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Schweizer Aussenpolitik auf dem Prüfstand

Das weisse Kreuz auf rotem Grund, im Dialog mit den UNO-Fahnen in Genf. Keystone

Internationales Recht, Frieden und humanitäre Aktionen: Das sind die Schwerpunkte von Aussenministerin Calmy-Rey.

Damit die Anstrengungen von Erfolg gekrönt sind, braucht es einen langen Atem, und mehr Geld, meinen Experten. Eine Bilanz nach zwei Jahren.

«Ich habe versucht, unsere Aussenpolitik sichtbarer zu machen und ihr damit auf internationaler Ebene mehr Gewicht zu verschaffen.» Dieser Grundsatz ist auf der Internet-Seite von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey direkt neben ihrem Porträt hervorgehoben.

Das Credo der Vorsteherin des Departementes für äussere Angelegenheiten (EDA): Eine aktive Aussenpolitik betreiben, in deren Zentrum Friedensförderung, Völkerrecht, Menschenrechte und Armutsbekämpfung stehen.

In ihren zwei bisherigen Amtsjahren kann die Genfer Sozialdemokratin zweifellos einige aufsehenerregende Erfolge verbuchen, allen voran die so genannte Genfer Initiative.

Genfer Initiative als Vorzeige-Projekt

Dieser Vorschlag für einen Frieden zwischen Israel und dem palästinensischem Volk wurde von der Schweizer Diplomatie namhaft unterstützt. Dank der grossen internationalen Beachtung, welche die Genfer Initiative in der Medienöffentlichkeit fand, konnte die Schweiz ihre Rolle bei den internationalen Friedens-Bemühungen stärken.

Fred Tanner, Professor an der Universität Genf, wertet die diplomatische und logistische Unterstützung für eine Einigung auf Zypern ebenfalls als Erfolg. Dort geht es um eine Annäherung der zerstrittenen griechisch- und türkisch-stämmigen Inselbewohner.

Ziele nicht aus den Augen verlieren

Die diplomatischen Bemühungen haben aber in beiden Fällen noch nicht zum Abschluss eines offiziellen Friedensabkommens geführt. «Das EDA sollte die Ziele seiner Bemühungen noch besser formulieren», fordert Tanner.

«Das Aussenministerium wollte eine Debatte auslösen und einen Ausweg aus der aktuellen blockierten Situation weisen.» Ob ihr das gelungen sei, sei kurzfristig nur sehr schwer messbar, schränkt der Experte ein.

Weltweit anerkannt

Eines steht aber fest: Die Beharrlichkeit fordert oft einen Preis. Wie beispielsweise in Kolumbien: Die Schweiz, seit Jahren im Konflikt zwischen Rebellen und der Regierung vermittelnd, wurde jüngst zur offiziellen Vermittlerin zwischen den beiden Parteien ernannt.

Innerhalb der Vereinten Nationen (UNO) nimmt die Schweiz eine Stellung ein, die weit über ihre tatsächliche Grösse hinaus geht. So sieht es zumindest Alain Campiotti, New Yorker Korrespondent der Westschweizer Zeitung «Le Temps».

«Die Schweizer kennen die UNO-Maschinerie sehr gut und wissen sie sehr aktiv zu nutzen», so der Journalist. Namentlich strebe sie eine Reform der Menschenrechts-Kommission an. «Dafür braucht sie aber Unterstützung und die Fähigkeit, Allianzen zu bilden», so Campiotti.

Seilschaft am East River

Bei diesem und anderen Projekten zeigt sich laut dem Beobachter, dass die Schweiz und UNO-Generalsekretär Kofi Annan «die gleiche Wellenlänge» besitzen.

Für dieses gegenseitige Vertrauen stehe beispielsweise die Ernennung des Schweizers Nicolas Michel zum persönlichen juristischen Beraters Annans. Aufgabe des ehemaligen Rechtsprofessors ist es, den Generalsekretär in allen juristischen Fragen des internationalen Rechts zu beraten.

Unter dem Strich, so die Einschätzung Campiottis, agiere die Schweiz gleich erfolgreich wie Norwegen oder Schweden, beide seit der Gründung Mitglieder der UNO.

Die Schweizer Diplomatie erntet jetzt Erfolge, deren Samen schon vor Beginn der Ära Calmy-Rey und dem Schweizer UNO-Beitritt gesät worden waren. Zudem sind die Leistungen der Schweiz in der Domäne des internationalen Rechts traditionell anerkannt.

Nachhaltigkeit bedeutet Kosten

Wenn die Schweiz aussenpolitisch am Ball bleiben will, ist das aber mit Kosten verbunden. «Um fortgesetzte und nachhaltige Aktionen zu führen, sind im EDA zusätzliche Ressourcen nötig, sowohl finanzielle wie auch personelle», hält Fred Tanner fest.

«Die aktuelle Tendenz mit Budget- und Personalkürzungen zeigt aber in die Gegenrichtung. Zudem vermag die Diplomatenkarriere nicht mehr viele Studenten anzusprechen.»

Calmy-Rey hat deshalb stark auf die Schaffung eines Genfer Kompetenz-Pools im Bereich der internationalen Beziehungen gepocht.

Die Universität will vermehrt auch mit den in Genf ansässigen internationalen Organisationen und Nichtregierungs-Organisationen kooperieren.

Kompetenzzentrum für Aussenpolitik

Ziel der Zusammenarbeit ist es, die angehenden Diplomaten besser auszubilden. Das Kompetenzzentrum soll aber auch Aktionen der Schweizer Aussenpolitik unterstützen.

«Verschiedene Diplomaten haben sich bereits an uns gewendet, weil sie in bestimmten Dossiers die Unterstützung der Genfer Kompetenzzentrums in Anspruch nehmen wollen», sagt Michel Carton, der künftige Direktor des IUED.

«Bleibt bloss die Frage, welche Mittel dafür bereitgestellt werden. Die Signale dazu sind noch nicht klar, weder vom Bund noch vom Kanton Genf.»

swissinfo, Frédéric Burnand in Genf
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Künzi)

Im Budget 2005 sind 2,2 Mrd. Franken oder 4,7% für die internationalen Beziehungen reserviert.

Die Entwicklungshilfe macht 1,4 Mrd. aus, die politischen Beziehungen 820 Mio. Franken.

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