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Schweiz engagiert sich für nukleare Abrüstung

Frankreich weiht im März 2008 sein neues Atom-U-Boot "Le Terrible" ein. Keystone

Tausende von Atomwaffen stehen heute noch in höchster Bereitschaft und können innerhalb von Minuten gezündet werden. Zur Verringerung dieser Gefahr sollten die Waffen nicht auf höchster Alarmstufe gehalten werden, sagt der Schweizer Diplomat Jürg Streuli.

Chile, Malaysia, Neuseeland, Nigeria, Schweden und die Schweiz hatten bereits 2007 bei der UNO-Generalversammlung in New York einen entsprechenden Resolutionsvorschlag eingebracht. 139 Länder stimmten damals dafür, 36 enthielten sich der Stimme. Die USA, Frankreich und Grossbritannien waren dagegen.

Derzeit bemühen sich die sechs Staaten im zuständigen Ausschuss der UNO-Generalversammlung darum, mehr Länder auf ihre Seite zu ziehen. Sie haben die Resolution erneut eingebracht.

Botschafter Jürg Streuli, Ständiger Vertreter der Schweiz bei der UNO-Abrüstungskonferenz in Genf, erläutert im Gespräch mit swissinfo in New York den Vorstoss. Das internationale Engagement in der Generalversammlung und in der UNO-Abrüstungskonferenz ist ein Bestandteil der Schweizer Sicherheitspolitik.

Die Vision

«Wir haben eine Vision, eine Welt frei von Nuklearwaffen. Auf dem Gipfel des Kalten Krieges gab es rund 60’000 atomare Sprengköpfe, heute noch etwa 27’000», erklärt Streuli.

Das entspreche immer noch einem x-fachen Overkill. Aufgeben dürfe man die Vision trotzdem nicht, denn realistischerweise könne man ihr nur Schritt um Schritt näher kommen.

In dieses Vorgehen reihe sich der Vorstoss der sechs Staaten ein, die Gefechtsbereitschaft der Atomwaffen herabzusetzen. «Durch längere Reaktionszeiten würde die Welt etwas sicherer.» Schon mehrmals sei es zu Pannen gekommen, die schwerwiegende Folgen hätten haben können.

Die UNO-Abrüstungsgespräche verliefen in den letzten Jahren weitgehend ergebnislos. Mit ihrem Vorstoss hofft die Schweiz, die Frage der nuklearen Abrüstung wieder vermehrt ins Bewusstsein von Politik und Öffentlichkeit zu rücken.

Neue nukleare Abrüstungsschritte notwendig

«Wenn die Staaten mit Atomwaffen die operationelle Bereitschaft dieser Waffensysteme herunterfahren würden, wäre dies ein Signal in die richtige Richtung», erläutert Streuli die Beweggründe für die Resolution.

Es brauche neue nukleare Abrüstungsschritte. Streuli ist vorsichtig optimistisch, was die künftige US-Position angeht. «Von beiden Präsidentschafts-Kandidaten waren positive Signale zu hören.»

Ein wichtiges Abkommen ist der Atomteststopp-Vertrag. Das Abkommen ist noch nicht in Kraft, da bisher nicht genügend Staaten den Vertrag ratifiziert haben. Auch die Ratifikation der USA steht noch aus.

Abrüstungs-Architektur

Das wichtigste Element in der globalen Abrüstungs-Architektur ist der Atomsperrvertrag (Nuclear Non-Proliferation Treaty, NPT), dem ausser Indien, Israel und Pakistan alle Staaten angehören. Hinter Nordkorea, das den Austritt aus dem NPT erklärt hatte, müsse man ein Fragezeichen machen, der Austritt sei nie formell angenommen worden, sagt Streuli.

Der NPT besteht aus drei Pfeilern: Abrüstung von Atomwaffen, Non-Proliferation (Nichtweiterverbreitung dieser Waffen) und Zugang zur friedlichen Nutzung der Atomenergie. In der jüngsten Vergangenheit stand aufgrund der Entwicklung in Nordkorea und Iran der Pfeiler der Non-Proliferation im Zentrum der politischen Diskussionen.

Vertrag stärken

Von verschiedenen Seiten wird der NPT als unausgewogen bezeichnet und in Frage gestellt. Streuli hat dafür ein gewisses Verständnis, weist aber darauf hin, dass es zu dem Vertrag keine Alternative gebe. «Wir müssen den Vertrag stärken und ihn am Leben halten.»

Streuli erachtet das 1970 in Kraft getretene Abkommen grundsätzlich als erfolgreich. Mit Nordkorea sei bis heute nur ein Mitgliedsstaat ausgeschert und habe einen Testversuch (Oktober 2006) gemacht.

Was die Kontroverse um Iran und dessen Atompläne angeht, verweist Streuli auf die Position der Schweiz, dass nur im politischen Dialog eine Lösung gefunden werden könne.

Nächste NPT-Konferenz im Visier

Jede Anstrengung zur nuklearen Abrüstung lohne sich. «In dieser Frage sind wir alle legitimiert, etwas zu unternehmen. Von den Auswirkungen eines Atomschlags sind alle betroffen.» Natürlich sei die Schweiz bei ihren Vorstössen auf die Zusammenarbeit mit anderen angewiesen.

2010 steht die nächste Überprüfungskonferenz des NPT an. «Es wird eine sehr schwierige Konferenz werden. Um die Weiterverbreitung zu stoppen, braucht es ein klares Signal der Atomstaaten, also konkrete Schritte Richtung Abrüstung», sagt Streuli.

Die Resolution, welche die Schweiz mit den andern fünf Staaten bei der UNO eingebracht hat, sei auch mit Blick auf die NPT-Konferenz von 2010 zu sehen.

Abrüstungskonferenz kommt nicht vom Fleck

In der Genfer Abrüstungskonferenz, dem Verhandlungsorgan der UNO für Abrüstungsfragen, gab es in den letzten zehn Jahren keine Fortschritte. Die Schweiz drängt unter anderem auf die Aufnahme von Verhandlungen für ein Verbot der Produktion von spaltbarem Material für neue Atomwaffen (Fissile material cut off).

Russland und auch die USA seien heute grundsätzlich dazu bereit, Pakistan dagegen, Indien eher dafür. Wie China dazu stehe, sei unklar.

Russland und China möchten ihrerseits die Entmilitarisierung des Weltalls voranbringen, während die USA, die in dem Bereich einen grossen technologischen Vorsprung haben, gegen Verhandlungen sind.

swissinfo, Rita Emch, New York

Aufgrund der heutigen kurzen Reaktionszeiten besteht das Risiko, dass eine nukleare Rakete durch eine Fehlfunktion, Pannen oder ein Missverständnis gestartet werden kann.

Man kann nicht ausschliessen, dass die Computersysteme zum Beispiel von Terroristen gehackt werden und bei der einen oder anderen Seite damit der Eindruck entsteht, eine Waffe sei gezündet worden.

Um diese Gefahren zu bannen und die Reaktionszeiten zu verlängern, gibt es verschiedene Möglichkeiten: Beispielsweise Sprengköpfe getrennt von Trägersystemen aufbewahren, Raketen-Silos mit Betondeckeln verschliessen oder Verzögerungsschritte in die Computerprogramme einbauen, welche die Zündung auslösen.

Im Besitz von Atombomben sind die fünf Vetomächte im UNO-Sicherheitsrat: die USA, Russland, China, Grossbritannien und Frankreich.

Nuklearwaffen besitzen zudem Indien, Israel und Pakistan.

Nordkorea hat einen Sprengkopf gestestet, und Iran wird verdächtigt, Atomwaffen entwickeln zu wollen.

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