Schweizer Städte: Top in Sachen Lebensqualität
Zürich, Genf und Bern haben weder das historische Flair Roms noch die Modernität New Yorks oder den wirtschaftlichen Drive von Schanghai. Aber die drei Schweizer Städte rangieren in der Liste der Lebensqualität ganz vorne.
Zürich, Bern und Genf sind seit Jahren in den Toppositionen einer Rangliste anzutreffen, die von der englischen Beratungsfirma Mercer erstellt wird.
Gemessen wird die Lebensqualität in 420 Städten auf der Welt. In den letzten 10 Jahren landete Zürich ganze sieben Mal auf dem ersten Rang.
Die Studie berücksichtigt 39 Kriterien, unterteilt auf 10 Kategorien, welche besonders die politische Situation (Freiheitsrechte, Zensur, etc.), die wirtschaftliche Situation (erhältliche Konsumgüter und Dienstleistungen), die soziale Situation (Gesundheitswesen, Kriminalität, Verkehr) sowie Ausbildungsmöglichkeiten, Kultur- und Freizeitangebot, Klima und die Umweltsituation unter die Lupe nehmen.
Objektive Kriterien
Aber kann man Städte wie Genf mit Metropolen wie London oder Tokio vergleichen? «Sicher ist dies möglich. Denken wir nur an ein Phänomen wie die Kriminalität. In jeder Stadt gibt es Statistiken, welche die Sicherheitsrisiken für die Einwohner klar aufzeigen», antwortet Christa Zihlmann, Informationsbeauftragte von Mercer in Genf.
«Wir berücksichtigen also objektive Kriterien wie die Kriminalitätsrate, Öffnungszeiten von Banken und Geschäften, die Dichte an Schulen und Spitälern, Temperatur, Luftverschmutzung, die Zahl der Theater und Kinos oder die Wartezeit, um einen Elektriker im Haus zu haben», fügt Zihlmann an.
Um eine jeweilige Ortszulage zu berechnen, wertet das englische Unternehmen auch Daten aus, die von Privatfirmen und der öffentlichen Verwaltung stammen.
In Städten wie Wien oder Zürich, die 2009 die Hitliste der Städte mit der höchsten Lebensqualität anführen, sind diese Zulagen gering. In Bagdad, Dhaka oder Bangui, die auf den letzten Rängen stehen, werden hohe Entschädigungen bezahlt, wenn Angestellte dort arbeiten.
Menschliche Dimension
Zürich, Genf und Bern schneiden praktisch in allen Kategorien der Mercer-Liste hervorragend ab. Sie profitieren dabei auch von den allgemeinen Rahmenbedingungen, welche das Leben in der ganzen Schweiz auszeichnen, etwa die politische und ökonomische Stabilität sowie die Qualität der Infrastrukturen und Dienstleistungen.
«Die Schweizer Städte weisen einige Stärken auf: Eine hohe Sicherheit, keine Streiks, das hohe Niveau der Schulen, die Zuverlässigkeit der Spitäler und eine gut funktionierende Verwaltung», betont Christa Zihlmann.
«Dazu kommt ein sehr gutes Verkehrsnetz mit stets pünktlichen Zügen und Bussen. Die Post ist speditiv, das Leitungswasser trinkbar, Telefon und Internet funktionieren.»
Im Vergleich zu anderen Städten von internationaler Bedeutung sind Zürich, Genf und Bern überschaubar und kleinräumig: «Die Nähe eines Flughafens zum Stadtzentrum ist im übrigen genauso wichtig wie die Möglichkeit, schnell im Grünen zu sein oder nicht im Verkehr zu ersticken und saubere Luft atmen zu können.»
Ein Erbe der Geschichte
Kurzum: Die Schweizer Städte weisen eine menschliche Dimension auf. Wirkliche Metropolen sind in der Schweiz nie entstanden.
Das hat historische Gründe. Die Schweiz war nie ein Machtstaat. Und der Föderalismus hat zu einem gewissen Ausgleich zwischen den Städten geführt. Zudem erfolgte die Industrialisierung nur schrittweise.
Um die Lebensqualität zu verbessern, haben die genannten Städte ausserdem grosse Investitionen getätigt, beispielsweise in die Verbesserung des öffentlichen Verkehrs, in die Kultur oder die Verschönerung von Grünanlagen.
«In den Wachstumszielen von Zürich spielen nicht nur ökonomische Faktoren eine Rolle, sondern auch eine nachhaltige Entwicklung im Bereich des Sozialwesens und der Umwelt», sagt Brigitte Wehrli-Schindler, Direktorin der Stadtentwicklung Zürich (STEZ).
«Zürich ist eine kosmopolitische Stadt geworden, welche die Vorteile, aber nicht die Nachteile einer Metropole aufweist. Es gibt ein grosses kulturelles und gastronomisches Angebot und einen hohen Freizeitwert», so Wehrli-Schindler.
«Zugleich haben wir keine eklatanten Probleme in Bezug auf die Sicherheit und den Verkehr. Bei uns können Kinder zu Fuss in die Schule gehen. Und selbst Manager fahren mit dem Tram zur Arbeit.»
Hohe Lebenshaltungskosten
Trotzdem: Auch Zürich, Genf und Bern sind keine Paradiese auf Erden, wie Brigitte Wehrli-Schindler einräumt. «Die hohen Lebenshaltungskosten sind die Kehrseite dieses Erfolgs», sagt sie. Dies spiegle sich besonders im Immobilienmarkt. Denn es werde immer schwieriger und teurer, eine Wohnung zu finden.
«Wenn wir die Situation in Schweizer Städten mit den Problemen von Moskau, Lagos oder Kalkutta vergleichen, wird es wirklich schwierig, Schwachpunkte in Sachen Lebensqualität zu entdecken», meint hingegen Christa Zihlmann.
Und wie steht es um die Gastfreundlichkeit? Die Schweizer sind nicht gerade als offenes und warmherziges Volk bekannt. «Die Schweizer sind eher diskret und reserviert. Doch ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass ich auch viel Wärme und Herzlichkeit erfahren habe. Ich lebe nun seit 15 Jahren in Genf», sagt die Mitarbeiterin von Mercer.
Armando Mombelli, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)
2009
1. Wien, 2. Zürich, 3. Genf, 4. Vancouver und Auckland, 9. Bern
2008
1. Zürich , 2. Genf und Wien, 4. Vancouver, 5. Auckland, 9. Bern
2007
1. Zürich, 2. Genf, 3. Vancouver und Wien, 5. Auckland und Düsseldorf, 9. Bern
2006
1.Zürich, 2.Genf, 3.Vancouver, 4.Wien,5. Auckland, 9.Bern
2005
1.Zürich und Genf, 3. Vancouver und Wien, 5.Frankfurt und München, 8.Bern
Zürich
Ist das Wirtschaftszentrum und die grösste Stadt der Schweiz. Die Stadt zählt 380’000 Einwohner, die Agglomeration 1,1 Millionen.
Genf
Ist Sitz vieler internationaler Organisationen und nach Zürich die zweitgrösste Stadt der Schweiz. 180’000 Personen zählt die Stadt, 500’000 die Agglomeration.
Bern
Ist Hauptstadt der Schweiz und Sitz von Regierung, Parlament und Bundesverwaltung. Sie ist die viertgrösste Stadt der Schweiz und zählt 120’000 Einwohner. In der Agglomeration leben 340’000 Menschen.
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