Schweiz blockiert allfällige Ben-Ali-Gelder
Die Schweiz blockiert ab sofort allfällige Gelder von Ben Ali, Laurent Gbagbo und Entourages. Der Experte Mark Pieth rechnet nicht damit, dass es dabei um beträchtliche Summen in der Schweiz geht.
Falls der ehemalige Präsident Tunesiens Gelder auf Schweizer Konten angelegt hat oder Immobilien besitzt, kann er ab sofort nicht mehr darüber verfügen. Die Schweizer Regierung hat den Zugriff am Mittwoch gesperrt.
Von der Massnahme betroffen sind neben Ben Ali rund 40 Personen aus dessen Umfeld. Der Bundesrat wolle jegliches Risiko einer Veruntreuung von staatlichem Eigentum vermeiden, sagte Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey vor den Medien in Bern.
Sie gab gleichzeitig bekannt, dass auch allfällige Konten des abgewählten Präsidenten der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo, gesperrt wurden. Damit wolle die Schweiz die beiden Länder Tunesien und Elfenbeinküste ermutigen, Rechtshilfegesuche einzureichen, so Calmy-Rey.
Hinweise auf Gelder in der Schweiz
In Tunesien hat die Staatsanwaltschaft derweil ein Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Machthaber Ben Ali eröffnet. Es soll klären, ob der 74-Jährige und seine
Familie sich illegal Vermögen angeeignet und dieses ins Ausland geschafft haben.
Die Ermittler würden nach illegalen Transaktionen und Anlagen im Ausland suchen, berichtete die Nachrichtenagentur TAP am Mittwoch unter Berufung auf informierte Kreise.
Laut Calmy-Rey gibt es Hinweise darauf, dass in der Schweiz Gelder aus dem Umfeld des tunesischen Ex-Präsidenten angelegt sind. Keine Hinweise gebe es darauf, dass in den letzten Tagen tunesische Gelder abgehoben worden seien.
In den vergangenen Jahren hat sich die Schweiz bemüht, ihr Image als Finanzplatz zu verbessern. Verschiedentlich sind Sperren angeordnet worden, sei es für Gelder von Marcos aus den Philippinen, von Abacha aus Nigeria oder Duvalier aus Haiti. Dazu gehört auch ein neues Gesetz, das am 1. Februar in Kraft tritt die Rückgabe von Potentaten-Gelder an die betroffenen Staaten vereinfacht.
Im Gespräch mit swissinfo.ch ordnet der Strafrechtsexperte Marc Pieth die Umstände im jüngsten Fall der Sperrung möglicher illegaler Gelder ein.
swissinfo.ch: Wie beurteilen Sie den bundesrätlichen Entscheid?
Marc Pieth: Es ist davon auszugehen, dass entweder gar kein Geld da ist. Oder dass das Geld intern bereits von den Banken blockiert worden ist, falls sie es entdeckt hätten. Da dies nicht klar ist, stellt der bundesrätliche Entscheid jetzt sicher, dass der Finanzplatz einheitlich handelt.
swissinfo.ch: Die Ereignisse in Tunis sind aber seit geraumer Zeit in den Schlagzeilen. Weshalb würde nicht früher gehandelt?
M. P.: Das Ben-Ali-Regime galt lange Zeit als erträglich, es fand Unterstützung bei Frankreich, den USA und letztlich auch bei der EU. Die Politik kam nicht auf die Idee, dass dieses Regime problematisch werden könnte.
Erst mit dem Abgang von Ben Ali erinnerte man sich daran, dass die Gelder eigentlich blockiert werden müssten.
swissinfo.ch: Aber die Banken hätten ja reagieren können?
M. P.: Banken müssen sich Mühe geben, sogenannte «politically exposed persons» (PEPs) richtig zu analysieren. Anderseits kann eine Bank nicht leicht erkennen, wem genau das Geld gehört. Der Eigentümer lässt sich relativ leicht verbergen. Die Gelder erscheinen dann ganz korrekt deklariert, und die Bank merkt nicht sofort, dass sie einem PEP gehören.
Mit dem Anti-Potentaten-Gesetz befindet sich die Schweiz nun in einer besseren Lage. Sie gibt Staaten mit einem schwachen Justizapparat, so genannten failed states, die Möglichkeit zur Rechtshilfe. Nach einem Gesuch würden die Gelder nicht nur blockiert bleiben, sie könnten dem Land auch ausgezahlt werden.
Doch Tunesien ist kein failed state. Zwar könnte es dort noch zu Richtungskämpfen kommen. Aber ich vermute, dass man im Fall von Ben Ali den ordentlichen Weg der Rechtshilfe beschreitet wird.
swissinfo.ch: Die Blockierungszeit beträgt drei Jahre. Genügt das?
M. P.: Wenn in dieser Zeit das Verfahren einmal begonnen wurde, kann ich mir vorstellen, dass nach Ablauf der drei Jahre auch eine Verlängerung möglich wäre.
swissinfo.ch: Wie steht es mit dem Imageverlust der Schweiz?
M.P.: Ich würde mich wundern, wenn im Fall der Familie Ben Ali Geld da – oder noch da – ist. Wäre ich Ben Ali, hätte ich das Geld in Frankreich oder den Emiraten angelegt. Damit in die Schweiz zu kommen, wäre nicht so schlau.
In der Schweiz gab es eine öffentliche Debatte um diese illegalen Gelder. Ist ein Potentat etwas hellhörig, hat er deshalb sein illegales Geld wegverlagert, oder ist schon gar nicht in die Schweiz gekommen. Profis in diesem Bereich reagieren sehr sensibel.
Das Image als sicherer Hafen für illegales Geld stimmt für deliktisches Geld nicht mehr. Das mit den Steuergeldern ist eine andere Sache.
Mark Pieth, geboren 1953, ist seit 1993 Ordinarius für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie an der Uni Basel.
Vor 1993 war Pieth Chef der Sektion Wirtschaftsrecht beim Bundesamt für Justiz (EJPD). Dort war er für die eidg. Gesetzgebung in den Bereichen Geldwäscherei, organisiertes Verbrechen, Einziehung, Betäubungsmittelhandel und Korruption mitverantwortlich.
Er ist und war Präsident oder Mitglied diverser internationaler Gremien und Organisationen (UNO. OECD, etc.)
Beim Kundensegment der PEPs (politically exposed persons) müssen die Banken erhöhte Vorsicht walten lassen.
Das gelte nicht nur für Potentaten, sondern auch für gewählte Politiker, sagt Thomas Sutter von der Schweizerischen Bankiervereinigung.
Es gibt heute PEP-Datenbanken, an die sich die Banken anschliessen können.
Einige Banken haben eigene PEP-Lösungen. Auch die Entourage sei wichtig, heisst es. Im Fall von Ben-Ali habe die Liste der Entourage rund 40 Personen umfasst, sagte Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey am Mittwoch.
Sutter sieht die Problematik dieser Daten darin, dass jemand, der gestern noch als politisch geduldeter Potentat galt, morgen plötzlich eine Persona non grata ist.
Dies mache es den Banken auch nicht leichter beim Entscheid, sich an die Geldwäscherei-Behörden zu wenden oder nicht.
Die PEP-Kontrolle sei Bestandteil der jährlichen Prüfung der Banken, und zwar der Schweizerischen wie der Auslandsbanken. Dabei machen Revisionsgesellschaften Stichproben.
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