Schweiz fordert mehr Transparenz im UNO-Sicherheitsrat
Der Sicherheitsrat, das höchste UNO-Gremium, muss wirksamer und transparenter werden. Im Interesse seiner Glaubwürdigkeit muss der Rat bei Diskussionen und Entscheiden auch Ansichten jener Staaten besser miteinbeziehen, die nicht im Rat sitzen.
Dies war der Tenor einer offenen Debatte im Sicherheitsrat vom Mittwoch in New York, bei dem Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitsmethoden und deren bisherige Umsetzung diskutiert wurden.
Einberufen wurde die offene Debatte, an der auch Nicht-Mitglieder des Rates teilnehmen konnten, aufgrund eines Antrags der sogenannten «Fünf Kleinen», im Uno-Jargon S5 genannt. In dieser Gruppe sind die Schweiz, Costa Rica, Jordanien, Liechtenstein und Singapur vertreten.
Es war das erste Mal seit 14 Jahren, dass sich der Sicherheitsrat in dieser Form mit dem Thema befasste. Die Schweiz zog eine positive Bilanz der Sitzung. «Dass diese Debatte stattfinden konnte, ist ein Erfolg. Sie zeigt, dass die fünf Staaten ihren Finger auf ein echtes Problem legten», erklärte Andreas Baum, der stellvertretende UNO-Botschafter der Schweiz, gegenüber swissinfo.
Schwerpunkt der Schweiz
Die Stärkung der Vereinten Nationen gehört zu den Schwerpunkten der Schweizer UNO-Politik. So engagiert sie sich aktiv für die Reform der Arbeitsmethoden des Sicherheitsrates.
Die «Fünf Kleinen» hatten eine Reihe von Empfehlungen erarbeitet, die der Rat später teilweise aufnahm. Vor zwei Jahren wurde eine entsprechende Erklärung verabschiedet.
Ein zentrales Anliegen der Reform ist ein besseres Zusammenwirken zwischen dem Sicherheitsrat und den restlichen UNO-Staaten. Die Arbeit des Rates soll so wirksamer, glaubwürdiger und transparenter werden. Nicht-Mitglieder sollen vermehrt an Diskussionen des Rats teilnehmen und ihre Sicht der Dinge einbringen können, bevor das Gremium Entscheide fällt.
Mehr Systematik
Die Schweiz präsentierte im Namen der fünf Staaten eine Bilanz der bisherigen Umsetzung und einige weitere Vorschläge. Andreas Baum begrüsste die Fortschritte, machte aber auch klar, dass es weitere Schritte brauche, um Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit des Rates zu verbessern.
So gebe es heute klar mehr öffentliche Sitzungen. Diese dürften aber nicht zu Alibi-Übungen werden, während der Rat wichtige Informationen weiter hinter verschlossenen Türen berate, unterstrich Baum.
Die bisherigen Massnahmen müssten systematischer umgesetzt werden. Der Rat sollte sich auch weitere Schritte überlegen, um den heutigen Herausforderungen wirksam begegnen zu können.
So habe die Zahl der Sanktionsbeschlüsse, die der Rat verhängt habe, in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Es sei für alle UNO-Mitgliedstaaten ein komplexes und teures Unterfangen, die Sanktionen und Beschlüsse einzuhalten und umzusetzen.
Auch der Trend zu immer mehr UNO-Friedensmissionen erfordere grösseren personellen, finanziellen und logistischen Aufwand. Es sei daher wichtig, dass Nicht-Mitglieder rechtzeitig und umfassend über die Diskussionen des Sicherheitsrates informiert würden und Einblick in den Entscheidfindungs-Prozess erhielten.
Aufforderung zum Vetoverzicht
Nicht zuletzt sollte der Rat mit Ländern, die Truppen oder ziviles Personal für UNO-Missionen zur Verfügung stellen, wie auch mit wichtigen Finanzgebern mehr Konsultationen führen, bevor er über neue Missionen oder Mandatsverlängerungen entscheide.
Als zusätzliche Massnahme schlagen die fünf Staaten auch einen Verzicht auf das Veto vor, wenn es um Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder schwere Verstösse gegen internationales humanitäres Recht geht. Sowie einen besseren Mechanismus im Umgang mit den Sanktionslisten der UNO.
Baum regte auch eine detaillierte Ankündigung des Arbeitsprogramms des Rates und eine regelmässige, rasche Orientierung der Nicht-Mitglieder des Rats nach wichtigen Sitzungen an.
Die umfassende Reform
Die Vorschläge und der Einsatz der S5-Staaten sowie der aktuellen belgischen Ratspräsidentschaft wurden in der Debatte von vielen Rednern und Rednerinnen gelobt.
Einige Staaten, darunter Südafrika, Brasilien und Deutschland, unterstrichen aber gleichzeitig, dass man sich auch der grossen Frage stellen müsse, der Reform des Sicherheitsrates, welcher in seiner heutigen Form der politischen Realität des 21. Jahrhunderts nicht mehr gerecht werde.
«Wir dürfen das eigentlich Ziel nicht aus den Augen verlieren, die umfassende Reform des Sicherheitsrates», sagte zum Beispiel der deutsche Vertreter. Es brauche einen interaktiven, transparenten und wirksamen Rat, der die heutige politische Realität spiegle.
swissinfo, Rita Emch, New York
Eigentlich sind sich (fast) alle Staaten einig:
Der UNO-Sicherheitsrat spiegelt in seiner heutigen Zusammensetzung längst nicht mehr die Machtverhältnisse des 21. Jahrhunderts.
Seit mehr als 60 Jahren haben die fünf ständigen Mitglieder, die Vetomächte USA, Russland, China, Frankreich und Grossbritannien, in dem höchsten UNO-Gremium das Sagen.
Neben den fünf Vetomächten sitzen jeweils 10 weitere der insgesamt 192 UNO-Mitgliedstaaten aufgrund eines bestimmten Wahlverfahrens für jeweils zwei Jahre als nicht-ständige Mitglieder im Rat.
Um eine Reform des Rates wird seit 1993 gerungen. Letztes Jahr bekräftigte die UNO-Vollversammlung erneut, der Rat müsse die heutigen politischen Verhältnisse besser spiegeln.
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