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Schweizer Armee: Keine Feinde, wenige Freunde

Mit 120'000 Soldaten und 80'000 Reservisten hat die Schweizer Armee immer noch eine der grössten Truppenstärken in Europa. Keystone

Seit dem Ende des Kalten Krieges vor 20 Jahren wurde bei der Schweizer Armee reformiert und gespart. Jetzt fordern Armeekreise immer lauter eine Erhöhung der Militärausgaben, doch unter Politikern herrscht keine Einheit in Bezug auf die nationale Verteidigungspolitik.

Ranghohe Schweizer Militärs zeichnen ein desolates Bild der eigenen Armee: Veraltetes Material, ein unzureichender Fahrzeugpark, überholte Kommunikationstechnologien, gebrauchsunfähige Waffen und ein Mangel an Munition.

«Es gibt Soldaten, die mit Minenwerfern im Postauto in die Berge fahren müssen, weil wir sie nicht transportieren können», hat Bundesrat Ueli Maurer wiederholt erklärt. Laut dem Schweizer Verteidigungsminister braucht die Armee dringend zusätzliche 500 bis 700 Millionen Franken im Jahr, um ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen zu können.

Mit dem bestehenden Budget von 4,1 Milliarden Franken seien nur zwei von neun Brigaden ausreichend ausgerüstet. Die Schweizer Armee verschlang während des Kalten Krieges rund einen Drittel der staatlichen Ausgaben. Doch in den letzten 20 Jahren musste sie eiserne Diäten durchstehen. In keinem anderen Bereich wurde so stark gespart wie bei der Armee.

Volk und Politiker entzweit

Die Öffentlichkeit ist in der Frage, wie viel Geld für die Landesverteidigung ausgegeben werden soll, tief gespalten. Gemäss einer Meinungsumfrage befürwortet ein Drittel der Bevölkerung den Status quo, ein Drittel will die Armee weiter verschlanken, ein weiteres Drittel will die Armee sogar ganz abschaffen.

Ähnlich gespalten präsentierten sich die Politiker. Die Armee hat viele Freunde und Unterstützer verloren. Das Jahresbudget der Armee wird eigentlich nur noch von der bürgerlichen Mitte verteidigt. Die Linke befürwortet eine drastische Reduktion der Militärausgaben zugunsten von mehr Sozialausgaben.

Und sogar die nationale Rechte kann sich eine erneute Sparrunde beim Militär vorstellen. Entgegen den Forderungen ihres eigenen Verteidigungsministers haben mehrere Exponenten der Schweizerischen Volkspartei (SVP) in den letzten Wochen für ein auf 4 Milliarden Franken limitiertes Budget der Armee plädiert.

In finanzschwachen Zeiten könne sich die Schweiz keine Erhöhung der Militärausgaben leisten, lautet die Argumentation auf der Rechten wie auf der Linken. Mit 200’000 Armeeangehörigen – Soldaten und Reservisten – sei die Armee in der Schweiz immer noch bedeutend grösser als in vergleichbaren Ländern wie Österreich, Schweden oder Finnland. Dort leisten nur zwischen 30’000 und 50’000 Personen Dienst an der Waffe.

Schlecht investiertes Geld

Die Debatte um das angemessene Armee-Budget ist voll entbrannt. «Meiner Meinung nach liegt das aktuelle Budget eher an der unteren Grenze. Man muss jedoch vor allem vermeiden, dass das Geld so schlecht ausgegeben wird wie in den letzten Jahren», sagt Militärexperte Beni Gafner.

Tatsächlich wurden etliche Millionen von Franken für den Einkauf von Informatik verwendet, darunter 500 Computerprogramme, die untereinander nicht kompatibel sind, wie Verteidigungsminister Maurer eingeräumt hat. «Heute herrscht ein solches Chaos in der internen Kommunikation, dass das Heer im Ernstfall gar nicht mobilisierbar wäre», meint Gafner.

«Die Armee hat mit dem Führungsinformationssystem Heer (FIS Heer) wahrscheinlich 700 Millionen Franken verschleudert, weil dieses zwar mit dem Nato-System vereinbar, aber im Prinzip unbrauchbar ist», meint der Experte. FIS Heer erlaubt die Erfassung von Truppenbewegungen der Gegner, «doch wir wissen nicht, wer die Gegner sein könnten».

Strategien überarbeiten

Gafner ist überzeugt, dass die heutigen Probleme auf das Scheitern der Armeereform XXI zurückzuführen sind. Diese hatte im Jahr 2004 begonnen.

«Nach den Attentaten vom 11.September 2001 hat sich die Schweiz, wie andere europäische Staaten, unter dem Druck der USA auf eine Strategie der internationalen Kooperation eingelassen, ohne Mitglied der Nato zu werden. Doch das aktuelle Budget reicht nicht, um diese kostspielige Strategie der internationalen Kooperation zu finanzieren und die Truppen mit der nötigen Ausrüstung zu versehen.»

Laut Beni Gafner müssen Regierung und Parlament entscheiden, ob sie mit dieser Politik der internationalen Kooperation fortfahren wollen, oder ob sie eine autonomere, aber wahrscheinlich effizientere Verteidigungsstrategie verwirklichen wollen.

«Persönlich bin ich eher ein Anhänger der zweiten Variante. Die Erfahrungen in den letzten Jahren bei Einsätzen in Somalia, Afghanistan oder in Irak haben die Grenzen des internationalen militärischen Eingreifens unter US-Führung aufgezeigt. Die Schweiz sollte ihre Strategie daher auf ihr eigenes Land ausrichten, um auf allfällige und unerwartete Drohungen oder Ereignisse reagieren zu können.»

Armando Mombelli, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Während des Kalten Krieges verschlang die Schweizer Armee einen Drittel des Budgets der Eidgenossenschaft. Mit 700’000 Soldaten (mehr als 10% der Bevölkerung) stellte die kleine und neutrale Schweiz eine der grössten Armeen auf dem Kontinent.

Am 26. November 1989, nur wenige Tage nach dem Fall der Berliner Mauer, stimmte ein Drittel der Schweizer Stimmbürger der Volksinitiative zur Abschaffung der Armee zu. Dies war ein Schock für die politische Elite im Land. Die Schweizer Armee geriet seither zu einer ewigen Baustelle.

Das erste grosse Reformprojekt ‹Armee 95› führte in den 1990er-Jahren zu einer Reduktion des Bestands der Mannstärke auf 400’000. Mit der 2004 in Kraft getretenen Armeereform XXI ist die Zahl weiter auf 120’000 Aktivsoldaten und 80’000 Reservisten geschrumpft. Das Armeebudget erreicht nur noch einen Zehntel der Staatsausgaben.

Im Moment gibt die Schweiz zirka 4,1 Milliarden Franken im Jahr für ihre Sicherheitspolitik aus, davon 3,7 Milliarden für Ausrüstung und Infrastruktur der Armee. Gemäss Verteidigungsminister Ueli Maurer müsste die Armee zusätzlich 500 bis 700 Millionen Franken im Jahr erhalten, um ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen zu können.

Maurer hat in den letzten Wochen indes selber vorgeschlagen, auf den Kauf neuer Kampfflugzeuge zu verzichten, welche die veralteten F-5-Tigers ersetzen sollten.

Die Regierung hat zwar ihren Willen bekundet, die Luftwaffe zu erneuern, doch eine Investition von 2 Milliarden für den Kauf neuer Kampfflugzeuge scheint unwahrscheinlich – zumindest kurzfristig.

Gegen den Kauf neuer Kampfflugzeuge ist zudem eine Volksinitiative hängig.

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