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Selektiver Geldsegen statt Giesskanne?

Je nach Region sind die Bauernbetriebe grossflächiger oder intensiver bewirtschaftet. Im Bild: Ein Hof bei Goumois im Kanton Jura. Keystone

Landwirte gibt es immer weniger. Trotzden bleiben Agrarsubventionen ein Zankapfel zwischen Bauern, Konsumenten und Politikern. Für Empörung sorgt derzeit, dass einzelne Betriebe vom Bund mehrere hunderttausend Franken an Direktzahlungen erhalten.

Der Bund bezahlt den Landwirten jährlich rund 2,8 Milliarden Franken Subventionen in Form von Direktzahlungen. Das entspricht einem Durchschnittsbetrag von mehr als 50’000 Franken pro Betrieb.

Die Beträge setzen sich aus Zahlungen für Raufutter verzehrende Nutztiere, für erschwerte Produktionsbedingungen wie zum Beispiel in Hanglagen und für ökologische Leistungen zusammen. Dominantes Subventionskriterium ist aber die Fläche, sie macht rund 80 Prozent der Zahlungen aus.

Grossflächige Betriebe kassieren vom Bund Beiträge von mehreren hunderttausend Franken. Der Spitzenreiter erhält sogar eine halbe Million Franken an Direktzahlungen.

Die Veröffentlichung dieser Zahlen in einigen Schweizer Medien dieser Tage hat Empörung und geharnischte Kommentare ausgelöst.

Im Interview mit swissinfo.ch räumt Christian Hofer, Vizedirektor des Bundesamts für Landwirtschaft, ein, dass es noch Lücken gebe. Das Direktzahlungssystem müsse präziser an die Leistungen anknüpfen und diese fördern.

swissinfo.ch: Können Sie die öffentliche Empörung über die grossen Summen an Direktzahlungen verstehen?

Christian Hofer: Teilweise kann ich das. Es gilt aber zu beachten, dass es sich bei den meisten Fällen um relativ grossflächige Betriebsgemeinschaften handelt, dass damit die Einkommen von mehreren Familien sichergestellt werden.

swissinfo.ch: Was sind landwirtschaftliche Betriebsgemeinschaften?

C.H.: Das ist eine Form der betrieblichen Zusammenarbeit, die indirekt vom Bund auch gefördert wird. Diese Betriebe binden sich vertraglich und führen nur noch eine gemeinsame Buchhaltung.

Sie teilen sich in der Gruppe die Aufgaben auf und schaffen sich so die Möglichkeit einer Spezialisierung; beispielweise Tierhaltung und Ackerbau. Der Landwirt wird zum Teamplayer.

swissinfo.ch: Das System der Direktzahlungen hat vor 20 Jahren die Subventionierung über die Menge abgelöst, um gemeinwirtschaftliche Leistungen besser abzugelten. Wird dies mit dem Flächenkriterium nun wirklich eingelöst?

C.H.: Mit dem Wechsel auf die Fläche als Kriterium liess sich sehr viel korrigieren. Die Exzesse der Überproduktion der 70er-Jahre inklusive deren negative Auswirkungen auf die Ökologie sind vorbei. Natürlich gibt es noch Lücken, die wir auch schliessen wollen.

Die allgemeinen Flächenbeiträge sind heute noch zu pauschal und so zu wenig spezifisch. Das Direktzahlungssystem, das wir gegenwärtig weiter entwickeln, will präziser an die Leistungen anknüpfen und diese gezielt fördern.

swissinfo.ch: In der Praxis merkt man wenig von einer ökologisch verbesserten Leistung. Die Qualität der Ausgleichsflächen lässt zu wünschen übrig, und das Artensterben geht weiter.

C.H.: Die Ansicht, wonach man wenig von ökologischen Leistungen merkt, teile ich überhaupt nicht. Seit der Einführung von ökologischen Direktzahlungen (1992!) hat sich vieles bewegt und die Bilanz, die wir jüngst im Rahmen einer Rückschau der letzten zehn Jahre gezogen haben, lässt sich zeigen.

Wir sind auf Kurs! Der Verlust von Vielfalt bei Pflanzen und Tieren konnte dank den Ausgleichsflächen reduziert werden. Lokal gilt es nun noch Verbesserungen vorzunehmen.

swissinfo.ch: Produzieren Grossbetriebe tendenziell intensiver als Kleinbetriebe?

C.H.: Die Flächen respektive Betriebsgrössen sind grundsätzlich zum Beispiel im Jurabogen grösser als im Appenzell. Die Traditionen der Bewirtschaftung sind einfach regional verschieden, im Jura eben extensiver.

Anderseits gibt es flächenmässig kleine Gemüsebetriebe mit einer Belegschaft von 50 bis 100 Personen, die eine hohe Wertschöpfung erreichen, oder in der Zentralschweiz, wo die Wertschöpfung durch ein Mehr an Tieren erreicht wurde.

Die Betriebsformen sind deshalb äusserst unterschiedlich, flächenmässig oder von der Intensität her.

swissinfo.ch: Die Konsumenten sind langfristig wohl nur dann bereit, höhere Preise für Schweizer Nahrungsmittel zu bezahlen, wenn sie auch angemessene ökologische und landschaftliche Leistungen dafür erhalten. Sind sich die Bauern dessen bewusst, und wird dies in die Weiterentwicklung des Systems der Direktzahlungen einfliessen?

C.H.: Für gemeinwirtschaftliche Leistungen der Bauern existiert per Definition kein Markt und demnach auch kein Marktpreis. Biodiversität, Landschaftsqualität oder Versorgungssicherheit müssen anders entschädigt werden. Das wird mit der neuen Direktzahlungsstrategie vermehrt berücksichtigt. So lassen sich beispielweise die Anreize zur Intensivierung der Tierhaltung auf kleinen Flächen abbauen.

Was die Bauern betrifft, sind sie sich sehr wohl bewusst, auf die Nachfrage zu reagieren. Regionale Erzeugnisse wie AOC oder Berg/Alp-Produkte, Bioprodukte usw. sind deutliche Zeichen dafür. Auch für diese Produktion bieten die Direktzahlungen eine Basis.

Direktzahlungen sind Subventionen, die nicht produktgebunden sind. Sie lösten in der Schweiz vor rund 20 Jahren die mengengebundenen Subventionen ab, die zu Milch-, Butter- und Fleischschwemmen geführt hatten, was auch ökologische Schäden verursachte.

Direktzahlungen sind an konkrete Auflagen geknüpft, die sich ständig ändern. Sie werden von allen Industrienationen in der Landwirtschaft eingesetzt.

In der Agrarpolitik gelten sie als zentrales Steuerungsinstrument.

Gegenwärtig wird das Direktzahlungsmodell in der Schweiz überdacht und an neue Kriterien angepasst (Agrarreform, Weiterentwicklung der Direktzahlungen WDZ).

Ökologische Direktzahlungen sollen Anreize für nachhaltigere Bewirtschaftungen schaffen.

Dank Direktzahlungen lässt sich die Preis- und Einkommenspolitik von bäuerlicher Produktion und Verdienst trennen.

Laut Bundesamt für Landwirtschaft sind diese Direktzahlungen kein Supplement aufs Einkommen.

Sie seien Bestandteil der Gesamtrohleistung. In vielen Betrieben werden mit diesen Geldern auch Kosten gedeckt. Zum Beispiel wenn den Tieren täglich Stroh gegeben werde, obwohl dies teurer zu stehen komme.

Dort ist dann die Summe der Direktzahlungen grösser als das eigentliche Einkommen aus der Landwirtschaft.

Kernelement der vorgeschlagenen Weiterentwicklung des Direktzahlungs-Systems WDZ ist die Verbesserung der Zielausrichtung:

Kulturlandschaftsbeiträge.

Versorgungssicherheits-Beiträge.

Biodiversitäts-Beiträge.

Landwirtschaftsqualitäts-Beiträge.

Tierwohl-Beiträge.

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