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«Soirée suisse» am Vorabend des G-8-Gipfels

Bundespräsident Couchepin (li.) und weitere Regierungsmitglieder begrüssen UNO-Generalsekretär Kofi Annan. Keystone

Die Schweiz gab am Abend vor der offiziellen Eröffnung des G-8-Gipfels ein Galadiner in Lausanne.

Dabei appellierte Bundespräsident Couchepin an die Reichen, ihre Versprechen gegenüber den Armen einzulösen. Sonst würden die Menschen in den armen Ländern den Glauben an die Demokratie verlieren.

Die Schweiz beherbergt während des Weltwirtschafts-Gipfels in Evian die Delegationen aus den Schwellenländern. Bundespräsident Pascal Couchepin lud die Staats- und Regierungschefs am Samstagabend zu einem Staatsdiner ein.

in Anspielung auf die Differenzen wegen des Irak-Kriegs, erklärte Couchepin vor der illustren Gästeschar, dieses Jahr sei es besonders wichtig, dass die Politiker «einen gemeinsamen Weg suchen, um die Spannungen der letzten Zeit abzubauen».

Der Bundesrat, von dem beim Diner nur Finanzminister Kaspar Villiger fehlte, will mit seinen Gästen vor allem über den Nord-Süd-Dialog sprechen. Dieser steht am Sonntag zum Auftakt des G-8-Gipfels in Evian im Zentrum. Die Delegationen werden dazu aus dem scharf bewachten Quartier in Lausanne über den See nach Evian transportiert.

Worte allein reichen auf die Dauer nicht

Der Schweizer Bundespräsident appellierte an die reichen Nationen, ihre bei den G-8-Treffen (und den früheren G-7-Treffen) gemachten Versprechen zu halten.

Man müsse den Worten auch Taten folgen lassen. Ansonsten verlören die Menschen in den armen Ländern des Südens den Glauben an die Demokratie.

Einst formulierte Ziele wie die Halbierung der Armut bis 2015 oder sauberes Trinkwasser für alle müssten konkretisiert werden.

Wichtig für den Wohlstand aller sei mehr Wirtschaftswachstum und ein günstiges Handelsklima. Die in Doha lancierte neue Welthandels-Runde brauche neuen Elan, forderte Couchepin.

G-8-Gipfel verteidigt

Couchepin verteidigte den umstrittenen G-8-Gipfel. Um die globalen Probleme zu lösen, brauche es auch den «direkten Kontakt». Bei diesen Treffen könnten die Chefs der mächtigsten Länder die Probleme frei diskutieren.

Diese Anlässe sollten als Plattform dienen, deren Diskussionen danach in die internationalen Organisationen einfliessen, sagte Couchepin. Die Schweiz begrüsse die Erweiterung des Gipfels auf weitere Staaten (die Schweiz gehört dazu) und die neuen Themen auf der Agenda. Der Kampf gegen die Armut müsse mit Entschlossenheit geführt werden.

Viele leere Versprechungen

Eines der Hauptprobleme der Länder des Südens ist ihre Verschuldung. 1996 hatte die damalige G-7 eine Initiative zur Entschuldung der ärmsten Länder gestartet. Diese sieht die Reduzierung der Schuldenlast von 38 Ländern um knapp 40 Mrd. Dollar vor. Laut der Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Hilfswerke hat sich jedoch diesbezüglich seit 1996 nicht viel bewegt.

Auch der Gesundheitsfonds, für den die G-8 vor zwei Jahren in Genua über 1 Mrd. Franken bereit stellen wollte, sei bereits einige Male mangels Zahlungen vor dem Aus gestanden.

Die Liste der von der G-8 gemachten und bisher nicht eingehaltenen Versprechen lasse sich durch ein weiteres Beispiel ergänzen: Den Bildungsbereich.

Letztes Jahr seien über 500 Mio. Franken zur Bekämpfung der Bildungskrise versprochen worden. Bis zu diesem Frühjahr sind laut den Schweizer Hilfswerken weniger als 20% dieser Gelder geflossen.

Werbung für Informationsgipfel

Die Schweiz selber, so Couchepin, setze sich dieses Jahr besonders für das Milleniumsziel ein, dass alle Menschen Zugang zu den neuen Kommunikations-Technologien erhielten.

Das Überbrücken des «digitalen Grabens» steht im Zentrum einer UNO-Konferenz, die im Dezember in Genf stattfindet. Die Schweiz amtet als Organisatorin.

Couchepin übergab das Wort an Kommunikationsminister Moritz Leuenberger, der die anwesenden Gäste über die grossen Linien des Gipfels informierte und sie persönlich einlud, an der Konferenz teilzunehmen. Das Recht auf Information sei ein Menschenrecht.

Unterwanderung der UNO

Geladen zum Schweizer Empfang waren auch Vertreter grosser Nichtregierungs-Organsiationen. Diese gehören seit Jahren zu den Kritikern von Anlässen wie Weltwirtschafts-Forum oder G-8-Gipfel.

Auch die Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Hilfswerke macht regelmässig aufmerksam auf den exklusiven Klub-Charakter solcher Vereinigungen.

Insbesondere befürchtet sie eine Unterwanderung der UNO und fordert den Bundesrat deshalb auf, sich für eine Stärkung dieser Institution einzusetzen.

Einheimisches auf der Menu-Karte

Das Menu des Galadiners war geprägt von einheimischer Küche, wie Livio Zanolari, Sprecher des Aussenministeriums, im Vorfeld gegenüber swissinfo erklärt hatte.

«Es werden Spargeln, Fisch, Kalbfleisch und ein Dessert mit Namen ‹Glacier-Express› serviert», so Zanolari. Über den kredenzten Wein konnte er nichts sagen.

Feu au Lac

Linke Organisationen und Bürgerbewegungen organisierten für Samstag zudem einen Anlass der etwas anderen Art: Rund um den Genfersee wurden rund 50 Protestfeuer angezündet.

Mit der Aktion «Feu au lac» wollen linke Organisationen und Bürgerbewegungen ihren Widerstand gegen den G-8-Gipfel symbolisch zum Ausdruck bringen.

Vielerorts wurde die Protestfeuer-Aktion begleitet von einem Rahmenprogramm mit Musik, Verpflegungsmöglichkeiten und Diskussionsrunden.

swissinfo, Elvira Wiegers und Rita Emch

Die Schweiz beherbergt während des G-8-Gipfels die Delegationen aus den Schwellenländern und von Exponenten der Neuen Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas (NEPAD). Am Vorabend des Gipfels lud sie die Staats- und Regierungschefs zu einem Staatsdiner.

Der Einladung folgten Südafrikas Präsident Thabo Mbeki, die Premierminister Malaysias und Indiens, Mahathir Mohamad und Bihari Vajpayee, die Präsidenten Brasiliens und Mexikos, Luiz Ignacio «Lula» da Silva und Vicente Fox und Chinas Staatschef Hu Jintao.

Weitere Gäste waren die Präsidenten Nigerias und Senegals, Olusegun Obasanjo und Abulaye Wade, der saudische Erbprinz Abdullah und Algeriens Staatschef Abdelaziz Bouteflika.

Auch UNO-Generalsekretär Kofi Annan und Vertreter von Weltbank und IWF sowie von einigen grossen Nichtregierungs-Organisationen gehörten zu den Gästen.

Nicht zu dem Diner erschienen waren Ägyptens Präsident Hosni Mubarak und Marokkos König Mohammed V.

Der Schweizer Bundespräsident rief die reichen Staaten in seiner Rede dazu auf, ihre gegenüber dem Süden gemachten Versprechen einzulösen. Sonst würden die Menschen in den armen Ländern bald einmal das Vertrauen in die Demokratie und demokratische Werte verlieren.

Die Schweizer Regierung nutzten den Anlass auch zu einer Reihe bilateraler Treffen.

So erörterte Bundespräsident Couchepin mit dem saudi-arabischen Erbprinzen den Nahost-Konflikt. Mit UNO-Chef Annan sprachen gar fünf Bundesräte über den Irak-Krieg und über Migration. Bundesrat Joseph Deiss diskutierte mit dem WTO-Chef Panitchpadki über die blockierten Verhandlungen der Welthandels-Organisation.

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