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Schweizer Messer bricht alle Rekorde

Braucht viel Platz im Hosensack: Das Sackmesser Grösse XXL: 87 Werkzeuge und 1,34 kg Gewicht. Keystone

Das Riesen-Sackmesser der Schweizerfirma Wenger SA hat im Guinness-Buch der Weltrekorde den Titel "most mulitfunctional penknife" geholt.

Der Titel verleiht dem Produkt viel Publizität. Ungewiss ist aber, ob sich die Schweizer Armee überzeugen lässt, sich weiterhin beim Schweizer Messerhersteller einzudecken.

Im Werbespot präsentiert Firmenchef Peter Hug vor der blau-weissen Auszeichnung das berühmt gewordene Messer der Grösse XXL. Es braucht schon zwei Hände, um das stachelige Ding zu halten.

Es ist mit 87 Werkzeugen und 141 Funktionen ausgestattet, also mit dem gesamten Werkzeug-Sortiment des traditionsreichen Messerproduzenten aus Delsberg im Kanton Jura. Aber weil es 1,345 Kilogramm wiegt, hat es kaum eine Chance, im Gepäck der Schweizer Soldaten das Militärmesser zu ersetzen, das die Wenger AG seit 1901 liefert.

16 Stunden Handarbeit

«Das ursprüngliche Ziel war es, diese Spitzenleistung zu erbringen», sagt Michel Luterbach, der Verantwortliche für den Schweizer Markt, gegenüber swissinfo. «Nun verwenden wir es eher bei Ausstellungen als Blickfang.»

Die Sammler begannen sich bei einer Ausstellung in den USA im Jahr 2005 für das Modell zu interessieren. Wenger hatte sich ausnahmsweise bereit erklärt, für einen leidenschaftlichen Sammler ein Exemplar herzustellen, dann sind andere gefolgt.

Heute sind zwei Mitarbeiter der Firma Wenger mit der Montage des Messers beschäftigt. Für diese Handarbeit benötigen sie acht Stunden pro Exemplar. Lupe, Bussole, Imbusschlüssel, Ahle, Zange, Laserpointer, usw.

Das ganze ist in einem Holzgehäuse gemeinsam mit dem Zertifikat für den Guinness-Weltrekord für 990 Franken erhältlich. Verfügbar ist es allerdings nur in einer limitierten, nicht veröffentlichten Stückzahl und nur bei gewissen spezialisierten Schneidwarenhändlern.

Im Handgepäck verboten

Der Guinness Weltrekord könnte dazu beitragen, das Wappenschild mit dem weissen Kreuz auf dem mythischen Schweizer Messer, das nach dem Attentat des 11. Septembers 2001 viel Schaden genommen hatte, wieder zu vergolden. Seit dem es Flugpassagieren verboten ist, spitze Gegenstände im Handgepäck mitzuführen, sind die Verkaufszahlen der Schweizer Messerproduzenten Victorinox und Wenger um 15 bis 20% eingebrochen.

Die beiden Konkurrenten haben sich 2005 zusammengeschlossen, um auf dem internationalen Markt zu bestehen. Auf dem Inlandmarkt hat die Schweizer Firma derzeit einen schweren Stand. Im Juli hat nämlich die Schweizer Armee, ohne ihre bisherigen Lieferanten im Voraus zu informieren, erklärt, dass sie das seit 1961 im helvetischen Dienst stehende Taschenmesser durch ein moderneres und sichereres Instrument zu ersetzen gedenkt.

Produktion im Ausland?

Die Armee hat den Auftrag für eine erste Serie von 65’000 Exemplaren international ausgeschrieben. Das hat im Land Emotionen ausgelöst. Bereits sind 7000 Unterschriften für eine Petition gesammelt worden. Diese fordert, dass die Produktion in der Schweiz bleibt.

Initiant der Petition ist der ehemalige Oberst Alois Kessler. «Stellen Sie sich einen Schweizer Soldaten vor mit einem Messer mit dem Schweizerkreuz und unten steht «Made in China».

Armee-Sprecher Felix Endrich weist darauf hin, dass die Armee bei einem Einkauf über einen Wert von 250’000 Franken «die Produktion international ausschreiben muss». Bei einem Stückpreis von 18 Franken beläuft sich das Auftragsvolumen für die erste Lieferung auf 1,17 Mio. Franken.

swissinfo, Isabelle Eichenberger
(Übertragung aus dem Französischen: Andreas Keiser und Peter Siegenthaler)

1891: Die 1884 in Ibach (Kanton Schwyz) gegründete Firma Victorinox beginnt damit, Messer für die Armee zu liefern. Die Firma hat in diesem Bereich heute einen Marktanteil von 70%.

1901: Auch die Firma Wenger in Delsberg (Kanton Jura) wird Messer-Lieferant der Armee. Sie hält einen Marktanteil von 30%.

Das erste Schweizer Armee-Messer hatte einen Griff aus Holz, eine Klinge, einen Schraubenzieher, eine Ahle und einen Flaschenöffner.

Das aktuelle Modell besteht aus Aluminium und trägt in der Armeeversion ein weisses Kreuz und in der zivilen Version ein rotes Kreuz.

1992: Das Schweizer Armee-Messer wird von der NASA zum 1. Mal im Weltraum eingesetzt.

2005: Wenger wird von Victorinox übernommen. Die beiden Marken bleiben bestehen. Die Gruppe beschäftigt 1500 Personen (200 bei Wenger) und generiert einen Jahresumsatz von rund 400 Millionen Franken.

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