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Sollen Ausländerinnen und Ausländer mit Schweizer Wurzeln in der Schweiz arbeiten dürfen?

Arbeitsplatz Schweiz
Eine Motion fordert die Schaffung eines zusätzlichen Sonderkontingents für Aufenthaltsbewilligungen mit Erwerbstätigkeit für die Nachkommen von Schweizer Bürgerinnen und Bürgern. Keystone / Gaetan Bally

Eine Motion von Ständerat Carlo Sommaruga (SP) verlangt ein Sonderkontingent für Schweizer Nachkommen von Ausgewanderten ohne Schweizer Pass, damit diese leichter in der Schweiz arbeiten können. Der Bundesrat lehnt die Motion ab. Jetzt ist das Parlament dran.

Allein in Südamerika sind es mehrere Zehntausend. Wie viele es weltweit sind, kann man nur erahnen: Die Zahl der Nachkommen von Schweizer Ausgewanderten, die über Generationen hinweg das Schweizer Bürgerrecht verloren haben, ist hoch.

Trotz der Distanz pflegen viele bis heute eine Verbindung zu ihren Wurzeln. Sie träumen davon, das Schweizer Bürgerrecht wiederzuerlangen oder zumindest für eine Zeit lang in der Schweiz zu leben und zu arbeiten.

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Nicht nur die finanzielle Situation verunmöglicht aber diesen Nachkommen – viele von ihnen leben in Südamerika – , in die Schweiz zu reisen. Oft scheitert es bereits bei der Aufenthaltsbewilligung. Wenn sie sich länger in der Schweiz aufhalten und arbeiten möchten, erhalten sie kein Visum.

Eine Motion von Ständerat Carlo Sommaruga (SP) Externer Linkwill das nun ändern. Der von ihm eingereichte Vorstoss wird in der laufenden Session behandelt.

Er fordert die Schaffung eines zusätzlichen Sonderkontingents für Aufenthaltsbewilligungen mit Erwerbstätigkeit für die Nachkommen von Schweizer Bürgerinnen und Bürgern, die weder den Schweizer Pass noch das Bürgerrecht eines Landes in der EU oder EFTA besitzen.

Die Schweizer Wirtschaft kann von Schweizer Nachkommen profitieren

«In dieser Gemeinschaft der Nachkommen von Schweizerinnen und Schweizern ohne Pass besteht der Wille, die Verbindung zur Schweiz zu stärken», sagt Sommaruga. Festgestellt habe er dies unter anderem bei seiner letztjährigen Reise mit einer Delegation von Parlamentarier:innen nach Argentinien und Brasilien.

Auch eine eingereichte Petition aus Südamerika von 11’500 Nachkommen ausgewanderter Schweizer, die einen einfacheren Zugang zum roten Pass fordern, zeige dieses Bedürfnis deutlich (wir haben darüber berichtet).

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«Im aktuellen politischen Kontext sehe ich politisch jedoch wenig Chancen für dieses Anliegen», gesteht Sommaruga ein, obwohl er diese Forderung als gerechtfertigt ansehe. Sommaruga beschreibt seinen Vorstoss als alternativen Zugang, um die Tausenden von Schweizer Nachkommen zu unterstützen.

Sommaruga unterstreicht in seiner Motion die Verbindung der Nachkommen von Schweizer Ausgewanderten mit der Eidgenossenschaft.

«Diese Nachkommen von Schweizerinnen und Schweizern, die auf anderen Kontinenten leben, tragen Namen, die in unseren Kantonen sehr geläufig sind. Oft sind sie in Vereinen aktiv, die den Bezug zur Schweiz pflegen, nehmen an patriotischen Festen wie der 1. August-Feier teil, und tragen als Mitglied in Chören, die unsere Schweizer Lieder in ihrem Repertoire haben, zur Wahrung der Schweizer Kultur bei». Ein Teil von ihnen pflege auch noch die Sprache oder den Dialekt ihrer Vorfahren.

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«Es ist offensichtlich, dass sich viele dieser Nachkommen von Schweizerinnen und Schweizern in Argentinien, aber auch in Uruguay und Chile in wirtschaftlich schwierigen Situationen befinden, jedoch über Fähigkeiten verfügen, die der Schweizer Wirtschaft zugutekommen könnten», so der SP-Ständerat im Gespräch mit SWI swissinfo.ch.

Diese würden in die Schweiz kommen wollen, um eine gute Arbeit zu finden, aber auch, um ihr Wissen in den Schweizer Arbeitsmarkt einbringen zu können.

Nicht nur eine Frage der Gleichbehandlung

Menschen von ausserhalb Europas kommen in der Schweiz nicht in den Genuss der Personenfreizügigkeit. Es gibt ordentliche Kontingente für Staatsangehörige aus EU- und EFTA-Länder, dazu das Sonderkontingent für Grossbritannien als Folge des Brexits.

Portrait Ständerat Sommaruga
Ständerat Carlo Sommaruga (SP). Keystone / Alessandro Della Valle

Für Nachkommen von Schweizerinnen und Schweizern, welche die Staatsangehörigkeit von Drittstaaten besitzen, ist der Zugang zum Arbeitsmarkt in der Schweiz jedoch nur im Rahmen von strikten Quoten möglich.

«Diese Ungleichbehandlung muss berücksichtigt werden», sagt Sommaruga. Es gehe aber nicht nur um die Frage der Gerechtigkeit, sondern auch um einen praktischen wirtschaftlichen Nutzen für die Schweiz.

Sommaruga sieht mit der Einführung eines zusätzlichen Sonderkontigents die Chance, dass die Nachkommen der Schweizer Ausgewanderten vermehrt etwas für die Schweizer Wirtschaft beitragen und so den Fachkräftemangel teilweise abfedern können.

Der SP-Ständerat ist überzeugt, dass es «in dieser Gemeinschaft der Nachkommen von Schweizerinnen und Schweizern, die keinen Schweizer Pass besitzen, neben Führungskräften und Spitzenforscherinnen und -forschern auch zahlreiche Menschen mit ganz unterschiedlichen Fachkompetenzen gibt, welche die heutige und die künftige Nachfrage der Schweizer Unternehmen decken können.»

Sie hätten den grossen Vorteil, dass sich einfach integrieren lassen würden, vor allem jene, die den Bezug zur Heimat ihrer Vorfahren aktiv gepflegt hätten.

Kontigent als Mittel zur leichteren Wiedereinbürgerung?

Aber, ist diese Schaffung eines Sonderkontigents nicht nur ein Mittel zum Zweck, um diesen Nachkommen einen längeren Aufenthalt in der Schweiz zu ermöglichen?

Dann nämlich könnten sie sich wiedereinbürgern lassen. Denn wer sein Schweizer Bürgerrecht verwirkt hat, kann nach drei Jahren Aufenthalt in der Schweiz seine Wiedereinbürgerung beantragen.

Ob Sommaruga auch dieses Ziel verfolgt, lässt er offen. «Es geht klar darum, auf ein wirtschaftliches Bedürfnis zu reagieren», sagt Sommaruga. Wenn die Konsequenz daraus sei, dass diese Nachkommen wieder das Schweizer Bürgerrecht erlangen können, «umso besser».

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Der Bundesrat ist dagegen

Der Bundesrat anerkennt in seiner Antwort auf die Motion zwar «die Bedeutung der kulturellen und emotionalen Bindung mit ihrem Herkunftsland, die manche Nachfahren von Auslandschweizerinnen und -schweizern auch nach vielen Jahren noch verspüren.»

Diese Gemeinschaften spielten eine Schlüsselrolle für die internationale Vernetzung der Schweiz und die Aufrechterhaltung von Schweizer Traditionen, schreibt er.

Jedoch hätten die Nachfahren von Schweizerinnen und Schweizer im Ausland bereits einen privilegierten Zugang zum Schweizer Arbeitsmarkt, da sie durch eine einfache Meldung das Schweizer Bürgerrecht beibehalten können.

Das gilt, sofern sie es überhaupt haben. Dennoch spricht sich der Bundesrat gegen die Einführung einer zusätzlichen Höchstzahl zugunsten der Menschen mit Schweizer Abstammung aus.

Die «erheblichen administrativen Herausforderungen», die ein solches Kontingent mit sich bringen würden, hätten einen grossen Zeit- und Kostenaufwand zur Folge – «dies würde dem Grundsatz der Verwaltungseffizienz zuwiderlaufen».

Sommaruga will hier eine pragmatische Lösung: «Warum nicht einmal für fünf Jahre ein solches Kontingent einführen und sehen, wie es funktioniert?» Er ist überzeugt, dass sich der administrative Aufwand mit klaren Kriterien reduzieren liesse.

Editiert von Balz Rigendinger

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Debatte
Gastgeber/Gastgeberin Melanie Eichenberger

Welche Faktoren sollten bei der Vererbung des Schweizer Bürgerrechts im Ausland berücksichtigt werden?

Sollte es eine Grenze für die Weitergabe des Schweizer Bürgerrechts geben? Oder ist die heutige Praxis zu streng und die Meldung sollte auch nach dem 25 noch möglich sein?

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