Schweizer Osthilfe auf Kurs
Die Schweiz zieht eine positive Zwischenbilanz zu den Kohäsionsbeiträgen an die EU-Osterweiterung. Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann zeigte sich zuversichtlich, dass die zugesagten Mittel trotz Krise bis Mitte 2012 verpflichtet werden könnten.
«Die Schweiz war das erste Land, das Polen nach dem Fall des ‹Eisernen Vorhangs› unterstützte. Die 489 Millionen Franken, die sie zum Ausgleich der Ungleichheiten meines Landes zu den anderen EU-Mitgliedstaaten einsetzt, werden auch zu deren Einschränkung in Polen selber beitragen.»
Dies erklärte die polnische Ministerin für regionale Entwicklung, Elzbieta Bienkowska, am Freitag an der Jahreskonferenz der Schweizer Ostzusammenarbeit in Aarau, an der 350 Personen teilnahmen.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) und die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) sprachen von «befriedigenden Resultaten» der Hilfe an die zehn osteuropäischen EU-Länder Polen, Ungarn, Slowenien, Slowakei, Tschechien, Estland, Lettland, Litauen, Zypern und Malta.
Gleichzeitig wurde an der Konferenz der neue EU-Osterweiterungs-Beitrag der Schweiz an Bulgarien (76 Mio. Franken) und Rumänien (181 Mio. Franken) präsentiert.
Ein zufriedener Wirtschaftsminister
Nach rund dreieinhalb Jahren – einem Drittel der Wegstrecke – habe die Schweiz 84 Projekte definitiv und 74 Projekte provisorisch genehmigt, sagte Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann.
Der Bundesrat strich die rasche Zunahme der Schweizer Exporte in die neuen EU-Mitgliedsstaaten hervor. So habe die Schweiz 2009 mit Polen einen Warenaustausch von drei Milliarden Franken gehabt. Dies sei gleich viel wie mit Russland, Brasilien oder Indien.
Das Handelsvolumen mit allen Staaten der Osterweiterung belief sich 2009 gemäss Schneider-Ammann auf mehr als zehn Milliarden Franken. Dies entspreche dem Schweizer Handelsvolumen mit China.
Die Schweiz geht ihren eigenen Weg
Gegenüber den Mammut-Programmen der EU (67 Milliarden Euro für die Periode 2007-2013) ist der Beitrag der Schweiz dazu minim: nicht mehr als 0,5%.
Als Nichtmitglied der EU zeigt sich die Schweiz solidarisch, was ihr auch erlaubt, Verbindungen zu den neuen Partnern via bilaterale Rahmenabkommen zu knüpfen. Deshalb zieht es die Schweiz vor, eher von einem «Beitrag zur Osterweiterung» als von einem «Kohäsionsfonds», der von der EU verwaltet wird, zu sprechen.
Nachdem die Schweiz mit Brüssel ein «Memorandum of Understanding» zur Definierung ihrer Hauptausrichtungen unterzeichnet hat, verfolgt sie ihren eigenen Weg, verwirkllicht aber dennoch die Projekte und Programme der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR).
Die Schweizer Projekte betreffen Bereiche, in denen Bern Erfahrung hat: Hilfe beim Übergang zu demokratischen, pluralistischen Systemen, Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung, die sich an marktwirtschaftlichen, sozialen und umweltschonenden Prinzipien orientiert, sowie Unterstützung in Forschung und Bildung.
Generell werden die Projektvorschläge von öffentlichen Einrichtungen, nationalen oder internationalen Institutionen und Nichtregierungs-Organisationen unterbreitet.
Deza-Chef Martin Dahinden erklärte, bei der Auswahl der Projekte sei das Know-how der Schweiz wichtig. «Dies erhöht die Chancen der Schweizer Unternehmen, Aufträge zu erhalten.»
Die Schweiz vor Ort
Für die Verwirklichung der Projekte vor Ort sind das Seco und die Deza zuständig. Dazu wurden Büros in Warschau, Riga, Prag, Budapest und Bukarest eröffnet.
Heinz Kaufmann ist der Verantwortliche für das Büro in der polnischen Hauptstadt. Von swissinfo.ch telefonisch kontaktiert, sagt er, man habe einen Kompromiss finden müssen. «Unsere Ausführung sieht die Zustimmung beider Partner für jedes einzelne Projekt vor.»
Die Schweiz habe ein System mit zwei Etappen gewählt. «Wir verlangen zuerst eine Kurzbeschreibung der Ziele und der Wichtigkeit eines Projektes. Dann begibt man sich systematisch vor Ort, um ja oder nein zu entscheiden. Schliesslich lädt man die Partner ein, um den definitiven Vorschlag zu fassen», erklärt Kaufmann.
«Dieses System ist nicht gerade das schnellste, dafür aber sehr solide, und es setzt die Partner in ihre Verantwortung. Das wird übrigens eher geschätzt. Zuerst finanziert der Partner das Projekt, und wir begleichen dann die Kosten», so Kaufmann.
Polen – der privilegierte Partner
Polen ist mit 40% des ganzen Budgets der Hauptpartner der Schweiz. «Mit 40 Millionen Einwohnern ist Polen das wichtigste Land», betont Kaufmann. «Wir haben uns von der Methode und den Kriterien Norwegens, ebenfalls ein privilegierter Partner Polens, inspirieren lassen. Unsere Philosophie ist ähnlich, besonders in Sachen hohem Niveau der Qualitätskriterien und deren Befolgung.»
Deza-Chef Dahinden betonte an der Konferenz in Aarau ebenfalls die Wichtigkeit, «ein gutes Kontrollsystem zu errichten». Damit könnten Probleme von Korruption verhindert werden.
Die Schweiz engagiert sich seit ddem Fall der Mauer 1989 in der Ostzusammenarbeit.
2006 hat das Schweizer Stimmvolk das Bundesgesetz über die Schweizer Ostzusammenarbeit angenommen.
Auf dieser Basis hat das Parlament dem entsprechenden Rahmenkredit von einer Milliarde Franken zugestimmt.
Der Kredit finanziert Projekte zur Einschränkung der sozio-ökonomischen Ungleichheiten in den zehn Ländern, die 2004 der EU beigetreten sind (Polen, Ungarn, Slowenien, Slowakei, Tschechien, Estland, Lettland, Litauen, Zypern und Malta).
Ein zusätzlicher Beitrag von 257 Millionen Franken bis 2014 wurde für Rumänien und Bulgarien beschlossen, die 2007 der EU beitraten.
Die Projekte werden von den Partnerländern und der Schweiz von jetzt bis Juni 2012 gutgeheissen, für Bulgarien und Rumänien von jetzt bis Dezember 2014. Die Auszahlungen werden sich bis Juni 2017 und Ende 2019 erstrecken.
Die Projekte betreffen vier Bereiche: Sicherheit, Stabilität und Unterstützung von Reformen; Umwelt und Infrastrukturen; Förderung des Privatsektors sowie humane und soziale Entwicklung.
Die Frage, ob die EU von der Schweiz einen weiteren Beitrag fordert, sei zur Zeit noch offen, gab der Sprecher des Aussendepartementes EDA am Freitag bekannt.
(Übertragung aus dem Französischen: Jean-Michel Berthoud)
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