiten.
Die Schweiz und die USA pflegen gegenseitig wichtige wirtschaftliche Beziehungen. Wir investieren mehr in der Schweiz als in China, Russland, Brasilien und Indien zusammen.
Die USA standen in den letzten zehn Jahren nicht im Ruf, die besten Zuhörer zu sein. Ich erachte es als meine Verpflichtung, so häufig ich kann im Land herumzureisen und normale Schweizerinnen und Schweizer zu treffen, um zu verstehen, was sie denken, fühlen und welche Ideen sie haben.
swissinfo.ch: Wissen Sie, ob Präsident Obama der Schweiz einen offiziellen Staatsbesuch abstatten wird?
D.B.: Ich würde mich sehr darüber freuen. Soviel ich weiss, kam noch nie ein US-Präsident in die Schweiz zum Staatsbesuch.
Aber es sind einige nach Genf zu den Vereinten Nationen (UNO) oder ans WEF in Davos gekommen. Wir werden dies in den nächsten paar Jahren vorschlagen.
swissinfo.ch: Was kann man bei den Verhandlungen mit Iran realistisch erwarten? Hat die Schweiz eine Rolle, die über jene der Gastgeberin hinausgeht?
D.B.: Präsident Obama hat klar und deutlich gesagt, dass wir dem Iran seinen rechtmässigen Platz als führende Nation in der Welt zugestehen, politisch, wirtschaftlich, diplomatisch. Wir wollen, dass Iran den vollständigen Zugang zu friedlich genutzter Atomkraft haben soll.
Die Schweiz hat versucht, gute, verlässliche Beziehungen mit iranischen Führern herzustellen – manchmal mit hohen Kosten. Klar ist die Schweiz unsere Schutzmacht. Botschafterin Livia Leu-Agosti kämpft in Teheran für US-Bürger, die im Iran in Schwierigkeiten sind.
Ich denke, es ist ein gutes Zeichen, dass die Schweiz die letzte Gesprächsrunde mit Iran veranstaltet hat. Das scheint für die Schweiz der perfekte Platz zu sein, hier mit ihrer aktiven Neutralität eine Rolle zu spielen.
swissinfo.ch: Die Diplomatie hat die Schweiz aber nicht vor einigen harten Lektionen bewahrt.
D.B.: Libyen. Die Schweiz ist ein Land, das lange daran geglaubt hat, dass Dialog, klare Kommunikation, Ehrlichkeit und Wohlwollen weitergehen als Bomben, Gewehre und Sanktionen. Es ist eine harte Situation. Wir sähen die Schweizer Bürger gerne zurückkehren und die Schweiz und Libyen wieder eine verbesserte Beziehung führen.
swissinfo.ch: Diplomaten sprechen von ausgezeichneten Beziehungen zwischen den USA und der Schweiz. Sind diese wirklich so gut?
D.B.: Es gibt immer mögliche Verbesserungen, aber ich denke, sie sind sehr gut. Klar gab es letztes Jahr Stress, als die US-Steuerbehörde IRS entschieden hatte, die Grossbank UBS nach Namen von mutmasslichen US-Steuerbetrügern zu fragen.
Unglücklicherweise haben viel zu viele Schweizerinnen und Schweizer dies als Angriff auf das Bankgeheimnis wahrgenommen. Für uns besteht das Problem bei jenen Amerikanern, die US-Gesetze brachen und dabei andere ehrliche US-Steuerzahler mit Hilfe einer Übersee-Bank betrogen.
Wir haben ein neues Doppelbesteuerungs-Abkommen für die nächsten Jahre. Das heisst, das Thema wird nicht mehr aufs Tapet kommen.
swissinfo.ch: Heisst das, die US-Behörden werden keine weiteren Schweizer Banken ins Visier nehmen?
D.B.: In der Zeit, in der ich hier war, gab es keine Anzeichen, dass die IRS oder die USA vorhaben, gegen weitere Banken vorzugehen.
Vielmehr habe ich beobachtet, dass Schweizer Banken auf die UBS schauen und sich sagen, wir möchten nicht in diese Situation kommen und wir möchten keine Leute unterstützen, die das Gesetz brechen.
swissinfo.ch: Wird die Schweiz immer noch als attraktiver Ort eingeschätzt, um Geschäfte auf korrekte Art und Weise zu tätigen?
D.B.: Ich denke, dass sie ganz klar als sympathischer Geschäftsort wahrgenommen wird. Eine der einfachsten Messmethoden ist die Anzahl der US-Unternehmen, die sich hier niedergelassen haben.
Die Schweiz ist ein sehr ehrlicher, ethischer Ort mit Prinzipien, um einen Geschäftssitz zu installieren, ein Ort, an dem viele Angestellte leben wollen. Wir haben in den USA immer noch 9,7 bis 9,8% Arbeitslosigkeit. Viele Unternehmen wachsen derzeit nicht, aber ich denke, die Schweiz wird weiterhin ein attraktiver Ort sein, um wachsen zu können.
Tim Neville, Gurten, swissinfo.ch
(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)
Er wurde im Juni 2009 von Präsident Barack Omama zum US-Botschafter in der Schweiz ernannt und kam am 15. August in die Schweiz.
Der in Italien geborene Beyer besitzt bei Washington D.C. ein erfolgreiche Autohauskette. Von 1990 bis 1998 war er Vizegouverneur im Bundesstaat Virginia.
Für Obamas Wahlkampagne brachte er mindestens 500’000 Dollar zusammen.
Obamas bisheriger Amtsführung: «Gute Arbeit. Die Wirtschaft musste aus der schlimmsten Rezession seit der Grossen Depression geführt werden. Sie ist nicht vorbei, es bewegt sich aber in die richtige Richtung. Alle Präsidenten seit Franklin Roosevelt sagten, sie würden jedem Amerikaner das Gesundheitswesen zugänglich machen. Jetzt haben wir endlich einen, der es tun wird.»
Kongress und Guantanamo: «Es sieht nicht danach aus, als ob das Gefangenenlager bis am 20. Januar 2010 geschlossen würde. Im US-Kongress wurden temporäre Gesetze verabschiedet, die eine Wiederansiedlung der Gefangenen in den USA untersagen. Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass viele US-Gemeinden sie nehmen würden, aber wir müssen mit dem Kongress leben.»
Landwirtschaft: Die Schweizer Landwirtschaft wird von Familien betrieben, ist sehr intensiv und biologisch. Das ist anders als in Amerika, wo es riesige Fabrik-Farmen hat, die sehr produktiv sind, aber mit einem ganz anderen Konzept. Beide Länder schützen ihre Bauern stark. Dies ist eines der grossen Hindernisse für ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Schweiz. Hier können beide Länder voneinander lernen.»
Roman Polanskis Verhaftung als Versuch, bei den USA Punkte zu holen: «Diese Idee ist unnötig verschwörerisch und machiavellistisch. Ich glaube nicht, dass die Schweiz das nötig hätte. Ich glaube, es gefiel der amerikanischen Öffentlichkeit, dass er verhaftet wurde, aber sie setzt die UBS und Polanski sicher in keiner Weise in Zusammenhang. Und ich zweifle, dass Mitglieder der Schweizer Regierung dies tun sollten.»
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