Schweizer Armee unter Druck
Normalerweise ist die Genehmigung des Rüstungs-Programms in den Räten eine reine Formsache. Dieses Jahr jedoch schiessen sogar bürgerliche Parteien gegen die Einkaufsliste der Armee.
Am Dienstag debattiert die grosse Kammer über den Grosseinkauf.
647 Millionen Franken will die Armee ausgeben, um neues Material zu beschaffen. So sieht es die Regierung im Rüstungsprogramm 2004 vor. Doch dem allgemeinen Spardruck kann auch die früher oftmals unbehelligte Armee nicht ausweichen.
Konkret geht es im Rüstungsprogramm um die Beschaffung von zwei Transportflugzeugen, einem Dutzend Panzern, neuen «ballistischen» Helmen, Software und Simulatoren. Diese Anschaffungen dienen laut Botschaft der «materiellen Sicherstellung der Armee».
Ständerats-Kommission für Abspecken
Doch für die 12 Genie- und Minenräumpanzer sieht die vorberatende Sicherheitskommission des Ständerats keinen Bedarf. Sie kürzte daher das Rüstungsprogramm mit einer deutlichen Mehrheit um 129 Mio. Franken auf 518 Mio. Franken.
Noch weiter wollen mehrere Politiker von links bis rechts gehen: Sie stellen auch die beiden Transportflugzeuge in Frage, eine Tranche von 109 Mio. Franken Diese Flugzeuge sind vor allem für Einsätze im humanitären Bereich vorgesehen.
Viele offene Fragen
Daher fordert die Kommission des Ständerats vom Bundesrat nun eine Gesamtschau über die Gewichtung der Armeeaufträge und notwendigen Rüstungseinkäufe. Es fehle eine Planung über mehrere Jahre, bemängeln Militärpolitiker aus allen Lagern.
Allgemein steht die Schweizer Armee immer mehr unter finanziellem Druck. Das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) baut wegen der verkleinerten Armee bis Ende 2005 über 1000 Stellen ab, bis 2010 sind insgesamt 2500 Stellen betroffen. Eine heikle Zeit für Grossinvestitionen.
Auch um die Beschaffung eines Nachfolgers für die Tiger-Kampfjets für rund 4,5 Mrd. Franken ist schon vor dem Ende Jahr erwarteten Entscheid des Bundesrats eine Grundsatzdiskussion entbrannt.
Diese Forderungen kommen zu einem Zeitpunkt, in dem viele Fragen zur Zukunft der Armee so offen sind wie noch selten. Zur Debatte steht nämlich nichts weniger als die eigentliche Rolle der Schweizer Armee, die derzeit eine Identitätskrise durchmacht.
Leistungsauftrag gefordert
Braucht die Schweiz in Zukunft ein Miliz- oder ein Berufsheer? Soll dieses Heer noch der Verteidigung dienen oder mehr auf Ausland- und Katastrophen-Einsätze spezialisiert werden?
Sogar die Frage nach der allgemeinen Wehrpflicht gilt nicht mehr als Tabu, seit Verteidigungsminister Samuel Schmid sie im Sommer zur Diskussion gestellt hatte.
Gefordert ist einmal mehr die Politik. Dies jedenfalls ist die Meinung der Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitschrift ASMZ, die Mitte September einen dringenden Appell an das Parlament gerichtet hat.
Das Manko der Armee liege auf der strategisch-sicherheitspolitischen Ebene, so die Zeitschrift. Die Politik dürfe sich nicht damit begnügen, Finanzen oder Bestände festzulegen.
Vielmehr sei sie gefordert, klare Aussagen zu Verteidigungsauftrag, friedensfördernden Einsätzen, Neutralität und Unterstützung ziviler Sicherheitskräfte zu machen. Ohne Leistungsauftrag könne die Schweizer Armee nicht zielorientiert planen und handeln.
swissinfo, Christian Raaflaub
Kosten Rüstungsprogramm 2004: 647. Mio. Fr.
Umstritten sind 12 Genie- und Minenräumpanzer (129 Mio. Fr.) und 2 Transportflugzeuge (109 Mio. Fr.)
Die Schweizer Armee ist in einer Sinnkrise. Der «böse Feind» existiert nicht mehr. Der finanzielle Druck wächst zusehends.
Nun hat sogar das Rüstungsprogramm, ansonsten ein unbestrittener Durchwink-Posten, Mühe im Parlament.
Am Dienstag beschäftigt sich der Ständerat mit dem Rüstungsprogramm.
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