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Schweizer Cleantech im Land der Maharadschas

Die Abwässer, die den Fluss Yamuna in Delhi verunreinigen, könnten mit Schweizer Cleantech neutralisiert werden. Keystone

Im Bereich der sauberen Technologien verfügt die Schweiz über ein breites Wissen. Doch das ist international kaum bekannt. Solche Produkte und Dienste sollen über "Cleantech Switzerland" in strategische Märkte wie Indien exportiert werden.

«So etwas habe ich noch nie gesehen!», schreit der Taxifahrer, während er durch das Verkehrschaos der indischen Hauptstadt fährt. Seine Reaktion beruhigt mich: Ich bin also nicht der einzige, dem der ständige Regen in Neu Delhi auf den Nerv geht.

Als sein altes Gefährt, ein indischer Ambassador, die Brücke erreicht, die über den Fluss Yamuna führt, wird uns beiden klar, dass etwas nicht mehr stimmt.

Zahlreiche Baracken stehen bis zum Dach im Wasser. Ein Linienbus, sich selbst überlassen, versucht, den Fluten zu widerstehen. Vergeblich.

Die enormen Wassermassen haben die Bewohner der östlichen Peripherie der Hauptstadt gezwungen, in Zelten am Strassenrand Schutz zu suchen. «Schuld ist der Klimawandel», sagt der Taxifahrer.

Technologie exportieren

Das ausserordentlich schlechte Wetter, das die indische Hauptstadt in diesem Herbst heimgesucht hat, wirkt wie eine Alarmglocke. Das Klima ist daran, sich zu ändern. Die Notwendigkeit, neue Register zu ziehen, nimmt zu.

Herausgefordert durch eine aus den Fugen geratene Entwicklung seiner Städte, beginnt Indien zögerlich, Auswege im Bereich der erneuerbaren Energie zu suchen.

2009 zog der Inlandsektor im Cleantech-Bereich private Investitionen in der Höhe von rund 2,3 Mrd. Dollar an. Von diesem Wachstumsmarkt möchte auch die Schweiz profitieren. Um die Unternehmen zu unterstützen, die im Bereich Umwelttechnologie und erneuerbare Energie tätig sind, hat der Schweizer Aussenwirtschafts-Förderer Osec im Auftrag des Bundes eine Plattform «Cleantech Switzerland» entwickelt.

«Mit einer mit Datenbanken bestückten Internet-Site möchten wir schweizerischen Unternehmen helfen, sich auf jenen Weltmärkten zu positionieren, die am meisten versprechen,» sagt der operative Leiter der Plattform, Rolf Häner, gegenüber swissinfo.ch.

Wie beispielsweise Indien oder China. Über die Plattform soll eine Art Kontakt-Werk geschaffen werden, das vernetzt, vermittelt und vermarktet.

Verdreckte Gewässer und Abfall

Erst kürzlich war er in Indien, um die geeigneten Leute, Organisationen und Institute herauszufinden, die Schweizer Technologie aus diesem Bereich importieren könnten. Häner sieht in diesem Sektor ein grosses Potenzial in Indien.

«Bei der Solarenergie ist Indien schon ziemlich fortgeschritten. Es gibt aber noch Cleantech-Bereiche, wo Schweizer Unternehmen enorme Möglichkeiten offenstehen.» Häner denkt an Abwasserbehandlung, oder ans Einsammeln und Aufbereiten von Abfall.

Täglich generieren die urbanen Zentren laut der zentralen indischen Umwelt-Kontrollbehörde rund 33 Mrd. Liter Abwasser. Dem stehe eine Reinigungskapazität von nur 20% gegenüber.

«Auch im Bereich der Stadtplanung und der Energieeffizienz in Gebäuden können Schweizer Ingenieure und Architekten ihre Kompetenzen einbringen.»

Von Plastikabfall überschwemmt

Was den indischen Cleantech-Markt so interessant macht, sind nicht nur seine Wachstumsraten, die bis zu 15% pro Jahr erreichen.

Laut OSEC wird ein Viertel aller internationalen Projekte zur Reduktion von gefährlichen Emissionen in Indien realisiert. Die Regierung will ausserdem den Rückstand in Sachen Infrastrukturen beheben, besonders im Energiebereich. Das eröffnet ausländischen Investoren lukrative Möglichkeiten.

«Ich konnte mich persönlich davon überzeugen. Die Inder hungern förmlich nach sauberen Technologien» sagt Häner. «Dem steht ein riesiger Bedarf an Schulung gegenüber. Viele Inder kennen den Begriff Umweltschutz gar nicht. In Indien hat der Abfall nicht denselben Stellenwert, den er in der Schweiz besitzt.»

Er sei schockiert gewesen von den Unmengen an weggeworfenem Plastik – im Wissen, dass in der Schweiz 95% davon wiederverwendet werde.

Auch Cleantech, nicht nur Käse

Ausser der Förderung auf internationalen Märkten möchte die Osec-Plattform die Schweiz als «Cleantech-Nation» international positionieren.

Das Land besitze ein breites Wissen in Forschung und Alltag, was Cleantech betreffe, so die Osec, und verfüge über höchst innovative kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) in diesem Bereich.

«Unsere Cleantech-Potenzial wird aber nicht richtig ausgenützt,» so Häner. «viele Schweizer KMU sind sich gar nicht bewusst, dass sie auch auf internationalem Niveau konkurrenzfähig sind.»

Im Sektor für saubere Technologien arbeiten zur Zeit 160’000 Personen, respektive 4,5% aller in der Schweiz Beschäftigten. Der Branchenumsatz beträgt rund 20 Mrd. Franken – was etwa 3,5% des Bruttoinlandprodukts entspricht.

«An der Präsentation vor möglichen indischen Partnern zeigte ich ein Bild, wo Leute im Rhein bei Basel baden. Die Gäste waren äusserst erstaunt, als ich hinzufügte, dass Basel auch der Sitz vieler Pharma- und Chemieunternehmen wie der Novartis ist.»

Die Cleantech-Plattform der Osec soll deshalb auch die Sichtbarkeit der Schweiz erhöhen: «Wir sind nicht nur das Land der Schokolade und des Käses, sondern auch der sauberen Technologien.»

Häner sei überzeugt, Lösungen zu finden, die den KMU das Exportieren erleichtere und es Indien ermögliche, seine Entwicklung nachhaltiger an die Hand zu nehmen.

Cleantech ist ein branchenübergreifendes Wirtschaftssegment.

Es vereinigt alle Aktivitäten zum schonenden Umgang mit den natürlichen Ressourcen.

Dazu gehören erneuerbare Energien, Energie- und Rohstoffeffizienz, erneuerbare Materialien, Abfallwirtschaft, saubere Produktionsprozesse oder Wasserwirtschaft.

Cleantech umfasst eine Vielzahl von Teilbereichen:

Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und -speicherung, erneuerbare Materialien, Ressourcen- und Materialeffizienz (inkl. Abfallwirtschaft und Recycling), nachhaltige Wasserwirtschaft, nachhaltige Mobilität, nachhaltige Land- und Forstwirtschaft, weisse Biotechnologie, Umwelttechnik im engeren Sinn (inkl. Messtechnik, Altlastensanierung, Filtertechnik).

Die Osec hat folgende Cleantech-Märkte ausgemacht:

Indien, China, Golfstaaten, Nordamerika, einige europäische Länder wie Deutschland, Frankreich, Polen, Niederlande und Spanien.

Die entwickelteren Länder zielen vor allem auf Cleantech im Bereich Energieproduktion und -transport.

Schwellenländer priorisieren Luftreinigung, Abwasseraufbereitung und Abfallbeseitigung.

Die Cleantech-Weltmärkte werden bis 2020 ein Volumen von über 3300 Mrd. Franken erreichen.

Das entspricht 6% des Welt-BIP.

Zur Zeit am dynamischsten entwickeln sich erneuerbare Energien und Materialeffizienz.

(Übertragen aus dem Italienischen: Alexander Künzle)

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