Schweizer Milliardäre kämpfen gegen neue EU-Abkommen
Die Verhandlungen zu neuen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU sind auf der Zielgeraden. Doch die «Kompass-Initiative» will die Hürde für die neuen Verträge zwischen der Schweiz erhöhen. Die «Rundschau» hat die milliardenschweren Initianten in den letzten Wochen begleitet.
Ein Donnerstagnachmittag im November. In Schindellegi im Kanton Schwyz rollt ein Porsche aus einer Tiefgarage. Urs Wietlisbach macht sich auf den Weg nach Schaffhausen, zu einem seiner vielen Vorträge diesen Herbst. Von Saal zu Saal, mit einer Botschaft: Die Schweiz soll sich nicht weiter an die EU anbinden.
Was ihn antreibe, sei die Sorge um die Schweiz: «Ich habe Angst, dass wir die grosse Bürokratie von der EU importieren und uns runternivellieren auf das EU-Niveau.» Die Schweiz sei heute in allem besser als die EU-Staaten, ist Wietlisbach überzeugt, doppelt so hohes Einkommen, halb so hohe Schulden.
Die Kompass-Initiative verlangt, das wichtige Staatsverträge von Volk und Ständen abgesegnet werden müssen. Das Ziel dahinter ist die Verhinderung der neuen Abkommen mit der EU, wie sie der Bund derzeit mit Brüssel am Aushandeln ist. Im Zentrum steht laut Website die Verhinderung der «dynamischen Rechtsübernahme».
«Wenn wir näher an die EU rücken, dann kommen wir in das gleiche Fahrwasser.» Daher lehnen Wietlisbach und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter die neuen Verträge ab, die derzeit zwischen Brüssel und der Schweiz ausgehandelt werden.
Mit markigen Worten argumentiert Wietlisbach in Schaffhausen vor rund hundert Zuhörenden, warum die Verträge seiner Meinung nach eine Gefahr für Wettbewerbsstandort und Selbstbestimmung der Schweiz seien: «Man will uns mit dieser dynamischen Rechtsübernahme institutionell unter die EU drücken.» Runternivellieren, das Wort fällt immer wieder. Es ist von fremden Richtern die Rede, von fremdem Recht, das in die Schweiz geholt werde. Dann lieber weniger Zugang zum EU-Binnenmarkt statt einer derartigen Unterwerfung, argumentiert Wietlisbach.
Wirtschaftliche Faktoren werden nicht berücksichtigt
Ganz anders als die Kompass-Initianten sieht es Unternehmerin Eva Jaisli. Die Firma PB Swiss Tools stellt Schraubwerkzeuge und medizinische Spezialinstrumente her. 70 Prozent gehen in den Export, zwei Drittel davon in die EU. «Die Initianten kennen und berücksichtigen die wirtschaftlichen Faktoren der Schweizer Tech-Branche nicht», sagt Verwaltungsratspräsidentin Jaisli. Die Export-Tätigkeit stärke die Innovationskraft – und sichere damit Arbeits- und Ausbildungsplätze.
Seit die Schweiz mit der EU Bilaterale Verträge habe, sei das Bruttoinlandprodukt laufend gewachsen. Führe man diese nicht fort, würden sich ganz viele, insbesondere auch Schweizer Tech-Industrieunternehmen überlegen, in den EU-Binnenmarkt produzieren zu gehen. «Dann haben wir eine Abwanderung von Ausbildungsplätzen, dann haben wir eine Abwanderung von Know-How und Innovation. Das ist nicht das, was wir wollen.»
Wenige Anbindungen positiv für die Schweiz
Für die Kompass-Initianten floriert die Schweiz, gerade weil es keine weitergehende Anbindung gibt. «Die Schweiz ist in Europa das absolute Erfolgsmodell», sagt Alfred Gantner, Geschäftspartner von Urs Wietlisbach und Mitinitiant. Dass er als reicher Unternehmer in der Finanzbranche da mitreden kann, ist für ihn klar.
«Wir hören immer wieder, Unternehmer würden sich zu wenig engagieren.» Bei Kompass Europa seien nun schon über 3000 Leute, viele davon Unternehmer, die sich ins Zeug legten, «und dann schauen es viele auch wieder als verdächtig an.»
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