Schweizer Diaspora: «Yes we can!»
Die Fünfte Schweiz akzeptiert keine Ausreden mehr: Das so genannte Parlament der Diaspora hat einen Entwurf für ein Auslandschweizer-Gesetz angenommen, welches die Politik des Bundes gegenüber der Auslandsgemeinde regeln soll.
Der Auslandschweizer-Rat (ASR) trat einen Tag vor Beginn des 88. Auslandschweizer-Kongresses in St. Gallen zu seiner zweiten Sitzung des Jahres zusammen.
Fast 50 Jahre ist es her, dass der ASR ebenfalls in St. Gallen die Schaffung eines Auslandschweizer-Artikels in der Bundesverfassung angestossen hatte. Er wurde fünf Jahre später realisiert.
Nun soll die Beziehung zwischen dem Bund und der Auslandsgemeinde in einem Gesetz festgeschrieben werden. Ein Entwurf wurde nun im St. Galler Regierungsgebäude diskutiert und schliesslich verabschiedet.
«Jetzt ist der richtige Moment, um über dieses Gesetz zu reden», sagte Ständerat Filippo Lombardi gegenüber swissinfo.ch.
Doch warum ist das Thema erst jetzt im ASR aktuell? Lombardi meinte, erst seit kurzer Zeit seien genügend Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in den Stimmregistern eingetragen, um eine gewisse politische Bedeutung zu haben.
«Man hat sie also bis jetzt nicht genügend ernst genommen, weil sie zu wenig politisches Gewicht hatten im Vergleich mit anderen Interessen, die unter der Bundeshauskuppel vertreten werden.»
In den letzten Jahren sei eine Änderung in der Wahrnehmung der Fünften Schweiz festzustellen, erklärte der Tessiner Vertreter der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) in der kleinen Parlamentskammer. «Auch die Parteien und einige Nationalräte entdecken die Auslandsgemeinde. Der Fortschritt ist da, jetzt müssen wir weiter in diese Richtung gehen.»
Aufwertung der ASO
Das vorgeschlagene Gesetz solle «die Zuständigkeiten bündeln, die Massnahmen koordinieren und damit die Voraussetzungen schaffen zu einer besseren Nutzung möglicher Synergien in der Auslandschweizer-Politik», präzisierte ASR-Präsident Jacques-Simon Eggly vor dem Plenum der 91 Abgeordneten.
Das Ziel sei es, mit diesem Gesetz auch die Auslandschweizer-Organisation (ASO) und den ASR aufzuwerten, betonte Eggly. Daher gelte für dieses und andere Projekte jetzt die Obama-Devise «yes we can!».
Botschaft in einem Jahr
Und diesmal soll es schneller vorwärts gehen als beim Verfassungsartikel. Bereits in einem Jahr will Lombardi eine entsprechende Botschaft an den Bundesrat überweisen.
«Und falls der Bundesrat die Botschaft ablehnt, werden wir mit einer Parlamentarischen Initiative für Nachdruck sorgen», ergänzte er.
Doch bis das Gesetz schliesslich vom Parlament abgesegnet ist, kann es lange dauern. Das wissen auch die Leute von der ASO: «Es bedarf eines langen Atems», erklärte Eggly zu Beginn der Versammlung. Das Gesetz sei ein «ambitiöses Projekt».
Das Gesetz
Konkret sieht das Gesetz vor, dass einerseits die Beziehungen der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer untereinander und zur Schweiz gefördert werden sollen.
Andererseits wird der Bund aufgefordert, seine Politik gegenüber den ständig im Ausland lebenden Schweizerinnen und Schweizern zu regeln.
Zudem soll auch die «internationale Mobilität der Schweizerinnen und Schweizer» erleichtert und die «internationale Präsenz der Schweiz dank des Netzwerks von im Ausland lebenden Schweizer Bürgerinnen und Bürgern» verstärkt werden.
Weiter soll unter anderem auch der Informationsauftrag der Schweizer Revue und von swissinfo.ch für die Auslandsgemeinde im Gesetz festgeschrieben werden.
Der Gesetzesentwurf wurde am späteren Nachmittag nach einiger Diskussion schliesslich mit nur einer Gegenstimme angenommen.
Die Auslandschweizer-Organisation ASO wurde 1916 gegründet. Sie vertritt in der Schweiz die Interessen der Fünften Schweiz und wird als Sprachrohr der Schweizer im Ausland verstanden.
Der Auslandschweizer-Rat auch «Parlament der Fünften Schweiz» genannt. Er tagt zwei Mal im Jahr, einmal im Frühling, zum zweiten Mal jeweils während des Auslandschweizer-Kongresses im Sommer.
Am Kongress der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer im Sommer kommen jeweils rund 500 Expats in der Schweiz zusammen.
Der Kongress widmet sich immer einem aktuellen Thema. Es wird diskutiert und informiert. Auch geselliges Zusammensein darf nicht fehlen.
Der diesjährige Kongress findet am 21. August in St. Gallen statt.
Gegenwärtig leben rund 700’000 Schweizerinnen und Schweizer im Ausland. Das jährliche Wachstum beträgt fast 2%. Dies entspricht rund 10% der Bevölkerung der Schweiz.
Ungefähr drei Viertel der Auslandlandschweizer leben in den Ländern der Europäischen Union und der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA). Es gibt nur sieben Länder, in denen keine Schweizer Bürger leben.
Rund 130’000 Auslandschweizerinnen und –schweizer oder rund 23% all derjenigen, welche wählen und abstimmen dürfen, sind in Wahlregister eingetragen und nehmen an eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen teil.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch