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Schweiz zeigt Interesse an Karabach-Konflikt

Armut ist in Aserbaidschan verbreitet, Jobs sind selten. Keystone

Die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey hat bei ihrem Besuch in Aserbaidschan die Vermittlung im Karabach-Konflikt angeboten.

Calmy-Rey hat am Freitag ein Lager mit Flüchtlingen aus der krisengeplagten Region besucht. Der Besuch war ursprünglich nicht auf dem Programm gestanden.

Seit Jahren streiten sich Armenien und Aserbaidschan um die bergige Region Karabach, eine armenische Enklave in Aserbaidschan. Zahlreiche Menschen mussten während des Kriegs von Ende der 1980er-Jahre bis 1994 ihre Häuser verlassen.

Im von der Schweizer Aussenministerin besuchten Lager leben seit 1992 etwa 270 vertriebene Aserbaidschaner aus der Enklave Berg-Karabach. Die Regierung in Baku hatte Calmy-Rey zum Besuch des Lagers eingeladen, nachdem die Aussenministerin ein besonderes Interesse für den langjährigen Konflikt signalisiert hatte.

«Es ist hart, mit ansehen zu müssen, unter welchen Bedingungen die Menschen seit 13 Jahren leben müssen», sagte Calmy-Rey nach dem Besuch. Sie werde sich nun mit der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) über das Lager unterhalten.

Schweizer Engagement

Die DEZA unterstützt bereits drei Projekte zur Unterstützung von Vertriebenen in Aserbaidschan. Am Donnerstag hatte Calmy-Rey zudem mit Baku ein Rahmenabkommen für technische, humanitäre und finanzielle Zusammenarbeit unterschrieben, das der DEZA ein verstärktes Engagement in der südkaukasischen Republik ermöglicht.

Die Schweiz unterstütze gleichzeitig die Vermittlungsbemühungen der so genannten Minsk-Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die von den USA, Russland und Frankreich angeführt wird, sagte die Aussenministerin.

Calmy-Rey hatte am Donnerstag das Interesse der Schweiz an einer friedlichen Lösung des Konflikts betont. Die Schweiz habe in den vergangenen Jahren vier Treffen zwischen den Konfliktparteien ermöglicht und sei hierzu auch in Zukunft bereit, sagte die Aussenministerin gegenüber der aserbaidschanischen Regierung.

Verstimmung

Ursprünglich hatte Calmy-Rey geplant, in diesem Jahr sowohl Aserbaidschan wie auch Armenien zu besuchen. Der Umstand, dass Armenien aus dem Programm gekippt wurde, sorgte unter den Armeniern in der Schweiz für Verstimmung.

Sarkis Shahinian, Co-Präsident der Gesellschaft Schweiz-Armenien (GSA), erklärte, die Schweiz stelle mit dem «Exklusivbesuch» in Aserbaidschan ihre Rolle als neutrale Vermittlerin im Südkaukasus in Frage. Die GSA äusserte sich «besorgt» über den «einseitigen» Besuch.

Dieser Sichtweise widersprach EDA-Sprecher Lars Knuchel: Ziel der Reise von Calmy-Rey sei nicht nur die verstärkte Zusammenarbeit mit Aserbaidschan, sondern die Förderung von Frieden und Entwicklung im gesamten Südkaukasus. Dabei solle kein Land einseitig bevorzugt werden.

Bretton Woods

Aserbaidschan hat eine besondere Stellung in der Schweizer Aussenpolitik, weil das Land seit 1992 zur Ländergruppe der Bretton-Woods-Institutionen (Internationaler Währungsfonds, Weltbank) gehört, die von der Schweiz angeführt wird.

Wie das EDA weiter mitteilte, hat die Bundesrätin in Baku einige Abkommen unterzeichnet. Dazu gehören ein Investitionsschutz- und ein Doppelbesteuerungs-Abkommen sowie ein Rahmenabkommen für technische, humanitäre und finanzielle Zusammenarbeit. Zudem wurde eine gemeinsame Erklärung zur Migration unterschrieben werden.

Konflikt um Berg-Karabach

Die Region Berg-Karabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan. Bis zum Ausbruch kriegerischer Handlungen zwischen Aserbaidschanern und Armeniern hatten die Armenier in Berg-Karabach die Mehrheit gestellt.

In einem Krieg von 1992 bis 1994 vertrieben die Karabach-Armenier mit Unterstützung aus Armenien die aserbaidschanischen Truppen. Ausgelöst worden waren die kriegerischen Handlungen nicht zuletzt jedoch durch Angriffe gegen die Armenier im übrigen Aserbaidschan.

Der Konflikt hat zwischen 1988 und 1994 gegen 25’000 Tote gefordert. Rund 750’000 Aserbaidschaner verloren ihre Heimat. Im Mai 1994 trat ein Waffenstillstand in Kraft.

Zuletzt hatten die Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans, Robert Kotscharjan und Ilham Alijew, vor zwei Wochen im Schloss Rambouillet bei Paris über eine Lösung des Konflikts verhandelt.

Die beiden Präsidenten verständigten sich dabei jedoch lediglich darauf, die Gespräche fortzusetzen. Ein Datum wurde nicht festgesetzt.

swissinfo und Agenturen

In der Entwicklungs-Zusammenarbeit im Südkaukasus versucht die Schweiz, in der Region eine gute Regierungsführung, Friedensbemühungen, den nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen und humanitäre Programme zu stärken.

Die Schweizer Bemühungen beliefen sich 2005 auf 17,7 Mio. Franken.

Die Schweiz vertritt Aserbaidschan im Internationalen Währungsfonds (IMF) und bei der Weltbank.

Micheline Calmy-Rey befand sich von Mittwoch bis Freitag in Baku.
Sie traf den aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew und Regierungschef Artur Rasizadeh.
Auf dem Programm standen zudem Treffen mit Aussenminister Elmar Mammadyarov und den Ministern für Steuern und wirtschaftliche Entwicklung.

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