Schweiz schickt Entminungsmaterial nach Libanon
Auf Ersuchen der UNO stellt das Schweizer Verteidigungsministerium in einem ersten Schritt Material zur Minenräumung in Südlibanon zur Verfügung.
Hilfsorganisationen hatten vorher gewarnt, hohe Mengen von nicht explodierten Geschützen aus dem einmonatigen Konflikt in Libanon seien für die nach Hause zurückkehrenden Flüchtlinge eine grosse Gefahr.
Nach den Worten von Markus Schefer, Leiter des Kompetenzzentrums Minenräumung und Kampfmittelbeseitigung der Schweizer Armee, wird sofort eine erste Tranche von 1300 Sprengladungen in die Region geschickt, mit denen die Blindgänger-Munition vernichtet werden kann.
«Nicht explodierte Munition ist ein grosses Problem in Libanon», sagt Schefer gegenüber swissinfo. «Sie ist eine grosse Gefahr für die nach Hause zurückkehrenden internen Flüchtlinge. Diese gehen zu ihren zerbombten Häusern zurück, um nach ihrem Hab und Gut zu suchen. Dort kommen sie in Kontakt mit nicht explodierten Gechützen.»
Viele Streubomben als Blindgänger
Die von der israelischen Armee angewendeten Streubomben entzündeten zahlreiche weitere kleine Bomben von der Grösse einer Batterie. Der Gebrauch dieser sogenannten Cluster-Bomben ist gemäss internationalem Recht in Zivilgebieten verboten.
Laut Experten kamen rund 30% dieser Streubomben nicht zur Explosion. Die Schweizer Sektion der Nichtregierungs-Organisation Handicap International spricht ihrerseits von 14%.
Das wahre Ausmass dieses Problems in Südlibanon ist noch nicht bekannt, weil täglich neue bombardierte Ziele identifiziert werden.
Todesopfer nach Waffenstillstand
Laut Angaben der libanesischen Armee wurden seit dem am 14. August in Kraft getretenen Waffenstillstand 12 Menschen bei der Explosion von Streubomben getötet und 51 verwundet.
Letzten Mittwoch wurden drei libanesische Minenräumungs-Experten im Dorf Tebnin, 15 Kilometer von der Grenze zu Israel entfernt, durch eine Cluster-Bombe getötet.
Minenräumung
Das vom im Bern ansässigen Rüstungskonzern Ruag hergestellte Material der Schweizer Armee im Wert von 60’000 Franken enthält automatische Entminungsinstrumente und nicht gezündete Granatgeschosse. Laut Schefer erhöht das Material die Sicherheit der Minenräumungsteams und die Geschwindigkeit der Entminungsaktion.
Die Schweizer Armee schickt einen Experten nach Libanon zur Ausbildung des Personals im Gebrauch des Ruag-Materials Small Explosive Ordnance Disposal (SM-EOD). Ein weiterer Spezialist wird entsendet, der während zwei Jahren in Libanon zusammen mit UNO-Vertretern eine Minen-Karte aus dem vorletzten Konflikt im Land erstellt hat.
Weitere Schweizer Hilfe in Sicht
«Das ist eine Dringlichkeitsmission; sobald wir die Situation vor Ort grundsätzlich evaluiert haben schicken wir möglicherweise weitere EOD-Experten und Materialien nach Libanon», so Schefer. «Die Entminungsarbeiten in dem Land können Monate, ja Jahre dauern.»
Nach Angaben des UNO-Minenräumungs-Koordinationszentrums in Südlibanon (Unmacc) vom Freitag wächst die Zahl der von Streubomben getroffenen Orte täglich um 30. «Bis jetzt haben wir 288 Streubomben-Einschläge in Südlibanon registriert», sagt Unmacc-Sprecherin Dalya Farran gegenüber swissinfo. «Zahlreiche Häuser sind davon betroffen, und je mehr Menschen dorthin zurückkehren, desto grösser ist die Unfallgefahr.»
Warnung an Eltern
In einem in dieser Woche publizierten UNO-Papier werden die Eltern von Kindern in Libanon speziell zur Vorsicht gegenüber nicht explodierter Munition angehalten.
Die libanesische Armee hat rund 100’000 Flugblätter und 10’000 Posters an Checkpoints an die Bevölkerung verteilt. Und auch das libanesische Radio und Fernsehen warnen die Leute vor den Gefahren der Blindgänger.
swissinfo, Adam Beaumont
(Übertragung aus dem Englischen: Jean-Michel Berthoud)
Die Schweizer Armee setzt jährlich 16 Mio. Franken für Minenräumungs-Aktionen auf der ganzen Welt ein.
Seit 1997 war die Entminungs-Einheit der Schweizer Armee aktiv in Albanien, Bosnien, Burundi, Eritrea, Sri Lank, Sudan und Tschad. Die Armee entsandte auch Entminungsmaterial (SM-EOD) nach Afghanistan, Aserbeidschan, Chile, Jemen, Kroatien und Kosovo.
Die UNO benützt zur Sammlung von Daten über nicht explodierte Munition in Libanon ein Informationssystem, das vom Internationalen Zentrum für humanitäre Minenräumung in Genf entwickelt worden ist.
Die Glückskette, das humanitäre Sammelsystem der Schweizer Medien, angeführt von der SRG SSR idée suisse, sammelt zugunsten von Kinderkriegsopfern im Nahen Osten.
Spenden können online (siehe Link) oder mit Einzahlungsschein erfolgen: 10-15000-6, Vermerk «Kinderkriegsopfer».
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