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Schweizer Parlament: billig und trotzdem effizient

Für 80'000 Franken Jahreslohn verbringen Nationalräte viel Zeit in Kommissionen. Keystone

Das Schweizer Parlament arbeitet - im Vergleich mit Parlamenten anderer Industrie-Staaten - billig aber auch nicht sehr professionell: Das ist das Fazit einer Studie der Uni Bern.

Die Schweizer Miliz-Parlamentarier verabschieden aber nicht weniger Geschäfte als ihre vollprofessionellen Kollegen.

«Die Schweiz hat das kostengünstigste Parlament im Vergleich», sagte Ruth Lüthi von den Parlamentsdiensten gegenüber swissinfo.

Die Parlamentsdienste haben beim Institut für Politikwissenschaften der Universität Bern eine Studie in Auftrag gegeben, welche die Professionalisierung der grossen Parlaments-Kammern von 20 Ländern der Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) verglich. Darunter waren neben europäischen Ländern die USA, Kanada, Australien, Neuseeland.

Die meiste Arbeit passiert in den Kommissionen

«Die Studie zeigt auch, dass das Schweizer Parlament ein sehr arbeitsintensives Parlament ist», sagt Lüthi, die bei den Parlamentsdiensten stellvertretende Sekretärin der staatspolitischen Kommission (SPK) ist.

Dabei sei der Zeitaufwand für die Sitzungen im Nationalratssaal im Vergleich zum Aufwand in den Kommissionen viel kleiner. «In den Schweizer Kommissionen wird mehr gearbeitet, als zum Teil in jenen im Ausland.»

Das Schweizer Parlament besteht, im Gegensatz zu den meisten andern Legislativen, nicht aus vollprofessionellen Politikerinnen und Politikern. Wer ins Parlament gewählt wird, bleibt weiterhin in seinem Beruf tätig. Entsprechend geringer ist ihre Entlöhnung.

Weniger Geld und wenig Ressourcen

Verglichen mit ihren Kolleginnen und Kollegen verdienen Schweizer Parlaments-Abgeordnete am zweitwenigsten. Neben den Grundeinkommen der Schweizer Parlamentarier sind auch die Pensionsregelungen und Übergangsgelder weniger gut ausgebaut.

Auch im Bereich der personellen und materiellen Ressourcen haben
die Schweizer Abgeordneten weniger attraktive Arbeitsbedingungen.

Mit den grosszügigen Spesenentschädigungen würden die geringen
Einkommen allerdings bis zu einem gewissen Grad kompensiert, hält die Studie fest.

Politik lässt Zeit für anderes

«Die Schweizer Parlamentsmitglieder sind nicht so schlecht bezahlt», schränkt Lüthi ein. «Aber sie werden bei ihrer Arbeit weniger unterstützt als in andern Ländern. So könnten die Parlamentsdienste zwar Dokumentationen erstellen, aber beispielsweise keine Hilfe beim Redenschreiben anbieten.

Das bestätigt auch Laura Sadis von der Liberalen Partei: «Das Milizsystem lässt uns nicht genug Zeit, um die Dossier-Kenntnisse zu vertiefen.» Die Tessiner Nationalrätin ergänzt gegenüber swissinfo: «Auf der andern Seite lässt es uns Zeit für weitere Aktivitäten.»

In den letzten Jahren wurden immer wieder Diskussionen zur Professionalisierung der schweizerischen Bundesversammlung geführt. Das Anliegen wurde aber vom Stimmvolk immer wieder verworfen.

Ein Profi-Parlament käme denn auch teurer zu stehen, wie die Studie festhält: «Die Anzahl der Mitarbeitenden in der Parlamentsverwaltung dürfte bei stärkerer Professionalisierung eher zunehmen, was Kostensteigerungen mit sich bringen wird.»

Professionalisierung führt nicht zu mehr Beschlüssen

Die am höchsten professionalisierten Parlamente sind in den USA, Kanada
und Frankreich zu finden. Auffallend ist, dass in solchen zwar mehr Geschäfte pro Parlamentsmitglied eingebracht werden, die Anzahl der abschliessend behandelten Geschäfte aber nicht höher ist.

Das Bild vom Schweizer Freizeit-Parlamentarier ist allerdings überholt: «Wir haben eigentlich kein Milizparlament, weil die meisten Parlamentarierinnen und Parlamentarier zwei Drittel ihre Arbeitszeit für den Nationalrat aufwenden», erklärt Lüthi. Fast alle reduzierten ihr Engagement im angestammten Beruf massiv zugunsten des Parlaments.

«Natürlich verlangt die Arbeit im Parlament viel Energie, aber die Tatsache, dass man nicht nur Politik machen kann, hilft jenen die nicht mehr wiedergewählt werden, einfacher eine andere Beschäftigung zu finden», ruft Sadis in Erinnerung.

Weniger Frauen im Parlament



Das halbprofessionelle System der Schweiz hat, so die Studie, zudem zur Folge, dass die einzelnen Ratsmitglieder weniger lang im Amt bleiben. Auch sind leicht weniger Frauen vertreten als in den andern OECD-Ländern.

«Wir liegen im Mittelfeld. Das Proporz-Wahlsystem, das zeigt die Forschung, ist grundsätzlich günstiger für Frauen als der Majorz.» Dass nicht mehr Frauen im Parlament sitzen, habe eher mit der Kultur und weniger mit dem Miliz-System zu tun.

E-Parlament muss noch kommen

Sinnvolle Professionalisierungs-Möglichkeiten im Rahmen des Milizsystems ortet die Studie insbesondere bei der Aus- und Weiterbildung der Ratsmitglieder: Abgeordnete könnten keine gute Arbeit leisten, wenn sie das parlamentarische Instrumentarium nicht sicher beherrschten.

Besondere Probleme aber hätten die Abgeordneten damit, die «Papierflut» zu bewältigen. Kurzzusammenfassungen und Listen von Vor- und Nachteilen oder Alternativlösungen zu jeder Vorlage könnten hier Abhilfe schaffen.

Der verstärkte Einsatz von Informationstechnologien – Stichwort papierloses Parlament – und die Nutzung des Intranet könnten weiter zur Entlastung beitragen.

swissinfo und Agenturen

Das Schweizer Parlament besteht aus zwei Kammern.
Alle National- und Ständeräte bleiben nach ihrer Wahl im angestammten Beruf.
Sie verdienen durchschnittlich 80’000 Franken.

Die Parlamentsdienste stehen den beiden Kammern des Schweizer Parlaments zur Verfügung.

Sie planen und organisieren die Sessionen und Kommissions-Sitzungen, erstellen Berichte, Protokolle und Übersetzungen.

Den Parlamentarierinnen und Parlamentariern beschaffen sie Dokumentationen und beraten sie in Verfahrensfragen.

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