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Schutz des raren Schweizer Bodens oder alter Zopf?

Nach der Schneeschmelze kaum bewohnt: Aminona im Wallis. Keystone

Politisch ist sie umstritten: Die Aufhebung der Lex Koller, die den Wohnungskauf für Ausländer einschränkt. Gegner der Aufhebung fürchten einen Preisanstieg und noch mehr "kalte Betten". Befürworter erwarten Wachstum.

Lokalpolitiker und Touristiker hören es nicht gern. Dennoch verwandeln sich zahlreiche Winterkurorte regelmässig im Frühjahr in alpine Brachen. Die Fensterläden bleiben während Monaten geschlossen, die Betten kalt, Restaurants, Shops und ganze Strassenzüge leer.

Gleichzeitig kostet in Topdestinationen der Quadratmeter Bauland inzwischen 10’000 Franken oder mehr. Die Preise für Neubauwohnungen übersteigen die Finanzkraft der einheimischen Bevölkerung.

Im Sommer 2007 beantragte die Landesregierung die Aufhebung der Lex Koller, welche den Kauf von Wohneigentum durch Ausländer einschränkt. Der Wirtschaftsstandort Schweiz profitiere von einer Liberalisierung. Die Abschaffung verschaffe dem Bau- und Immobiliengewerbe Impulse, argumentiert der Bundesrat.

Ersetzen will er die Lex Koller durch flankierende Massnahmen raumplanerischer und fiskalischer Art.

Planerischer Wildwuchs

Den ursprünglichen Zweck, nämlich die Überfremdung der Heimat, könne die stark ausgehöhlte Lex Koller sowieso nicht mehr erfüllen. Denn faktisch seien nur noch der Erwerb von nicht selbst genutzten Wohnimmobilien und der Erwerb von Ferienwohnungen ausserhalb der Tourismusorte durch Ausländer einer Bewilligungspflicht unterstellt, sagen die Befürworter einer Abschaffung.

Die politische Linke, die Grünen, ein Teil der Christdemokraten, die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) sowie Mieter-, Natur- und Umweltschutzverbände lehnen eine Aufhebung ab.

Die Linke befürchtet steigende Mietzinsen, ein Abdrängen der Mittelschicht aus den attraktiven Zentren der grossen Städte an die Peripherie, Zersiedelung und planerischen Wildwuchs.

Ausnahme Andermatt

Die SVP wehrt sich gegen die Freigabe «des Schweizer Bodens für ausländische Spekulanten». Im März 2008 hat die grosse Parlamentskammer (Nationalrat) die Vorlage zur Überarbeitung an den Bundesrat zurückgewiesen. Anfang Juni befasst sich der Ständerat (kleine Kammer) damit. Wie immer die politische Entscheidungsfindung verläuft, kann davon ausgegangen werden, dass die Lex Koller noch Jahre in Kraft bleibt.

Im vergangenen Jahr hat der Bundesrat dem Ägypter Samih Sawiris eine Ausnahmebewilligung für sein 1,1 Milliarden-Projekt im ehemaligen Militärdorf Andermatt erteilt und in diesem Fall die Lex Koller ausser Kraft gesetzt.

Projekte auch in andern Kantonen

Nun planen mehrere ausländische Investoren den Bau von Luxus-Ressorts in den Schweizer Alpen. In Aminona im Wallis will der Russe Sergei Polonski die bestehende Hochhaus-Anlage aus den 1960er-Jahren um fünf weitere Hochhäuser, 220 Wohnungen und einen Hotelkomplex mit 500 Zimmern erweitern.

Nebenan, in Anzère plant die französische Groupe Maulin den Bau von 700 Wohnungen. In Ernen, im Oberwallis, will der britische Investor Bruno Prior ein Hotel mit 800 Betten bauen. Ähnliche Vorhaben von ausländischen Immobilengruppen oder Einzelpersonen sind auch im Kanton Graubünden und im Berner Oberland geplant.

Volksentscheid in Davos

Vor diesem Hintergrund befasste sich eine Tagung der liberalen Denkfabrik Avenir Suisse mit der Lex Koller als «Auslaufmodell». Tenor: Auch ausländische Investoren müssen sich an die Schweizer Gesetze halten. Rund 80% der Zweitwohnungen sind in Schweizer Besitz.

Mit flankierenden Massnahmen könnten die politischen Instanzen der Zersiedelung Einhalt gebieten. Förderung des Erstwohnungsbaus und Kontingentierung der Zweitwohnungen, steuerliche Anreize für vermietete Wohnungen, Infrastrukturabgaben waren hier die Stichworte.

«Mir ist es egal, ob ein Zürcher oder ein Münchener in Davos eine Wohnung kauft» sagte der Davoser Stadtpräsident Hans Peter Michel. Dennoch plädierte er für Einschränkungen beim Zweitwohnungsbau.

Die Davoser Stimmbürger stimmen am kommenden Wochenende über eine sozialdemokratische Volksinitiative ab, die ein Kontingent von jährlich 4500 Quadratmetern neuer Wohnfläche und damit eine starke Einschränkung fordert.

Der Gemeinderat hat einen liberaleren Gegenvorschlag ausgearbeitet. Doch Michel geht davon aus, dass der Gegenvorschlag «arg in Gefahr» ist und die Initiative beim Volk reelle Chancen hat. «Die Leute wollen eine Einschränkung», so der freisinnige Michel.

swissinfo, Andreas Keiser, Zug

Seit 1961 ist der Kauf von Wohneigentum für Ausländer eingeschränkt. Damit wollte der Gesetzgeber der Überfremdung der Schweiz Einhalt gebieten.

Das 1983 definitiv eingeführte Bundesgesetz ist mehrmals revidiert, gelockert und nach dem Namen des jeweiligen Justizministers benannt worden.

Das letzte Mal war dies 1997 unter der Federführung des damaligen Justizministers Arnold Koller der Fall.

Ausländer brauchen für den Erwerb einer Wohnung eine Bewilligung. Jeder Kanton hat jährlich eine festgelegte Anzahl Bewilligungen zur Verfügung. Sobald dieses Kontingent erschöpft ist, ist ein Kauf nicht mehr möglich.

EU-Bürger, die in der Schweiz Wohnsitz haben, sind seit einigen Jahren von der Regelung ausgenommen.

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