Schweiz sorgt sich um die Lage in Iran
Die Lage in Iran sei "gefährlich". Die Schweiz rufe die Behörden zur Zurückhaltung und zum Gewaltverzicht auf, sagte Micheline Calmy-Rey in Bern. Sie zeigte sich besorgt über die Verletzung der Meinungsäusserungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit.
Die Schweiz habe den iranischen Behörden auf diplomatischem Weg ihre Haltung kundgetan und habe diese in den vergangenen Tagen auf Anfrage auch den Medien gegenüber kommuniziert, sagte Aussenministerin Micheline Calmy-Rey.
Sie wehrte sich damit gegen den von verschiedenen Medien geäusserten Vorwurf, die Schweiz habe sich nicht zu den umstrittenen iranischen Präsidentenwahlen und den Protesten mit Verletzten und Toten geäussert.
Auffallend ist allerdings, dass die Schweiz ungewöhnlich zurückhaltend Stellung nimmt. «Wir sind uns bewusst, dass unsere Interventionen nicht allzu energisch ausfallen», sagt dazu Calmy-Rey.
«Sie kennen sicher die Strategie, die darin besteht, zu sagen, die Opposition gegen ein Regime werde von Aussen manipuliert. Wir waren uns dessen bewusst und waren deshalb nicht allzu handfest und auch nicht allzu klar. Wir wollten die Opposition nicht schwächen.»
Schweizer Botschafterin zitiert
Calmy-Rey begründet die Zurückhaltung auch damit, dass die Schweiz seit bald 30 Jahren die Interessen der USA in Iran vertritt und in dieser Rolle auch zwischen den beiden Ländern vermittelt. «Dieser Kommunikationskanal ist extrem wichtig und muss offen bleiben. Das gehört zu unseren Aufgaben.»
Andere Länder – namentlich die USA – haben sich aus ähnlichen taktischen Gründen – und im Gegensatz zu Deutschland oder Frankreich – ebenfalls zurückgehalten.
Die Schweizer Botschafterin in Iran, Livia Leu Agosti, stehe in Kontakt mit dem iranischen Aussenminister und sei kürzlich vorgeladen worden, um die Botschaft an die Adresse der USA in Empfang zu nehmen, wonach der Iran die Beurteilung der Wahlen als innere Einmischung qualifiziere.
«Dieselbe Botschaft hat Iran auch an europäische Länder übermittelt», darum sei es kein Geheimnis, wenn sie das erzähle, sagt Calmy-Rey.
Dialog statt Waffen
Auf die Frage, ob die Schweiz – wie Italien – plane, ihre Botschaft in der iranischen Hauptstadt Teheran für verletzte Demonstranten zu öffnen, sagt Calmy-Rey, die Schweiz habe bisher noch keine entsprechende Anfrage erhalten und zurzeit sei die EU daran, sich in dieser Frage abzusprechen.
Sie habe bei ihren früheren Gesprächen mit dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad und den iranischen Behörden «jedes Mal über die Menschenrechte geredet. Die Schweiz arbeitet nicht mit Waffen, sondern mit dem Dialog».
Die Lage in Iran und die Verletzungen der Menschenrechte werden am Mittwoch auch beim offiziellen Arbeitsbesuch des russischen Aussenministers Sergei Lawrow auf der Traktandenliste stehen: «Herr Lawrow weiss genau, welche Rolle die Schweiz im Iran hat, denn wir vertreten Russland in Georgien und umgekehrt. Bevor wir dieses Mandat erhalten haben, haben wir viel darüber gesprochen.»
Andreas Keiser, swissinfo.ch
Nach Tagen des Protests der Opposition gegen das Wahlergebnis im Iran hat der iranische Wächterrat Ahmadinedschads Sieg bestätigt und lehnt die Annullierung der Wahl ab.
Bei einer Überprüfung seien keine grösseren Unregelmässigkeiten festgestellt worden, sagte ein Sprecher des Wächterrates.
Während die EU die «brutale Gewalt» gegen die Demonstranten der iranischen Opposition verurteilte, erklärte Russland die Streitigkeiten zur «rein inneriranischen Sache».
Am 22. Juni drohten die Revolutionsgarden, alle Proteste niederzuschlagen.
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon rief die Regierung in Teheran zu einem Gewalt-Verzicht und zur Einhaltung von Grundrechten auf.
Bisher starben bei Zusammenstössen etwa 17 Menschen.
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