Schweizer Politik im Komplott-Fieber
Die Woche in Bundes-Bern war geprägt von den Auseinandersetzungen um mutmassliche Kompetenzüberschreitungen durch Justizminister Christoph Blocher. Dieser spricht von einem Komplott.
Die Aufregung hat viel mit den Parlaments-Wahlen vom kommenden 21. Oktober zu tun. Am 12. Dezember wird das Parlament die Landesregierung wählen.
Am vergangenen Mittwoch hat der Bundesrat den Zürcher Staatsrechtler Georg Müller beauftragt, die Vorwürfe der Geschäftsprüfungs-Kommission (GPK) des Nationalrates gegen Justizminister Blocher zu untersuchen.
Die GPK hat vor zehn Tagen ihren Bericht veröffentlicht, der sich mit den Umständen der Demission von Bundesanwalt Valentin Roschacher befasst.
Die GPK kommt dabei zum Schluss, Blocher habe gegen die Gewaltentrennung verstossen.
Die Regierung will Mitte November zum Bericht Stellung nehmen. Vorher wird der unabhängige Experte Müller seinen Bericht abliefern. Auch Bundesrat Christoph Blocher wird eine Stellungnahme zu den Vorwürfen verfassen.
Blocher bezeichnete den GPK-Bericht als eindeutig tendenziös, unvollständig und als eine «rein parteipolitische Angelegenheit». Empört zeigte er sich darüber, dass ihm die «Ungeheuerlichkeit» unterstellt worden sei, er sei in ein Komplott zur Absetzung von Bundesanwalt Valentin Roschacher involviert gewesen.
Himmel oder Hölle
Bereits Wochen vorher sprach Blochers Partei, die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP), von einem Geheimplan, dessen Ziel es sei, die Wiederwahl Blochers als Bundesrat zu verhindern.
Die Präsidentin der für den Bericht zuständigen Subkommission der GPK, die Christdemokratin Lucrezia Meier-Schatz, musste nach dem Wirbel um den Bericht Polizeischutz in Anspruch nehmen, nachdem sie anonyme Morddrohungen erhalten hatte.
Ihre Wahlkampagne hat die SVP auf die simple Formel reduziert: Für den Himmel (SVP) oder für die Hölle (Linke).
Grosse Medienpräsenz
Grundsätzlich dominiert die SVP den Wahlkampf. Das hat die andern Parteien in die Defensive gedrängt. In der französischsprachigen Schweiz stösst dieser Umstand auf wenig Gegenliebe.
So erinnert die französischsprachige Illustrierte «L’Illustré» daran, dass lediglich 26,7% der Wählenden vor vier Jahren ihre Stimmen der SVP gegeben haben. Die Andern hätten «genug, als Dummköpfe und Schafe abgestempelt zu werden».
Das ist eine Anspielung auf das umstrittene SVP-Wahlplakat, auf dem drei weisse Schafe ein schwarzes Schaf aus dem Land bugsieren.
Diese Woche hat die SVP eine neue Serie Wahlplakate aufhängen lassen. Es zeigt den Kopf von Christoph Blocher auf dem Hintergrund der Schweizer Fahne und fordert auf, Blocher zu unterstützen, also die SVP zu wählen.
Dank ihrer provokativen Kampagne geniesst die SVP eine grosse Medienpräsenz. Ein Teil der Wahlbeobachter glaubt, die SVP nehme Schaden am Rummel, ein anderer geht allerdings davon aus, dass es sich auszahlen werde, dass die Partei ihren Bundesrat als Opfer von Komplotten darstellt.
swissinfo, Isabelle Eichenberger
Unter dem Druck der Kritik und mit wenig Rückhalt durch den Justizminister Christoph Blocher ist Bundesanwalt Valentin Roschacher im Juli 2006 zurückgetreten.
Roschacher war in die Presse gekommen, weil er einen ehemaligen kolumbianischen Drogenhändler als Informant benutzte.
Das Bundesstrafgericht bezeichnete dies zwar «als in der Art einmalig», fand im September 2006 aber keinen Gesetzesverstoss.
Im Januar 2007 hatte die Finanzdelegation des Parlaments Blocher gerügt, er habe seine Kompetenzen überschritten, weil er die Modalitäten der Demission von Valentin Roschacher selber geregelt hatte.
Dies hätte der Gesamtbundesrat entscheiden sollen.
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