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Session von Sparprogramm geprägt

Im Ständerat wird immer noch durch Hand erheben abgestimmt. Keystone

Das rigorose Sparprogramm der Regierung und der Wahlkampf haben die Debatten in beiden Parlamentskammern dominiert.

Am Freitag ist in Bern die Sommersession 03 der eidgenössischen Räte zu Ende gegangen.

In der zweitletzten Session vor den Wahlen im Herbst haben National- und Ständerat einige gewichtige Geschäfte abgeschlossen. So etwa das Steuerpaket 2001, das Kartellgesetz und grosse Teile der Agrarpolitik 2007.

Praktisch in jeder Debatte war der Druck zu spüren, den die Regierung mit ihrem Sparplan vorgegeben hatte. Auch die Tatsache, dass im Herbst Wahlen anstehen, hat die Diskussionskultur in den Räten geprägt.

Weniger Steuern für Familien und Hausbesitzer

Trotz des massiven Sparprogramms des Bundes haben sich beide Parlamentskammern für “Steuergeschenke” von über 2 Mrd. Franken ausgesprochen. Damit sollen primär Familien und Haus-Eigentümer entlastet werden.

Der Verdacht liegt nahe, dass dieses Entgegenkommen mit dem Wahljahr zu tun hat. Doch noch ist das Steuerpaket nicht unter Dach und Fach: Den Kantonen drohen damit Einbussen, die sie nicht hinnehmen wollen.

Mit einem Kantonsreferendum wollen sie nun gegen das Steuerpaket vorgehen. Auch die Grüne Partei bereitet ein Referendum vor.

Preise könnten bald purzeln

Gute Nachrichten für alle, die in der Schweiz leben, gibt es mit der Änderung des Kartellgesetzes: Die Preise vieler Konsumgüter könnten bald sinken.

Laut Zahlen der EU liegen die Schweizer Preise um 36 Prozent über dem EU-Preisniveau. Bei den Lebensmitteln sind es gar 51 Prozent. Der Grund: Absprachen unter Händlern oder zwischen Händlern und Importeuren. Doch damit soll nun Schluss sein.

Mehr Markt und Transparenz im Agrarsektor

Die Agrarpolitik 2007 sorgt für mehr Markt und Transparenz im Milch- und Fleischsektor und sichert der Landwirtschaft für vier Jahre eine Bundeshilfe von 14 Mrd. Franken.

Die Milchkontingentierung wird Ende April 2009 aufgehoben, Branchenorganisationen können aber bereits 2006 aussteigen. Damit soll der Milchmarkt für Pioniere geöffnet werden.

Für heisse Diskussionen sorgen wird weiterhin die Rolle der Gentechnik in der Landwirtschaft, denn die Räte verzichteten auf ein 5-jähriges Moratorium für die kommerzielle Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen.

Daher dürfte diese Frage wohl vors Volk kommen. Die nötigen Unterschriften für eine entsprechende Volksinitiative sind schon gesammelt.

Mehr Schutz für gestohlene Kulturgüter

Der illegale Kunsthandel in der Schweiz, heute häufig Drehscheibe von internationalen Kunsträubern, wird ab 2004 erschwert. Bis heute wird ein gestohlenes Fahrrad gleich behandelt wie ein gestohlenes Gemälde, denn es gilt nur der Materialwert.

Nun sollen rechtswidrig in die Schweiz eingeführte Kulturgüter bis 30 Jahre später zurückverlangt werden können. Die Entschädigung an einen gutgläubigen Käufer soll sich bei der Rückführung am Kaufpreis und an den notwendigen Aufwendungen zur Aufbewahrung des Kulturgutes orientieren.

Aufhebung des Vertragszwangs

Nach dem Schiffbruch im letzten Herbst hat der Nationalrat die Revision des Krankenversicherungsgesetzes nun verabschiedet.

Die grosse Kammer lockerte – wie zuvor schon der Ständerat – den Vertragszwang: Die Krankenkassen sollen nicht mehr mit allen Ärzten zusammenarbeiten müssen.

Grundsätzlich unbestritten blieb das neue System der Prämienverbilligung: Der Staat soll die Prämie für das zweite Kind zur Hälfte und ab dem dritten Kind ganz übernehmen. Dies entgegen der Meinung von Sozialminister Pascal Couchepin.

Berufliche Vorsorge für mehr Leute

Die erste BVG-Revision (Berufliche Vorsorge) ist weitgehend unter Dach. Die zweite Säule, die Pensionskasse, soll auch kleineren Einkommen ab 18’990 Franken offen stehen.

Von dieser Massnahme können hauptsächlich Teilzeitarbeitende, also vor allem Frauen, profitieren. Sie sollen sofort nach In-Kraft-Treten der Revision versichert werden.

Die letzte verbleibende Differenz betrifft die Bezügerinnen und Bezüger von Invalidenrenten. Die Kritik: Mit der heutigen Regelung würden IV-Bezüger bei einer Erhöhung der Arbeitsunfähigkeit benachteiligt, und es sei oft nicht klar, welche Versicherung die Invaliditätsleistungen bezahlen müsse.

Dritte Generation automatisch einbürgern

In der Schweiz geborene ausländische Kinder der dritten Generation erhalten inskünftig automatisch den roten Schweizer Pass. Auch so genannte “Secondos” sollen erleichtert zur Staatsbürgerschaft kommen.

Ein Gesuch muss jedoch zwischen dem 14. und 24. Altersjahr eingereicht werden. Über diese Änderung des Bürgerrechts wird schliesslich das Volk entscheiden.

Noch nicht einig sind sich die beiden Parlamentskammern über ein Beschwerderecht vor Bundesgericht gegen diskriminierende Einbürgerungs-Entscheide. Das Geschäft geht daher wieder in den Nationalrat.

AHV-Baustelle bleibt offen

Die grösste Baustelle, die 11. AHV-Revision (Alters- und Hinterbliebenen-Versicherung) bleibt weiterhin. Die letzten Differenzen bei der 11. AHV-Revision – es geht um die soziale Abfederung des Rentenvorbezugs und um die Witwenrente – wurden auf die Herbstsession vertagt.

Auch eine verlangte dringliche Debatte über die jüngsten Vorschläge, mit denen Pascal Couchepin die Sozialwerke längerfristig sanieren möchte (darunter das Rentenalter 67), wurde verschoben.

Hanf-Debatte gar nicht erst begonnen

Das gleiche Schicksal erlitten die Informationspolitik des Bundes vor Volksabstimmungen und die Revision des Betäubungsmittelgesetzes, eine Vorlage, die im Vorfeld schon zu heftigen Diskussionen geführt hatte.

Die Hanf-Debatte war bereits für die Sondersession im Mai traktandiert gewesen, wurde dann aus Zeitmangel auf die Sommersession verschoben. In Anbetracht grosser Pakete wie dem neuen Finanzausgleich (NFA) und dem Krankenversicherungs-Gesetz habe man zu wenig Zeit für das Betäubungsmittelgesetz zur Verfügung gehabt.

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) bedauerte den erneuten Aufschub der Hanf-Debatte. Das Parlament hätte den Wildwuchs rasch beenden sollen, hiess es.

swissinfo, Christian Raaflaub

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