Schwierige Umsetzung der lebenslänglichen Verwahrung
Justiz, Regierung und Parlament bekunden ihre liebe Mühe mit der Umsetzung einer von Volk und Ständen angenommenen Initiative.
Die Volksinitiative «Lebenslange Verwahrung für nicht therapierbare, extrem gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter» wurde 2004 angenommen. Jetzt ist das Parlament am Ball.
Am 8. Februar 2004 haben Volk und Stände (Kantone) gegen den Willen von Bundesrat, Parlament und Justiz-Experten die so genannte «Verwahrungs-Initiative» gutgeheissen. Und dies mit 56,2% relativ deutlich.
Damit nahm der Souverän den neuen Artikel 123a in die Bundesverfassung auf. Dieser fordert, dass extrem gefährliche und nicht therapierbare Sexual- und Gewaltstraftäter lebenslänglich verwahrt werden sollen, ohne Hafturlaub.
Eine Entlassung darf nur dann geprüft werden, wenn durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse nachgewiesen ist, dass der Täter geheilt werden kann und künftig für die Allgemeinheit keine Gefahr mehr darstellt.
Nicht vereinbar mit EMRK
Doch dies stellte die Landesregierung (Bundesrat) vor ein Problem. Bereits im Vorfeld hatte diese betont, dass eine wortgetreue Umsetzung der Initiative in Konflikt mit der Europäischen Menschenrechts-Konvention (EMRK) geraten würde.
Darum war die grosse Aufgabe im zuständigen Justizdepartement eine menschenrechtskonforme Ausgestaltung dieser Initiative. Denn die EMRK sieht eine periodische Überprüfung aller Inhaftierten vor.
Eine erste Version der Umsetzung hatte im Mitwirkungsverfahren (Vernehmlassung) keine Chance, weil sie als nicht konform mit der EMRK kritisiert worden war.
Zwar war eine grosse Mehrheit der Kantone und kantonalen Behörden dafür, doch die Bundesratsparteien mit Ausnahme der Schweizerischen Volkspartei (SVP) äusserten sich skeptisch bis ablehnend.
Abgelehnt wurden die Vorschläge auch von vielen wichtigen Organisationen wie Ärzte- und Juristenverbänden, Universitäten, Menschenrechts-Organisationen sowie der Bischofskonferenz.
Bundesrat schwächt ab
Das nun vom Bundesrat vorgeschlagene und von der zuständigen Kommission des Ständerats (kleine Parlamentskammer) gutgeheissene Gesetz ist nicht mehr ganz so restriktiv wie die Forderungen in der Volksinitiative und der erste Vorschlag.
So soll die zuständige Behörde eine neu zu schaffende Fachkommission mit der Prüfung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse beauftragen können, ob Therapie und eventuelle Entlassung eines Täters möglich sind. Dies lässt die Initiative nicht zu.
Was sogleich die Initiantinnen auf den Plan rief, die sich gegen eine Verwässerung ihrer Initiative wehrten. Sie erinnerten Justizminister Christoph Blocher, als Nationalrat ein Befürworter der Initiative, an sein Versprechen, diese ohne Abstriche umzusetzen.
Deshalb droht dem Vorschlag des Bundesrats bereits vor der Inkraftsetzung das Referendum. Die Initiantinnen haben es zwar noch nicht angekündigt, die Möglichkeit aber bereits erwähnt.
Auch die Psychiater protestierten. Sie wehren sich dagegen, dass die gesamte Verantwortung für die zukünftige Freilassung eines Verwahrten in ihren Händen liegen soll.
Doppelte Verschärfung
Allgemein ist für Sexual- und Gewaltstraftäter eine härtere Gangart eingeschlagen worden. Am 20. Juni kommt die vom Bundesrat vorgeschlagene Umsetzung der Initiative in den Ständerat.
Und im Frühling haben beide Räte bereits Korrekturen an der Revision des Allgemeinen Strafgesetzbuches vorgenommen und damit die Möglichkeit geschaffen, schon inhaftierte Straftäter auch nachträglich zu verwahren.
swissinfo, Christian Raaflaub
Die Verwahrungs-Initiative war im Mai 2000 mit fast 200’000 gültigen Unterschriften eingereicht worden. In der Schweiz sind 100’000 nötig, um eine Volksinitiative an die Urne zu bringen.
Die Initiative war von einem Komitee bestehend aus Privatpersonen lanciert worden. Der Grund war persönliche Betroffenheit.
Das Patenkind einer Initiantin war von einem Mann auf brutalste Weise vergewaltigt und danach in einen Kanal geworfen worden. Nur durch Zufall hatte das Mädchen überlebt.
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