Schweiz und Luxemburg Seite an Seite
Die Schweiz hat im Steuerstreit mit der EU Rückendeckung von Luxemburg erhalten. Für beide Länder gibt es keinerlei Anlass, Steuerprivilegien für Unternehmen abzuschaffen.
Bundesrat Hans-Rudolf Merz und der luxemburgische Finanz- und Justizminister Luc Frieden haben in Bern Angriffe gegen Steuerprivilegien in den beiden Ländern zurückgewiesen.
«Ein Angriff auf den Steuerföderalismus ist ein Angriff auf die Souveränität dieses Landes», sagte Merz vor den Medien nach seinem Treffen mit Frieden.
«Die kantonalen Steuerregimes verstossen nicht gegen das Freihandelsabkommen von 1972», widersprach Merz Vorwürfen der europäischen Kommission.
Da die Schweiz nicht Teil des EU-Binnenmarktes sei, gebe es keine Angleichung an die EU, also seien keine Verstösse möglich.
Die diversen Steuererleichterungen in den Kantonen bezeichnete Merz als «verursachergerecht». Sie seien des weiteren auch nicht selektiv, sondern stünden allen offen.
Seite an Seite dank gemeinsamer Interessen
Die Schweiz und Luxemburg hätten starke Finanzplätze und deshalb gemeinsame Interessen, sagte Merz.
Dem pflichtete Frieden bei: Falls die Steuerdiskussion in der EU tatsächlich geführt werden sollte, werde das EU-Mitglied Luxemburg «an der Seite der Schweiz» stehen. Der Schutz der Privatsphäre vor einem allzu kontrollierenden Staat sei für den Finanzplatz sehr wichtig.
Im Übrigen zeichne sich in der EU keine Tendenz oder Absicht ab, die Steuern europaweit zu harmonisieren. Es gebe bloss «einzelne Diskussionen über fairen Wettbewerb».
Für den Steuerwettbewerb
«Wir sind für den Steuerwettbewerb», sagte Frieden. Er begegnete damit der Aufforderung der EU-Kommission, die Steuerprivilegien für Holding- und Finanzgesellschaften in Luxemburg abzuschaffen.
Ein zu grosser Stellenwert werde in den Medien den Äusserungen von Arnaud Montebourg, Sprecher der französischen sozialistischen Präsidentschaftskandidatin Segolène Royal, eingeräumt. Montebourg und die EU-Kommission werfen der Schweiz «räuberische Praktiken» im Steuerwettbewerb vor.
Frieden sagte in einem Interview mit dem Tages Anzeiger, solche Bemerkungen seien lächerlich. «Wer solche Aussagen macht, will hohe Steuern verteidigen. Dass gewisse Länder niedrigere Sätze haben als andere, darf nicht automatisch als unfairer Steuerwettbewerb bezeichnet werden – geschweige denn als räuberisch.» Zudem drohe man Freunden nicht mit Sanktionen, meinte Frieden weiter.
Die Debatte in Brüssel sei noch nicht von den politischen Organen, sondern nur von der EU-Kommission geführt worden. Sanktionen könnten nur vom Ministerrat beschlossen werden – mit einstimmigem Entscheid.
Kritik von Doris Leuthard
Wirtschaftsministerin Doris Leuthard verurteilte in «Infrarouge», einer Politsendung des Westschweizer Fernsehen, am Dienstagabend die umstrittenen Steuer-Pauschalabkommen für superreiche Ausländer: «Das heutige System benachteiligt Schweizerinnen und Schweizer.»
Es sei ungerecht, dass Schweizer mit einem vergleichbaren Einkommen viel mehr Steuern zahlen als Ausländer.
Als Beispiele führte sie den Schweizer Tennisstar Roger Federer und den französischen Altrocker Johnny Hallyday an. «Es darf doch nicht sein, dass Roger Federer viel mehr Steuern bezahlen muss als Johnny Hallyday.»
Beide verdienen laut der Boulevardzeitung Blick ungefähr gleich viel. Federer bezahlt bei seinem Einkommen von 10 Mio. Franken rund 3 Mio. Steuern. Der von der französischen Präsidentschaftskandidatin Segolène Royal als Steuerflüchtling bezichtigte Hallyday dagegen, kommt in seinem neuen Domizil in Gstaad dank einem Pauschalabkommen auf 300’000 Franken.
Departement relativiert
Mittlerweile teilte das Volkswirtschaftsdepartement mit, die Aussage von Bundesrätin Doris Leuthard entspreche «ihrer persönlichen Meinung». Für die Wirtschaftsministerin sei die Pauschalbesteuerung Kantonssache.
Sie sei aber der Ansicht, dass Steuerrabatte für Ausländer eine Diskriminierung von Schweizer Steuerzahlern darstellen könnten. Ihre Haltung in dieser Sache dürfe nicht mit ihrer Position bei der von der EU-Kommission kritisierten Unternehmensbesteuerung vermischt werden.
Bundesrat für Pauschalbesteuerung
Am Mittwoch hat schliesslich der Bundesrat (Landesregierung) anlässlich seiner wöchentlichen Sitzung befürwortet, dass gewisse Ausländer in den Kantonen pauschal oder nach Aufwand besteuert werden.
Diese Art der Besteuerung sei auf ganz besondere Fälle ausgerichtet, hielt er in einer Erklärung fest.
swissinfo und Agenturen
Die Schweiz kennt ein föderalistisches Steuersystem. Kantone und Gemeinden können die Höhe des Steuerfusses selber festlegen.
Daraus folgt ein Steuerwettbewerb, mit dem Kantone und Gemeinden die besten Steuerzahler anzulocken hoffen.
Einige Kantone zeigen sich vor allem Unternehmen gegenüber sehr grosszügig.
Die EU erachtet diese Steuergeschenke als nicht korrekt. Ein EU-Vertrag verbietet es den Mitgliedern, ausländischen Unternehmen günstigere Steuerbedingungen zu gewähren als den inländischen. Die Schweiz hat dieses Regelwerk aber nicht unterzeichnet.
Trotzdem versucht Brüssel, Druck auf die Schweiz auszuüben, dies mit dem Verweis auf das Freihandelsabkommen von 1972.
Pauschal besteuert werden in der Schweiz nur superreiche, hier nicht erwerbstätige ausländische Personen.
Dies kann auch für Auslandschweizer gelten, die in die Schweiz zurückkehren, allerdings nur im ersten Fiskaljahr und nur wenn sie mindestens zehn Jahre lang im Ausland gelebt haben.
Die Pauschalsteuer entspricht mindestens dem Fünffachen des jährlichen Mietzinses oder des Mietwertes der eigenen Liegenschaft in der Schweiz.
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