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Schweiz betrauert Kosovo-Präsident Rugova

Der populäre Staatsmann Rugova wurde 1996 für den Friedens-Nobelpreis vorgeschlagen. Keystone

Die Schweiz hat mit tiefer Trauer auf den Tod des Präsidenten des Kosovo, Ibrahim Rugova, reagiert. Er ist am Samstag 61-jährig an Lungenkrebs gestorben.

Das Aussenministerium lobte Rugova als Staatsmann, der auf moderate Art das Streben der Provinz nach Unabhängigkeit vertreten habe.

Bundespräsident Moritz Leuenberger würdigte vor allem das friedliche politische Engagement Rugovas. «Sein Engagement hat dazu beigetragen, dass ein Ausweg aus dem Konflikt im Kosovo gefunden werden konnte», wurde Leuenberger in einer Mitteilung des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) zitiert.

Die Schweiz hofft, dass Rugovas Tod keine neue Ungewissheit über die Zukunft des Kosovo auslöst, hiess in einer Mitteilung des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA).

Erste Verhandlungen verschoben

Am Mittwoch sollten Vertreter Serbiens und des Kosovo unter UNO-Vermittlung erstmals zusammenkommen, um über den Status der Provinz zu verhandeln. Der Termin wurde aus Respekt vor dem Verstorbenen auf Anfang Februar verschoben, wie die UNO mitteilte.

Rugova kam in den Verhandlungen eine Schlüsselrolle zu. Das seit 1999 unter UNO-Verwaltung stehende Kosovo gehört völkerrechtlich zu Serbien. Pristina fordert die vollständige Unabhängigkeit der zu 90 Prozent von Albanern bewohnten Provinz, Serbien lehnt dies entschieden ab.

Schweiz engagiert

Die Schweiz hat sich letztes Jahr dafür stark gemacht, Kosovo in enger Begleitung durch die internationale Staatengemeinschaft in eine «formelle Unabhängigkeit» zu führen. Aussenministerin Micheline Calmy-Rey hatte diese Haltung im letzten Sommer in Pristina bekräftigt.

Zwischen der Schweiz und dem Kosovo bestünden viele Bande, hält das EDA weiter fest. Praktisch seit Beginn der UNO-Verwaltung in Kosovo ist die Schweiz mit einem Armee-Kontingent vor Ort. Die Schweizer Kompanie (Swisscoy) hilft beim Wiederaufbau und übernimmt Sicherungs-Aufgaben.

Verlorener Kampf gegen Krebs

Rugova starb nach monatelangem «mutigen Kampf» gegen die Krankheit, wie das Präsidentenbüro mitteilte. Seine Erkrankung war im September bekannt geworden.

In seinem Einsatz für die Unabhängigkeit des Kosovo bemühte sich Rugova um eine friedliche Lösung des Konflikts. Der Politiker galt bei den Kosovo-Albanern als «Vater der Nation».

Von der Literatur zur Politik

Der 1944 in einem Dorf im Osten der Provinz geborene Rugova fand über die Literatur zur Politik. Unter seiner Leitung entwickelte sich der Schriftstellerverband im Kosovo zur geistigen Speerspitze der Opposition gegen Belgrad.

1989 wurde Rugova zum Vorsitzenden der wichtigsten albanischen Partei, der Demokratischen Liga des Kosovo (DLK), gewählt. Zehn Jahre lang leistete der Vater dreier Kinder dem jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic konsequenten, aber gewaltfreien Widerstand.

Kritik der UCK

Der Literaturwissenschafter und Dichter war ein eingeschworener Pazifist. Im Kosovo wurde er «Gandhi von Pristina» genannt. Von den albanischen Hardlinern der Kosovo-Befreiungsarmee UCK allerdings wurde Rugova wegen seiner pazifistischen Haltung scharf kritisiert.

Im März 2002 wurde Rugova bei den durch die UNO ausgerichteten Wahlen erstmals zum Präsidenten des Kosovo gewählt. 2004 wurde er im Amt bestätigt.

Im März vergangenen Jahres entkam er nur knapp einem Bombenanschlag in Pristina, dessen Drahtzieher nie ermittelt werden konnten.

Als mögliche Nachfolger gelten Parlamentspräsident Nexhat Daci, Regierungschef Bajram Kosumi, Oppositionsführer Hashim Thaci und der in der Schweiz lebende Geschäftsmann Behgjet Pacolli.

swissinfo und Agenturen

200’000 Immigranten aus Kosovo leben in der Schweiz.
Aussenministerin Micheline Calmy-Rey hat Rugova zuletzt im Juli/August 2005 bei einem offiziellen Besuch des Kosovo getroffen.
Die Schweiz spricht sich für eine formelle Unabhängigkeit der Provinz aus und hat ihre Vermittler-Rolle angeboten.
Das Parlament hat den Schweizer Armee-Einsatz im Kosovo (Swisscoy) bis Ende 2008 verlängert.

Das NATO-Bombardement von 78 Tagen beendete im Sommer 1999 die Vertreibung der albanischen Bevölkerung aus der südserbischen Provinz Kosovo.

Seither steht die Provinz unter UNO-Verwaltung, demokratische Standards sind im Entstehen.

Die Statusfrage wurde bisher ausgeklammert: Pristina fordert die Unabhängigkeit, laut Belgrad soll die Provinz Teil Serbiens bleiben.

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