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«Sport erzieht zu Solidarität und Fairplay»

Alt Bundesrat Adolf Ogi bei swissinfo. swissinfo.ch

Als UNO-Sonderberater hat alt Bundesrat Adolf Ogi sieben Jahre lang den Sport weltweit als Schule des Lebens und Mittel zum Frieden propagiert.

Im Interview mit swissinfo zieht Ogi Bilanz über sein UNO-Mandat, äussert sich zur «Euro08» und redet seiner Partei, der Schweizerischen Volkspartei, ins Gewissen.

Die internationalen Bemühungen von alt Bundesrat Adolf Ogi tragen Früchte.

In den vergangenen sieben Jahren hat die UNO über 1000 Projekte im Bereich des Sports lanciert. Zudem soll sein Amt in eine feste Institution überführt werden.

Nun scheint die Zeit gekommen, dass der Schweizer das Amt in jüngere Hände legt und wieder zur Privatperson wird.

swissinfo: Nun wird ihr Amt zur festen Einrichtung. Sind Sie stolz darauf?

Adolf Ogi: Stolz nicht, aber ich glaube, man hat bei der UNO erkannt, dass neben Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Religion mit dem Sport noch ein weiteres Element vorhanden ist, das helfen kann, die Millenniums-Ziele zu erreichen, die wir im Jahr 2000 für 2015 definiert haben.

Leider sind wir bis heute noch nicht «on track». Deshalb braucht es neue Kräfte und Instrumente – so auch den Sport – die zu einer besseren, friedlicheren, geordneteren und terrorfreien Welt beitragen können.

Ich bin froh, dass der neue UNO-Generalsekretär eingesehen hat, dass die sieben Jahre etwas bewirkt haben und dies nun institutionalisiert wird.

swissinfo: Sie haben diesen Sommer erklärt, vom UNO-Amt zurückzutreten. Überlegen Sie sich das – unter diesen neuen Vorzeichen – noch einmal?

A.O.: Ich wollte letztes Jahr zusammen mit UNO-Generalsekretär Kofi Annan zurücktreten. Die neue Administration hat dann gewünscht, dass ich überbrücke. Das habe ich jetzt getan.

Ich will auf Ende Jahr zurücktreten, aber es sind jetzt noch Diskussionen im Gang, ob das Ende Dezember sein soll oder etwas später. Aber ich bin ich der Meinung, es ist jetzt Zeit, dass eine neue Frau, ein neuer Mann die Sache übernimmt.

swissinfo: Hat sich der Einfluss des Sports auf internationaler Ebene verstärkt, wenn es um die Friedensförderung geht?

A.O.: Nicht nur bei der Friedenspromotion kann der Sport eine wichtige Rolle spielen, sondern auch bei der Förderung der Erziehung, Gesundheit und weiteren Aspekten der Entwicklung. Sport ist eine Lebensschule.

Im Sport lernt man zu siegen, ohne zu denken, man sei der Beste. Man lernt zu verlieren, ohne zu denken, dass sei nun das Ende. Man lernt, Gegner und Spielregeln zu respektieren und Richterentscheide zu akzeptieren.

Man lernt Integration, Solidarität und Fair Play. Ich denke, dies wird in Afrika, Asien und Südamerika sehr wohl begriffen. In Europa und Nordamerika leider noch nicht wirklich.

swissinfo: In der Schweiz steht die Euro 08 praktisch vor der Tür. Man hat das Gefühl, dass darob nicht in erster Linie Freude, sondern Sorge herrscht. Hat die Schweiz ein Problem mit der Euro 08?

A.O.: Abgerechnet wird am Schluss. Dann wird man sehen, ob die Euro 08 für die Schweiz und Österreich ein Erfolg war oder nicht. Im Moment hat man den Eindruck, dass die Probleme, die zu lösen sind, eine Euphorie verhindern.

Man muss allerdings auch realistisch sein: Man kann nicht 250 Tage vor dieser EM eine Euphorie befehlen, den Schweizern sagen: «Freut euch des Lebens, macht etwas aus dieser EM.» Das entspricht nicht dem Schweizer Temperament.

Es ist aber schade, dass jetzt nur von Problemen gesprochen und die Freude unterdrückt wird. Es müsste jetzt nicht langsam, sondern schnell eine gewisse Begeisterung aufkommen.

swissinfo: Wird die Organisation der EM gelingen?

A.O.: Wir können uns gar nicht leisten, schlechte Europameisterschaften durchzuführen. Die Portugiesen haben gezeigt, wie man wa macht, die Deutschen haben hervorragende Weltmeisterschaften organisiert.

Ich zähle darauf, dass wir das auch können. Und ich hoffe es. Denn diese Chance kommt nicht mehr.

swissinfo: Vor einigen Jahren haben Sie gesagt, die Schweizerische Volkspartei (SVP) werde im nächsten Wahljahr 2011 Probleme haben, wenn sie im gleichen Stil wie heute weiter mache. Bleiben Sie bei dieser Einschätzung?

A.O.: Ja. Dieses Jahr hat unsere Partei 29% Wähleranteile erhalten. Das ist einmalig in der Geschichte der Schweiz. Wenn eine Partei derart erstarkt, ist es ihre Pflicht, Lösungen zu finden, die für das ganze Land und nicht nur für sich selbst die Besten sind.

Die SVP muss beweisen, dass sie solche Bestlösungen für die auftauchenden Probleme des Landes bereit stellen kann.

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SVP

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Schweizerische Volkspartei (SVP) entstand 1971 aus der Fusion der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB) mit den Demokratischen Parteien der Kantone Glarus und Graubünden. In den 1990er-Jahren legte die SVP stark zu und wurde 1999 zur wählerstärksten Partei im Parlament. Sie politisiert klar auf der rechten Seite des politischen Spektrums: Weniger Staat, eingeschränkte Zusammenarbeit mit…

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swissinfo : Wird das der SVP gelingen?

A.O.: Erfolg bestätigt, aber verpflichtet auch. Ich hoffe, dass man sich dieser Verantwortung bewusst wird, nicht holzschnittartig politisiert, sondern in diesem Land der vier Kulturen, der 26 Kantone und 3000 Gemeinden, in dieser Vielfalt, die eine Einheit bilden sollte, Lösungen im Interesse des Landes findet. Ich bin zuversichtlich, die SVP wird das schaffen.

swissinfo: Sie reisen als UNO-Sonderberater viel – man könnte fast schon sagen, Sie sind ein «reisender Auslandschweizer». Hat sich Ihr Bild von der Schweiz dadurch geändert?

A.O.: Die Schweiz wird im Ausland sehr positiv wahrgenommen, namentlich in Asien. In Europa haben wir dagegen nicht mehr das gute Image, das wir von 20, 30 Jahren hatten. Dass wir nicht EU-Mitglied sind, hat für uns Vorteile, aber man schaut uns natürlich in Europa schon etwas kritischer an.

In Amerika ist einerseits eine Nachwirkung der Debatte um die Holocaust-Gelder feststellbar, andererseits: Seit wir UNO-Mitglied sind, kann man uns nicht mehr als Rosinenpicker bezeichnen. Unsere Mission in New York hat hervorragende Arbeit geleistet. Die Schweiz wird heute in der UNO respektiert.

Summa summarum: Das Image der Schweiz in der Welt ist nach wie vor gut, vielleicht nicht überall sehr gut, aber insgesamt gut.

swissinfo: Wie muss man sich den Ogi im Ruhestand vorstellen?

A.O.: Mit Skiern auf dem Mont Blanc.

swissinfo, Christian Schmid

Adolf Ogi wurde am 18. Juli 1942 in Kandersteg (Kanton Bern) geboren. In dem Oberländer Bergdorf verbrachte er seine Jugendjahre.

Nach den Grundschulen erwarb er das Handelsdiplom der École supérieure de commerce in La Neuveville und besuchte darauf die Swiss Mercantile School in London.

1964 trat er in den Dienst des Schweizerischen Skiverbandes, den er ab 1975 als Direktor leitete. 1981 wurde er Generaldirektor und Mitglied des Verwaltungsrats der Intersport Schweiz Holding AG.

Adolf Ogi ist seit 1978 Mitglied der Schweizerischen Volkspartei (SVP). 1979 wurde er in den Nationalrat (Bundesparlament) gewählt. Zwischen 1984 und 1987 präsidierte er die SVP.

Ab dem 1. Januar 1988 war Ogi Regierungsmitglied und Vorsteher des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschafts-Departements (EVED).

1996 wechselte er ins Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport, dem er bis Ende 2000 vorstand.

1993 und 2000 amtierte er als Bundespräsident.

Nach seinem Ausscheiden aus der Schweizer Regierung trat Ogi als Sonderberater für Sport, Frieden und Entwicklung in die Dienste der Vereinten Nationen (UNO).

Dieses Mandat lief Ende 2006 aus. Auf Wunsch des UNO-Generalsekretärs blieb er ein weiteres Jahr im Amt. Ende 2007 ist die Verlängerung zu Ende.

Adolf Ogi ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern.

Auf Wunsch von swissinfo hat Adolf Ogi folgenden Lieblingswitz über sich selbst ausgewählt:

Bundesrat Ogi muss zum Thema Sport, Gesundheit und Herzkrankheiten einen Vortrag halten und weiss nicht mehr, ob es «Le coeur» oder «La coeur» heisst.

Also fragt er bei seinem Nachbarn, Bundesrat Jean-Pascal Delamuraz. Sagt der lebenslustige Delamuraz: «Ne t’en fais pas. Dis seulement: Liqueur.»

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