Schweizer Soldaten bewaffnet im Ausland
Erstmals gehen Armeeangehörige mit ihren Waffen auf Friedensmission in den Kosovo.
Sie brechen damit ein Schweizer Prinzip. Das 7. Kontingent der Swisscoy ist ein Musterfall für alle weiteren Ausland-Einsätze.
«Die Waffen werden, traditionsgemäss im Militär, auf Mann transportiert», sagt Urs Casparis, stellvertretender Informationsbeauftragter der Abteilung friedenserhaltende Operationen (AFO), gegenüber swissinfo.
Das heisst, die Soldatinnen und Soldaten sind mit der persönlichen Waffe ins Flugzeug gestiegen.
Zum 7. Mal sind am Donnerstag Soldaten für einen halbjährigen Einsatz in den Kosovo geflogen. 170 Männer und 8 Frauen bringen ihre persönliche Waffe, entweder ein Sturmgewehr oder eine Pistole, mit zum Einsatz.
Weiter wurden fünf Radschützenpanzer und ein Helikopter vom Typ Super Puma in den Kosovo gebracht. Im Gegensatz zu den bisherigen vier Panzern sind die neuen Fahrzeuge mit einem Maschinengewehr und Nebelwerfern ausgerüstet. Der Helikopter wird zusammen mit den deutschen Heeresfliegern eine Lücke in den Transport-Kapazitäten der internationalen Kosovo Force (KFOR) füllen.
Erlaubnis per Volksdekret
Dass Schweizer Soldaten im Ausland Waffen tragen, war wegen der Schweizer Neutralität bisher völlig undenkbar. Schweizer nahmen an multinationalen Operationen nur teil als UNO-Militär-Beobachter, als medizinisches Personal an UNO-Missionen oder als Gelbmützen für die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
Dies änderte sich am 10. Juni 2001: Das Schweizer Volk stimmte einer Änderung des Militär-Gesetzes mit 51% Ja-Stimmen zu.
Die Gesetzesänderung war von der rechtsbürgerlichen «Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz» und der friedenspolitischen «Gruppe Schweiz ohne Armee» unabhängig voneinander per Referendum bekämpft worden.
Parlament beschliesst Aufstockung
Nach dem Volks-Ja hiess das Parlament im vergangenen September die Bewaffnung der Swisscoy gut: Der Nationalrat entschied mit 116:31 Stimmen, der Ständerat mit 36:0 Stimmen zugunsten einer Bewaffnung. Die maximale Grösse des Kontingentes wurde von 160 auf 220 Personen erhöht.
Die Aufstockung des Kontingents hängt eng mit der Bewaffnung zusammen: Die Swisscoy wurde vom Parlament um einen sogenannten mechanisierten Infanteriezug erweitert.
Was das bedeuten würde, sagte bereits der Kommandant des unbewaffneten 5. Kontingentes, Oberstleutnant Walter Schweizer deutlich. «Wir werden dann aktiv mittun können in der Campsicherung und bei temporären Checkpoints.»
Neu werden also die Schweizer Soldaten selber für ihre Sicherheit besorgt sein. Bis anhin mussten (rare) Berufssoldaten die Swisscoy-Freiwillgen im Einsatz beschützen. Das Camp Suva Reka, das die Schweizer mit dem österreichischen Kontingent AUCON teilen, wurde von den Österreichern bewacht.
Hier werden die Schweizer jetzt mithelfen. «Die Österreicher sind sehr froh, dass sie Unterstützung haben werden in ihren Bewachungsaufgaben», weiss Mediensprecher Urs Casparis.
Gefährliches Kapitel für die Schweiz?
Die Swisscoy wurde von der kosovarischen Bevölkerung gerade deswegen sehr geschätzt, weil die Soldaten keine Waffen trugen. Das ist jetzt vorbei: Auf der Baustelle oder beim Transport von Betriebsstoffen muss die Waffe stets griffbereit sein.
Mit dem mechanisierten Zug stösst die Schweiz auch in Aufgaben-Felder vor, die sie bisher den andern KFOR-Mitgliedern überliess. Strassensperren beispielsweise wurden bisher von Profi-Soldaten durchgeführt.
Auch Casparis weiss, dass vermehrt heikle Aufgaben auf die Schweizer zukommen könnten. Er betont aber, dass die Schweizer allfällige Strassensperren nicht allein durchführen werden, sondern zusammen mit den Österreichischen Kollegen. «Ich glaube nicht, dass die Bewaffnung einen negativen Einfluss haben wird auf den guten Ruf des Schweizer Kontingentes im Kosovo.»
Ein Detail, das vor der Abstimmung auch nicht an die grosse Glocke gehängt wurde, ist, dass die Swisscoy bereits bisher eine Waffe pro Fahrzeug dabei hatte, um den KFOR-Richtlinien zu entsprechen. Jede Nacht gingen diese Korps-Waffen zurück in die Waffenkammer, doch die wirklich unbewaffnete Swisscoy gab es nur in den Köpfen zu Hause.
Musterfall für alle friedenserhaltende Operationen
Zu Hause wird man sich neu an Bilder gewöhnen von Schweizer Soldatinnen und Soldaten mit Waffen im Auslandeinsatz. Diese Pionierrolle der Swisscoy ist auch ein Präzedenzfall für alle zukünftigen friedenserhaltenden Operationen: Weitere Kontingente im Kosovo oder auf andern friedenserhaltenden Missionen werden Waffen tragen.
«Es geht lange in der Schweiz, bis ein Entscheid gefällt ist, aber wenn der mal gefallen ist, wird er auch in Zukunft aufrecht erhalten», meint Urs Casparis.
swissinfo, Philippe Kropf
Swisscoy (7. Kont.)
Insgesamt 207 Personen (197 Männer, 10 Frauen, 31 davon verlängert)
Persönliche Waffe: Sturmgewehr oder Pistole
5 Radschützenpanzer mit Maschinengewehr
1 Helikopter Typ Super Puma
In Suva Reka der AUCON zugewiesen
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
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