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Schweizer Engagement in Zentralasien

Seit einem Jahrzehnt unterstützt die Schweiz Zentralasien auf dem Weg in die Marktwirtschaft. swissinfo.ch

Helvetistan wird die Ländergruppe genannt, der die Schweiz in den internationalen Finanz-Institutionen vorsteht.

Seit 1992 betreibt die Schweiz für diese Länder des ehemaligen Ostblocks ein grosses Hilfs-Programm, um sie auf dem Weg in die Marktwirtschaft zu unterstützen.

Das Schicksal mehrerer Republiken in Zentralasien ist seit Anfang der 90er-Jahre eng mit der Schweiz verbunden. Man spricht gar von Helvetistan, um die Ländergruppe zu beschreiben, welcher die Schweiz in der Weltbank (WB), dem Internationalen Währungsfonds (IWF) – den Bretton Woods Institutionen – und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) vorsteht.

Diese sprachliche Wendung hat also ihren Ursprung nicht in der Ähnlichkeit der Schweizer Alpen mit den Bergen Zentralasiens. Die Namensnennung folgte dem Schweizer Engagement in dieser Region, das mit dem Zusammenbuch der Sowjetunion im Jahre 1991 verknüpft ist.

Zu dieser Zeit suchte die Schweiz einen Weg, Einsitz zu nehmen in den Räten von WB und IWF.

«Als kleines Land fragte sich die Schweiz, ob sie sich an eine bestehende Stimmrechtsgruppe anschliessen soll oder ob sie eine neue Gruppe gründen soll», erinnert sich Bernhard Gasser, Mitarbeiter des Staatsekretariats für Wirtschaft (seco).

Schicksalsjahr 1992

Just in dieser Epoche wurden die geopolitischen Kräfte weltweit neu geordnet. Ein neues Europa entstand nach dem Fall des Eisernen Vorhanges 1989. Aber vor allem führte der Zusammenbruch der Sowjetunion zu einer ganzen Reihe von Unabhängigkeits-Erklärungen junger Republiken. Diese sollten das definitive Ende von 40 Jahren Kalten Krieges markieren.

Eigentlich wollten die zentralasiatischen Republiken nichts vom Zerfall des Riesenreichs der UdSSR wissen: Dieser bedeutete für sie vor allem ein Ende der Entwicklung, welche Moskau fast 80 Jahre lang finanziert hatte.

Gut beraten, setzte sich der damalige sozialdemokratische Schweizer Finanzminister Otto Stich in den Kopf, diese jungen Republiken zu überzeugen, sich einer Stimmrechtsgruppe unter der Präsidentschaft der Schweiz anzuschliessen. Diese würde deren Interessen in den Bretton Woods Institutionen am besten vertreten.

Im Jahre 1992 wurde dann Helvetistan geboren. Es bestand damals aus der Schweiz selber, Usbekistan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Aserbaidschan und Polen.

Die Schweiz unterstützt seither alle diese Länder auf dem Weg von der Planwirtschaft in die Marktwirtschaft, die sich bereit machte, auch in diesen Ländern Einzug zu halten.

Ende 2000 trat auch die damalige Republik Jugoslawien der Stimmrechtsgruppe Helvetistan bei.

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«Diese Länder wurden auch von andern umworben», erklärt Denis Knobel von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA). «Aber das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit der Schweiz haben es ihr erlaubt, diese Angelegenheit erfolgreich für sich zu entscheiden.»

Wie dem auch sei, um im Namen von beispielsweise Usbekistan sprechen zu können, muss die Schweiz die Gegebenheiten in diesem Land genau kennen.

Dafür hat sich die offizielle Schweiz in diesen Ländern regelrecht angesiedelt und Büros in Bischkek in Kirgisistan, Duschanbe in Tadschikistan und Taschkent in Usbekistan eröffnet.

Durch seco und DEZA finanziert die Schweiz Projekte, die von der Förderung der Demokratie, der Verbesserung des Wasser-Managements oder der Modernisierung der Landwirtschaft bis hin zur Förderung von Kleinunternehmen reicht.

Erfolge in engen Grenzen

Zehn Jahre, nachdem diese Projekte angelaufen sind, beurteilt Gasser vom seco die Ergebnisse zwiespältig. «Der Prozess der Transition dauert viel länger als wir uns das vorgestellt haben, und wir haben noch keine wirklich grossen Erfolge erzielt», sagt er.

Kirgisistan weist unterdessen eine gewisse makroökonomische Stabilität auf, muss aber auf politischer Ebene nachziehen. Tadschikistan, das unter einem fünfjährigen Bürgerkrieg litt, begann sich erst in den letzten Monaten zu normalisieren. Turkmenistan und Usbekistan werden von einem politischen Regime charakterisiert, das im besten Fall als autoritär bezeichnet werden kann.

Jedes dieser Länder hat seine Eigenheiten behalten und muss einen eigenen Weg finden, die Phase des Umbruchs abzuschliessen. Manchmal bremsen auch die bestehenden Strukturen diesen Prozess. «Wir können ihnen nicht diktieren, was sie machen müssen», meint Knobel vom der DEZA.

Der Beitritt Polens in die Europäische Union (EU) im Jahr 2004 beweist allerdings, dass dieses Land in derselben Zeit grössere Fortschritte gemacht hat als andere Länder Helvetistans.

Eine echte Schweizer Identität

Das Jahrzehnt, seit dem die Schweiz in Zentralasien tätig ist, hat es ihr erlaubt, eine starke Identität in einer Region aufzubauen, die ihr bis dahin völlig fremd war.

«Dank unserer Präsenz und unserer Langzeit-Unterstützung haben wir es geschafft, echte Vertrauensverhältnisse mit diesen Ländern zu knüpfen. Die Schweizer Projekte unterscheiden sich deutlich von jenen anderer Länder», freut sich Knobel.

Ein Schatten droht aber dennoch auf das Schweizer Engagement in Zentralasien zu fallen: Jeder Transitions-Prozess hat einen Anfang und ein Ende. Das Ausbleiben konkreter Resultate in den kommenden zehn oder fünfzehn Jahren würde den Wert der Schweizer Bemühungen ernsthaft gefährden.

swissinfo, Jean-Didier Revoin
(Übertragung aus dem Französischen: Philippe Kropf)

Helvetistan umfasst neben der Schweiz, Usbekistan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Aserbaidschan, Polen und seit 2000 Jugoslawien.

Seit einem knappen Jahrzehnt besteht die spezielle Beziehung der Schweiz zu den zentralasiatischen Repbubliken.

Im Herbst 2003 reisten vier Journalisten von swissinfo/SRI durch Kirgisistan und Usbekisten, um die Auswirkungen des Schweizer Engagements zu beleuchten.

Sie besuchten Projekte von DEZA und seco, die von der Konfliktprävention über die Kulturförderung hin zu Infrastruktur-Projekten fürs Wassermanagement oder das Gesundheitswesen reichten.

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