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Sprachenstreit im Bundesrat

Bundesrat Pascal Couchepin wehrt sich für die Sprachminderheiten in der Schweiz. Keystone

Bundesrat Pascal Couchepin hat die Vizekanzler- und Bundesrats-Sprecherwahl vom vergangenen Mittwoch scharf kritisiert.

In einem Interview vom Sonntag sagte er, eine Allianz aus Deutschschweizern und der Sozialdemokratischen Partei (SPS) habe die Sprachminderheiten ausgeschlossen.

Die Bundeskanzlei – sprich Bundeskanzlerin Annemarie Huber-Hotz – habe ihre Arbeit schlecht gemacht, kritisierte der Innenminister gegenüber der Westschweizer Zeitung «Le Matin dimanche» die Wahl von Bundesratssprecher und Vizekanzler Oswald Sigg sowie Vizekanzlerin Corina Casanova vom vergangenen Mittwoch.

Suche man Kandidierende aus den lateinischen Landesteilen für hohe Bundesämter mit gleichen Qualifikationen wie Deutschschweizer, finde man sie auch.

Dass die SPS mit dem loyalen Parteimitglied Sigg nun eine weitere Person in den Bundesratssitzungen hat, kommentiert SP-Generalsekretär Reto Gamma in der «NZZ am Sonntag»: «Die Rochade nützt der Partei», sagt Gamma.

«Ausrutscher»

Die der CVP nahe stehende Casanova sei im Jahrbuch des Bundes nicht als romanisch- sondern als deutschsprachig ausgewiesen, sagte Couchepin weiter. Und der SP-Mann Sigg spreche kein Italienisch. Wenn es derartige «Ausrutscher» gebe, müsse das angeprangert werden, sonst wiederholten sich solche Vorkommnisse.

Die Demokratie sei nicht nur eine Frage der Zahlen. Sie verkörpere auch den Willen, die Minderheiten und gewisse Werte zu achten, sagte Couchepin weiter.

Vertreterin der lateinischen Schweiz

Die neue Vizekanzlerin Corina Casanova stellte sich nach ihrer Wahl vor den Medien als Vertreterin der lateinischen Schweiz dar. Als Romanisch-Sprachige will sie die Sprachen nicht gegeneinander ausspielen.

Die neue Leiterin der Sprachdienste in der Bundeskanzlei will sich gegen Kürzungen bei der Sprachenförderung auf Bundesebene einsetzen, wie sie der Zeitung «Die Südostschweiz» vom Samstag sagte.

Es sei wichtig, weiterhin alle Publikationen des Bundes in allen Landessprachen zu veröffentlichen. Sie rief weiter in Erinnerung, dass Italienisch-Sprechende auf hohen Posten der Bundesverwaltung untervertreten sind. Hier seien Bundesrat und Departemente gefordert.

Wahl war knapp

Wie die «NZZ am Sonntag» schreibt, war denn die Wahl von Oswald Sigg (von dem die Romands sagen, er spreche auch nicht besonders gut Französisch) und Corina Casanova zu Vizekanzlern auch höchst umstritten.

Zuständig für die Nominierung der Kandidatin und des Kandidaten war Bundeskanzlerin Annemarie Huber-Hotz. Sigg und Casanova wurden auf ihren Antrag hin gewählt.

Oswald Sigg ersetzt Bundesratsspecher Achille Casanova und Corina Casanova (nicht verwandt mit Achille Casanova) die überraschend zurückgetretene Hanna Muralt. Muralt hatte ihren Rücktritt offenbar intern schon vor Wochen angeboten.

Stichentscheid

Auch die «NZZ am Sonntag» schreibt, dass sich vor allem der freisinnige und französischsprachige Bundesrat Couchepin gegen die Wahl der beiden gestellt habe. Couchepin habe verlangt, dass das Wahlgeschäft zu vertagen sei, unterlag aber mit diesem Antrag offensichtlich im Gremium.

Nachdem Sigg gewählt war, so die Zeitung, habe sich Couchepin auch gegen die Wahl von Corina Casanova gestellt. Der Antrag, Casanova nicht zu wählen und den Job öffentlich auszuschreiben, habe im Bundesrat zu heftigen Diskussionen geführt.

Couchepin sei von den Bundesräten Blocher und Merz unterstützt worden. Samuel Schmid, Joseph Deiss und Micheline Calmy-Rey wollten die Wahl Casanovas und Bundesrat Leuenberger habe sich verärgert der Stimme enthalten.

Da nun das Wahlgeschäft 3:3 stand, habe Bundespräsident Samuel Schmid den Stichentscheid pro Casanova gefällt.

swissinfo und Agenturen

Als Vizekanzler ist Oswald Sigg Informations-Verantwortlicher und Stabchef der Regierung.
Im Gegensatz zu Achille Casanova wird Sigg die Sprachdienste nicht mehr führen. Diese Aufgabe übernimmt Vizekanzlerin Corina Casanova.
Die beiden Vizekanzler nehmen an den Bundesrats-Sitzungen teil, wie die Bundes-Kanzlerin.
Seit September 2000 arbeitet einer der beiden Vizekanzler als offizieller Sprecher des Bundesrates. Dies fällt Oswald Sigg zu.

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